Thilo Schneider / 21.02.2022 / 16:00 / Foto: Timo Raab / 54 / Seite ausdrucken

„So isser halt, der Türke…“

Eine im Schulunterricht gestellte Frage im Zusammenhang mit Zwangsheiraten unter Türken bringt türkische Elternvertreter auf die Barrikaden. Warum eigentlich?

Stellen Sie sich vor, Sie sind Schulleiter. Und Sie haben sich wahnsinnig viel Mühe gegeben, eine „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ zu sein. Sie haben „Kekse gegen rechts“ gebacken, wie die „Omis gegen rechts“, einen Essensplan aufgestellt, der sowohl vegetarisch als auch koscher als auch halal als auch geschmacklos ist, haben ein tolles Leitbild entwickelt, bei dem das Miteinander an erster und die Qualität an letzter Stelle steht, Sie tun wirklich gemeinsam mit dem Lehrerkollegium alles, malen bunte Schilder und Regenbogen und Firlefanz, um ganz brav und woke zu sein und dann passiert DAS:

Im „Unterricht“ taucht folgende Aufgabe auf: Ein türkischer Familienvater in Deutschland verheiratet seine Tochter ohne deren Einverständnis mit dem Sohn seines Bruders, um diesem eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland und damit eine Existenz zu sichern. Besprich die Situation mit deiner/m Tischnachbarin/Tischnachbarn. Welche Konflikte seht ihr darin?“

Autsch.

Obwohl die Aufgabenstellung natürlich korrekt gegendert und – möglicherweise – gar nicht so surreal ist, wie es auf den ersten Blick scheint, läuft die „Föderation türkischer Elternvereine in NRW“ jetzt Shit-Sturm. Was durchaus nachvollziehbar ist, denn tatsächlich „verfestigt die Aufgabe“ ja Klischees in den „Köpfen der Schüler“. Das klingt schon übel nach „So isser halt, der Türke: verheiratet die Tochter mit dem Cousin, damit sein Bruder nach Deutschland kommen darf.“

Nun wäre die Frage, was konkret beanstandet wird: dass es ein „türkischer Familienvater“ und keine „türkise Familienmutter“ ist? Oder stößt sich der Elternrat an dem „türkisch“? Oder daran, dass „Türke“ gleichzeitig „Muslim“ impliziert? Oder daran, dass es solche Fälle überhaupt nicht, niemals und unter keinen Umständen gibt und erstunken und erlogen sind? Oder dass, gäbe es solche seltenen Ausnahmefälle, diese nicht diskutiert werden sollen?

Also ja: Die Aufgabe ist rassistisch und bedient Stereotype. Keine Frage. Man hätte sie durchaus offener formulieren können. Fakt ist jedoch, dass „ein niederbayerischer Vater“ nicht funktioniert hätte. Hätte der Schulbuchhersteller die „Nationalität“ des fiktiven Vaters weggelassen, wäre mutmaßlich weniger bis gar nichts passiert. Dann wäre der einzige Kritikpunkt gewesen, dass hier ein „Zuwanderungsfall“ konstruiert worden wäre.

Die Zwangsheirat muss diskutiert werden

Sollte aber nun eine derartige Aufgabenstellung gar nicht diskutiert werden? Auch das wäre der falsche Weg. Zwangsheiraten innerhalb bestimmter Zuwanderungscommunitys sind nun möglicherweise (!) keine Seltenheit und betreffen ebenfalls möglicherweise (!) die eine oder andere Schülerin sogar ganz konkret. Wie aber sollen diese sich ein Urteil bilden oder Alternativen und Hilfsangebote kennenlernen, wenn die vorhandene Problematik aus falscher Scham und falschem Kulturverständnis überhaupt nicht diskutiert wird? Immerhin wurde die Aufgabe im Rahmen des Themas Eine Ethik für alle Kulturen? – Problemeröffnung im Spannungsfeld zwischen Kulturrelativismus und Universalismus“ gestellt.

Ich erinnere mich an meine eigene, lang zurückliegende Schulzeit, in der in der neunten Klasse plötzlich eine türkische Mitschülerin verschwand und später als glückliche Braut in Anatolien auftauchte oder andere nicht auf Klassenfahrten mitdurften, weil man sie nicht über Nacht woanders als zu Hause lassen wollte. Von Killefille wie Schwimmunterricht reden wir da noch gar nicht. Die Problematik ist nun einmal vorhanden, und gerade eine Schule, die sich als integrativ und antirassistisch versteht, MUSS solche Problemfelder ansprechen können und dürfen. Der Vorwurf bezieht sich also nicht darauf, OB diskutiert werden darf, sondern WIE. Und, ganz wichtig, ob die Diskussion ergebnisoffen geführt werden darf oder nur ein gewünschtes Ergebnis argumentativ unterfüttert werden soll. Diese Fragen wurden gar nicht beantwortet.    

Etwas befremdlich bei alldem wirkt allerdings auch der Vize-Vorsitzende der „Föderation türkischer Elternvereine NRW, Ali Sak, wenn er sich in Macho-Man-Was-guckst-Du-Pose in der BILD ablichten lässt. Dann bedient er nämlich tatsächlich genau das Klischee, das er doch eigentlich kritisiert, und ich persönlich kann mir gut vorstellen, wie er sich vor seiner Tochter aufklappt und den Satz mit „Hömma zu…“ beginnt und mit „…man hilft seiner Familie, und seinem Vater widerspricht man nicht. Keine Widerrede!“ beendet. Letztlich geht es am Ende dann eben doch wieder um die „Ehre“.

