Söder: Wieviel Grün darf es sein?

Stelle mer uns mal janz dumm: Wat is 'ne Wahlkampf? Die Antwort: Wahlkampf ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Damit ist eine gewisse Verwandtschaft des Wahlkampfes mit der blutigen Variante, dem Krieg, hergestellt. Im Krieg wie im Wahlkampf steht der Kommandeur vor der Frage: Von wo droht die größte Gefahr? Entsprechend die Kampftaktik.

Meine Eingangsfrage in Anlehnung an die Feuerzangenbowle ist sprachlich etwas unpassend. Denn mir geht es hier um Bayern. Die Frage müsste also lauten: Wos is a Wohlkompf? Das liest sich sehr niederbayrisch, klingt also nach Hubert Aiwanger (Oiwonger), aber mit etwas Wohlwollen kann es auch als Markus Söders Fränkisch durchgehen.

Wenn der bayerische Ministerpräsident sich also fragt: Wer kann mir am gefährlichsten werden, muss er heutzutage nicht lange überlegen: die Grünen natürlich. Im Bund sind sie laut Umfragen praktisch gleichauf mit der Union, in Bayern rücken sie der CSU allmählich auf die Pelle, in Umfragen sind sie mit Abstand die zweite Kraft.

Das ist neu. Der Stichtag war der Tag der Europa-Wahl. Vorher war die AfD der Hauptfeind. Bis dahin galt vor allem die Parole von Franz Josef Strauß: Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Es ging also darum, der AfD die Legitimität streitig zu machen, sie ins Rechtsradikale zu schubsen, was dank der aktiven Mithilfe der AfD keine übermenschliche Aufgabe war. Und da die AfD in der Europa-Wahl keinen gefährlichen Schritt nach vorn gemacht hat, geriet sie in die Rolle des nur mäßig drohenden Gegners. 

Gelehriger Jünger Angela Merkels

Ganz anders die Grünen. Die sind selbst im immer noch bemerkenswert schwarzen Freistaat zum ernsthaften Konkurrenten der CSU herangewachsen. Also wurde ein Taktikwechsel notwendig. Die schwersten Geschütze mussten auf den neuen, erstarkten Gegner gerichtet werden. Aber wie und mit welchem Fernziel? Das ist die strategische Frage.

Hier zeigt sich Markus Söder als gelehriger Jünger Angela Merkels. Bekämpfung durch Themenklau. So wurde das Grünen des bayerischen Ministerpräsidenten geboren. Dabei handelt es sich um eine Doppelstrategie. Der grüne Söder sorgt dafür, dass die Bäume der Originalgrünen nicht in den Himmel wachsen und bereitet zugleich den Boden für eine, wie auch immer geartete, eventuell notwendige Zusammenarbeit. Man ist sich so nah gekommen, warum kein Bündnis eingehen? Hauptsache, die Cheffrage ist geklärt.

Wie glaubwürdig ist die Grünwerdung des Schwarzenchefs? Nicht weniger glaubwürdig als die Wandlungen anderer Politiker seit alters her. Markus Söder ist jung genug, dass man ihm die Sorge um die Zukunft unseres Planeten abnimmt. Er mag von Hause aus kein brennender Bienenretter sein, aber die Rolle geht ihm auch nicht gegen den Strich. Zum Profi gehört auch die Fähigkeit, Auftritte hinzulegen, die ihm das Publikum abnimmt. Und Söder ist ein Profi.

Doch wie bei jedem Zwei-Fronten-Kampf besteht die Gefahr, dass die Nebenfront unbemerkt wieder zur Hauptfront werden kann. Vernachlässigung ist ihre Chance. Es braucht nur den richtigen Auslöser. Die Landtagswahlen in den Ostländern könnten ein solcher Auslöser werden. Wie die Euro-Wahlen die Stunde der Grünen wurden, so können die Ostwahlen eine neue Stunde der AfD werden. Denn die Probleme haben sich nicht geändert. Die Leute sorgen sich um den Planeten, aber sie sorgen sich auch um den Zustand Deutschlands. Sie sorgen sich in beide Richtungen.

Ein links-grünes Berlin ist Bayern noch lange nicht

Söder wird auf Dauer an einem Balance-Akt nicht vorbei kommen. Übertreibt er es mit der Begrünung seiner Politik und vernachlässigt er die Sorgen seiner konservativen Stammwähler, dann droht er das Dekret des CSU-Übervaters zu vernachlässigen und lässt rechts eine legitime Partei gedeihen. Zwar ist die bayerische Gesellschaft nicht mehr die des großen Alten. Aber ein links-grünes Berlin ist Bayern noch lange nicht. 

Im Moment geht Söders Taktik auf. Er und seine Partei legen in Umfragen zu, er selber gewinnt an Statur. Er ist, seit die Schwesterpartei CDU abmagert, ohnehin der Chef der letzten echten Volkspartei in Deutschland. Diesen Sonderstatus zu erhalten aber, bleibt ein Kampf, eben ein Zwei-Fronten-Kampf. Von zwei Seiten wird heftig an ihm und seiner CSU gezerrt. Was links gewonnen wird, kann rechts leicht verloren gehen.

