Thilo Sarrazin / 15.12.2022 / 12:00 / Foto: Achgut.com / 121 / Seite ausdrucken

So macht man sich Feinde und schürt Verachtung

Wenn Deutschland die moralischen Verhältnisse in Katar so schrecklich findet, sollte es von dort auch kein Flüssiggas beziehen, das wäre wenigstens konsequent. Aber es sollte nicht Sportlern, die nur Fußball spielen wollen, eine LGBT-Armbinde aufzwingen.

Seit meiner frühen Jugend ein Sport- und Fußballmuffel, bin ich an der Fußballweltmeisterschaft in Katar genauso interessiert wie an der Vier-Schanzen-Tournee oder anderen sportlichen Großereignissen – nämlich gar nicht. Kommt Sport im Fernsehen, schalte ich um oder drücke den Aus-Knopf.

Aber ich weiß sehr wohl, dass sportliche Wettbewerbe seit der Antike Millionen Menschen fasziniert haben und dass das gemeinsame Erlebnis dieser Faszination immer wieder die Grenzen sprengen kann, die sonst durch Bildung, Gesellschaftsschicht, Nation, Religion und Politik gezogen werden. Das hält natürlich nicht an. Die Euphorie der Olympischen Spiele 1936 in Berlin hinderte Hitler nicht daran, drei Jahre später Polen zu überfallen. Und die Olympischen Winterspiele in Sotschi im Februar 2014 hinderten Putin nicht daran, wenige Monate später die Krim zu besetzen und den Krieg im Donbass vom Zaun zu brechen.

Wer also dem Sport per se eine völkerverbindende und friedensstiftende Kraft zuspricht, muss aufpassen, dass er sich nicht selbst betrügt und anderen Sand in die Augen streut.

Gleichwohl ist es schön, wenn Menschen, Staaten und Gesellschaften bisweilen ihre Differenzen beiseitelegen und sich im Wettbewerb nach gemeinsamen Regeln friedlich miteinander messen.

Es wird ausgeblendet

Was die Menschen und ihre Gesellschaften trennt, wird damit nicht verdrängt oder geleugnet, es wird aber für das sportliche Ereignis ausgeblendet. So entsteht ein Gemeinschaftserlebnis, dass die Völker bei allen Unterschieden ihrer Ideologien und Herrschaftssystem zumindest vorübergehend vereint und vielleicht auch im politischen Alltag nachwirkt.

Die Religion des Islam sehe ich sehr kritisch. Darunter auch den Kopftuchzwang für Frauen und die Ächtung von Homosexualität. Katar ist auch ansonsten beileibe keine westliche Demokratie. Aber deshalb kann man doch gemeinsam Fußball spielen.

Es ist anmaßend, jemand anderen vor einer sportlichen Begegnung zu Bekenntnissen zu zwingen, die mit dem ausgeübten Sport überhaupt nichts zu tun haben. Unabhängig davon, wie edel der Inhalt der eingeforderten Bekenntnisse ist, kommt darin eine totalitäre Einstellung zum Ausdruck: Der andere wird nur akzeptiert und als gleichwertig anerkannt, wenn er sich zu Überzeugungen bekannt, die mit der gemeinsam betriebenen Sache nichts zu tun haben. Das ist überheblich und beleidigend. Für die tiefe Empörung, die dies bei den auf solche Art Gemaßregelten und öffentlich Vorgeführten auslöst, muss man Verständnis haben.

99 Prozent der Menschen haben ein biologisch eindeutiges Geschlecht, 5 bis 7 Prozent haben homosexuelle Neigungen. Diese sind genetisch festgelegt und schon deshalb einer moralischen Beurteilung nicht zugänglich. Dieser eindeutige Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis sollte auch in der islamischen Welt mehr Verbreitung finden. Aber Meinungsunterschiede zu sexueller Orientierung sollten Gesellschaften nicht daran hindern, miteinander Fußball zu spielen. Sie treiben ja schließlich auch Handel miteinander.

Erst der Schaden, dann der Spott

Wir freuen uns, wenn katarische Millionäre deutsche Autos kaufen und freuen uns doppelt, wenn sie uns Flüssiggas liefern. Das war dem deutschen Wirtschaftsminister Habeck im März 2022 sogar einen tiefen Diener vor dem Emir von Katar wert, und niemand in der deutschen Delegation nahm damals Anstoß an dessen drei Ehefrauen.

Wenn Deutschland die moralischen Verhältnisse in Katar so schrecklich findet, sollte es von dort auch kein Flüssiggas beziehen, das wäre wenigstens konsequent. Aber es sollte nicht seinen Sportlern, die doch nur guten Fußball spielen wollen, eine LGBT-Armbinde aufzwingen, die die gesamte arabisch-islamische Welt nur als Beleidigung auffassen kann und auch genauso auffasst. Die Sportler wurden durch eine schräge Verbandspolitik moralisch dazu gezwungen. Sie konnten nichts dafür. Als dann der Deutsche Fußballbund unter dem Druck der FIFA zurückruderte, kam zum Schaden noch der Spott.

Der Gipfelpunkt totalitärer Heuchelei war aber erreicht, als sich die deutsche Sportministerin Nancy Faeser mit der umstrittenen Armbinde in Katar auf die Zuschauertribüne setzte. Das mag Beifall in der deutschen LGBT-Gemeinde gegeben haben, hinterließ aber in Katar und der gesamten arabisch-islamischen Welt ein diplomatisches Trümmerfeld. So geht man nicht um mit einem gastgebenden Land, das sich die Infrastruktur und die Stadien für diese Weltmeisterschaft 220 Mrd. Euro kosten ließ.

Das kindische Beharren auf dem Vorzeigen der LGBT-Binde durch eine Bundesministerin bei dieser Gelegenheit in einem islamischen Land ist Ausdruck eines provinziellen Geistes, der offenbar Deutschland erneut zum moralischen Nabel der Welt machen will. So macht man sich Feinde und schürt Verachtung. Für die Rechte Homosexueller in der islamischen Welt ist damit nichts gewonnen.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche

Foto: Achgut.com

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Dieter Kief / 15.12.2022

Andreas Zöller- der Heinz-Rudolf Kunze hat sich immer wieder sehr klar und sehr energisch (!) gegen die Auswüchse der “Erwachten” wie das Gendersternchen-Gaga klipp und klar ausgeprochen. - Er ist einer im SPD-Umfeld, mit dem ich doch einiges zu besprechen wüsste. - Unter der - wechselseitigen! - Voraussetzung, dass man die Differenzen auch mal ausklammern kann. - Diese Tugend insbesondere, also sich über Gräben hinweg zu verständigen, wird in der Schweiz mit großem Geschick gepflegt. Das bewundere ich. - Apropos: Die NZZ zensiert mich noch weniger als Achgut - und viel weniger als Tichy’s Einblick. - Die Zürcher Weltwoche lässt Thilo Sarrazin gegen Putin wettern, obwohl die Redaktionslinie klar pro Putin ist: so ist das richtig!

Lutz Liebezeit / 15.12.2022

Hitler, Putin, geht’s noch? Sie sitzen hier mitten drinnen in der Nazi-Union, Herr Sarrazin, die europäische Großraumwirtschaft war der Kriegsgrund der Nazis. Die organisierte Bande, die hier seit Jahren die Deutschen verhetzt und ausrottet, sind nach dem Völkerrecht Rassisten, Faschisten und Völkermörder. Die Nazis haben sich nur grün und rot angestrichen. Ich frage mich allen Ernstes, worüber hier in den letzten 30 Jahren so nachgedacht worden ist? Sie versuchen hier Sachen zu bekämpfen, die in der Natur brauner Tyrannen stecken. Man kann das auch im Einzelnen nachweisen, die Windparks waren ein Plan Adolf Hitlers, genauso wie der millitante Nichtraucherkurs und Vegetarismus. Hier ist 30 Jahre lang konsequent unterwandert (wie vom Führer empfohlen), Kultur zerstört und verhindert worden. Deshalb kocht die Scheiße über. Die dämlichen Neurechten, bei denen man eben nicht weiß, ob sie nicht doch Agenten des Systems sind, haben mit ihrer beweislosen Quaksalberei den Haß auf die Deutschen verstärkt und denen Gründe geliefert, aufzurüsten und die Hetze gegen die Deutschen zu verstärken. Steine wirft man nicht, wenn man im Glashaus sitzt. Haben Sie Maastricht zugestimmt?