Die Geschichte lehrt: Es genügt ein Einbruch auf einer der beiden Fronten, und der Sieg ist gefährdet.

Foto: Patrick Büttgen/phoenix CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Hans-Peter Kimmerle / 03.08.2019

Die CSU war früher der politische gesunde Menschenverstand in Bayern Die Söder-Dobrindt-Scheuer-CSU ist nur noch eine ängstlich agierende Interessenvereinigung zum Machterhalt, die bereits beim Anblick schulstreikender Kinder die Hosen voll hat.

Gerald Pesch / 03.08.2019

Söder schießt sich damit voll in den eigenen Fuß! Wer sich grün macht, den fressen die Ziegen. Das Kopieren einer Ideologie legitimiert nur das Orginal; die Leute wählen dann langfristig das Orginal. Die SPD wird gerade zum Friedhof gefahren, absehbares Ende des Rennens um das grünste Image. Das Grab für CDU/CSU ist auch schon ausgehoben, bleibt nur noch die AfD als einzige wirkliche Opposition zu den Öko-Blockparteien. FJS rotiert derweil im Grab, gute Nacht Deutschland.

Heiko Engel / 03.08.2019

@Frau Sommer. Absolute Weltklasse. Mehr geht nicht. Warum viel schreiben, wenn es auch so geht.  Treffendere Formulierung ist nicht möglich. Deshalb unterlasse ich jede Stellungnahme.

S. v. Belino / 03.08.2019

Im Gegensatz zu Ihnen, werter Herr Bonhorst, bewerte ich die programmatischen Raubzüge Söders, seine neuerlichen Klimmzüge am grünen Reck, völlig anders. Für mich sind sie nicht wirklich überzeugend. Ihre Annahme, Söder habe sich große Teile seiner nun sattgrünen Agenda aus innerer Überzeugung zu eigen gemacht, vermag ich nicht zu teilen. Mit meinen Zweifeln, bzw. meiner gerade während der letzten Jahre gewachsenen, Abneigung gegen allzu plötzliche Wendemanöver von Politikern stehe ich vermutlich nicht allein auf weiter Flur. Zwar sind selbst die durchsichtigsten Bemühungen um Machtgewinn oder -erhalt durchaus legitim; allerdings treiben diese auch in unserer Demokratie mitunter die exotischsten Blüten. Blüten, die leider allzu oft nach purem Populismus duften.

J. Polczer / 03.08.2019

Meiner Ansicht nach ist das ein Weltwunder. Wer würde schon die Grünen wählen, wenn er sich deren Personal genauer anschaut. Verzeihen Sie mir, aber jemand der keine Ahnung hat, dass es kein Element mit dem Namen “Kobold” gibt, kann man den überhaupt wählen? Nun zu Söder: Tut mir leid, aber ich nehme dieser Person eigentlich gar nichts ab. Von jemanden, der sich dreht wie das Fähnchen im Wind, kann man beim besten Willen nichts erwarten. Es scheint kaum noch Politiker mit Charakter zu geben, sondern nur noch hohle Puppen, die sich ihre Themen nach Umfragewerten zusammenstellen. Nur noch der Machterhalt scheint bedeutsam zu sein, aber nicht mehr das Wohl des Landes in dem man lebt. Vielleicht gab es ja nie solche Politiker und die Vergangenheit hört sich nur aus meiner Perspektive nett an. Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es doch einmal eine Zeit gegeben hat, wo dies anders war.

Klaus Plöger / 03.08.2019

MÜNCHEN Staatskanzlei. Die Uhren mochten links herumgehen und Utopien das Volk verschleißen, hier aber regierte einst die Weltvernunft, als der Stammtisch noch sagte: mir san die letzdn Preißn.

Rudolf George / 03.08.2019

Was Söder macht ist weder Strategie noch Taktik, sondern nur schlichte Kapitulation vor den herrschenden Medien. Wer sich der kryptofaschistischen Ideologie der Grünen ergibt, wird am Ende von ihr gefressen. Die SPD ist schon so gut wie weg, und die Union bemüht sich nach Kräften es ihr gleich zu tun.

Rolf Lindner / 03.08.2019

Die Sorge um den Planeten ist ein Popanz, vorgeschoben, um vom wirklichen Problem abzulenken - der Bevölkerungsexplosion mit der daraus resultierenden Migrationsexplosion und wiederum daraus resultierenden weiteren Problemen. Söders Aufgabe als Politiker, besonders als konservativer Politiker, wäre es das Problem beim Namen zu nennen. Stattdessen versucht er mit der grünen Realitätsleugnung gleichzuziehen. Er verkennt dabei, dass auch in Bayern die Folgen der Realitätsleugnung sich noch deutlicher Bahn brechen werden als sie es ohnehin schon tun. Sein Schmusekurs mit Merkel und den Grünen hat keine Zukunft. Abgesehen davon sollte gerade die CSU an ihrer eigenständigen Politik erkennbar sein, die früher einmal darin bestand, Tacheles mit Phantasten aller Art zu reden und entsprechend zu handeln. So ist Söder gegenwärtig nichts weiter als die traurige Inkarnation der politischen Dekadenz, die Deutschland befallen hat und die wie in jedem dekadenten System von innen zerstörend wirkt.

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