Ilona Grimm / 15.12.2022

„Deutsches EMPÖRIUM“ - Perle in einem Artikel der WELTWOCHE.

Ilona Grimm / 15.12.2022

@A. Ostrovsky: BERLIN - Der Name kommt aus dem Slawischen - genauer dem Altpolabischen - und bedeutet: „Ort im Sumpf, Morast“. Passt also.

Dirk Jungnickel / 15.12.2022

Auf so was wie von Hr. Kuhn hier “offenbart” habe ich nahezu gewartet. Inzwischen ist man es ja gewöhnt, dass die Achse leider für Propaganda mißbraucht wird. Die Ukrainer haben ein Selbstbestimmungsrecht, das Sie offensichtlich ignorieren !!!

Thomin Weller / 15.12.2022

Das die aktuelle unsägliche Bundesregierung die Lebensleistung von Millionen Bundesbürger vernichten, kommt dieser politischen Clowntruppe nicht in den Sinn. Statt dessen werden nun bundesweit Denunzierungsstellen errichtet, ob in Hamburg oder Berlin. Diese Regierung macht zig Millionen Bundesbürger zu Dissidenten wie sie nur in Diktaturen vorkommen. Inzwischen wird auf den Straßen ganz offen über einen Aufstand gegen diese Regierung gesprochen. “Dissident bezeichnet einen unbequemen Andersdenkenden, der öffentlich gegen die allgemeine Meinung oder politische Regierungslinie aktiv auftritt. Hauptsächlich wird die Bezeichnung für Oppositionelle in Diktaturen und totalitären Staaten verwendet, weil das ungehinderte Aussprechen der eigenen Meinung in Demokratien ein Grundrecht ist und damit als selbstverständlich gilt.”

T. Schneegaß / 15.12.2022

@Dirk Jungnickel: Schön, dass Sie auch heute wieder, wie jeden Tag, Ihre Doppelmoral hier offen legen, man vergisst sie dann nicht. Sch… auf Moral und Menschenrechte, Appeasement gegenüber all denen, ohne die hier die Lichter komplett ausgehen würden, und zwar für Alle, auch für die rotgrünen Faschisten höchstselbst. Kein Appeasement und “Moral” dann, wenn die Auswirkungen den Pöbel ganz allein treffen. “Weil das auch Nachteile für uns bringt, ....” Das Wort “uns” benutzt neben Jungnickel die Bande auch, und meint damit immer EUCH. Sollten Sie kein unmittelbarer Nutznießer der “uns”-Sager sein, so sind Sie zumindest ein ganz schlimmer Mitläufer und damit Stütze des Systems, auch wenn Sie ab und zu versuchen, das zu kaschieren.

Sepp Kneip / 15.12.2022

Es ist schon erstaunlich, wie Politiker der Altparteien die Politik der Regierung und damit auch das Agieren ihrer eigenen Partei ins Kreuzfeuer nehmen. Herr Sarrazin tut das in seinem Beitrag in trefflicher Weise, Genau so auch Herr Maßen, der an der Regierung auch kein gutes Haar lässt,  wenn er Faesers Razzia mit chinesischen Methoden vergleicht. Damit begibt er sich auch außerhalb der CDU, die diesen Blödsinn mitträgt. Dennoch bleiben beide stramme Soldaten ihrer Partei. Zwei Beispiele, die einem immer wieder zeigen, wie wenig diese Leute bereit sind, wirklich eine politische Änderung in diesem Lande herbeizuführen. Alle habe; nur einen wirklichen Feind, und das ist die AfD. Eine Partei, die tatsächlich diesen Saustall ausmisten möchte. Aber mit der will man nichts zu tun haben. Also bleibt alles wie es ist. Die Kritik von Politikern wie Sarrazin und Maßen an den politischen Gegebenheiten in diesem Lande sind also nur heiße Luft, die verpufft. Man schlägt sogar auch auf die AfD ein, mit der man eine Politikänderung zugunsten der Bürger herbeiführen könnte. Also alles nur Blabla.

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