Wenngleich die Schule sich auf ihrer Homepage öffentlich entschuldigt und sozusagen zu Halbmond kriecht, so reicht dies Ali Sak und seinen Mitkämpfern noch nicht. „Wenn sich die Schulleitung nicht explizit von der Aufgabenstellung distanziert, sehen wir in der Schule in Zukunft keine Basis für ein respektvolles Miteinander“, sagt er der BILD. Kommt es dann zu einem „respektlosen Gegeneinander“? Und was, im Vergleich zu jetzt, würde sich dann konkret ändern?

(Weitere ehrenwerte Artikel des Autors gibt´s unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.  

Foto: Timo Raab

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Jakob Mendel / 21.02.2022

Ich wundere mich weniger über die Reaktion der „Föderation türkischer Elternvereine in NRW“ als über die Existenz dieser Föderation und die der sie tragenden Elternvereine. Warum muß es in NRW türkische Elternvereine geben? Wäre es für das gegenseitige Verständnis und die Integration türkischer Kinder (wenn es türkische Eltern gibt, gibt es auch türkische Kinder) in NRW nicht besser, wenn es „gemischte“ Elternvereine gäbe? Oder gilt hier Herrn Erdogans Verdikt „Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“?

W. Renner / 21.02.2022

Die Türken müssen jetzt im Rahmen der vollständigen Integration einfach mal lernen, den Aslan nicht nur mit der Ayla, sondern zur Abwechslung auch mal mit dem Ali oder dem Olaf zwangszuverheiraten. Wir wollen ja nicht, dass am Ende doch noch Fragen aufkommen im Genderministerium.

carlo Mayer / 21.02.2022

Der Herr Sack findet dieses geschilderte Heiratsverfahren mit Sicherheit gut und richtig und kennt das auch genau so von zu Hause. Er ist aber schon lange genug in Deutschland, um zu wissen : das kommt hier nicht so gut an. Deshalb wird relflexartig die empörte Rassismus-Keule ausgepackt. So dreht man den Spieß herum: nicht die Cousinenheirat ist das Empörende, sondern, dass diese schöne Sitte in Deutschland thematisiert werden soll.

Kerstin Behrens / 21.02.2022

Deshalb heißen Kekse von Balsen jetzt “Perputum! Die neuerdings aufwendige Verpackung spekuliert offensichtlich auf “Zugereiste”, die jetzt vermehrt “Perpetum”von Balsen kaufen, schließlich heißen diese Kekse nicht mehr “Afrika”. Dazu die Werbung von Herstellern an diverser Unterwäsche, Oberbekleidung, etc. Wenn all diese schwarzafrikanischen und europäischen übergewichtigen Models den Umsatz an billiger Bekleidung fördern, warum nicht? Man spricht in diesem Zusammenhang von den “Paralympics” der übergewichtigen, farbigen, Herren in Damenkleidern. Aber jetzt mal ernsthaft, die Armen werden doch vorgeführt wie in jedem Zoo. Dagegen laufen Araber oder Türken in Deutschland unter dem Radar. Es gilt das das Gesetz des Schweigens, die italienische ‘ndrangheta das reinste Waisenkind! Ich empfehle jedem touristischen Gast einen Besuch der blauen Moschee hier in Hamburg und diverser Gewerbegebiete! Da laufen Geschäfte unter dem Radar und ich verstehe nicht, warum eine schlagfertige Abteilung des Mossad nicht endlich agiert? Der deutsche BND, so er noch existiert, ist nicht erst seit 2015 ad absurdum zu sehen!

giesemann gerhard / 21.02.2022

Ist halt blöd, wenn muselman ertappt wird. Aber so ganz neu ist das nun auch wieder nicht. Wer sich das ins Land lässt, der soll sich nicht wundern. So blöd** dürfte - eigentlich - niemand sein. Es gibt laut unicef weltweit ca, 650 Millionen Mädchen* und Frauen, die als Kinder mit 13/14/15 geschwängert worden sind unter dem Kulturgut “Kinderehen”, gucksdu unter dem Stichwort “unicef prangert Kinderehen an” im ww-net. Das befeuert den demographischen Jihäd. Wie viele Kinderchen von Minderjährigen werden das wohl sein? Paar Milliarden? Eine kotzige Milliarde sind tausend Millionen - lächerlich, papperlapapp. Hauptsache, wir sind glücklich, al-Kaffirun sollen das bezahlen. Allah will es so. Usw.  Aber so lange es noch Polen gibt, ist Deutschland nicht verloren. Und Putin ist scharf auf die Russen sonstwo - soll er sie haben. Warum sagen wir dem Moslem nicht: Du kannst sie alle haben, deine Brüda und Schwestern, güle gülè und Tschüss, komm nicht wieder. Inshallah. * Das sind Menschen, die schwanger werden können. Beim Nutzvieh sind auch die weiblichen Tiere wertvoll, männliche hingegen genügen ganz wenige zu Zuchtzwecken. Denn die geben keine Milli, legen keine Eier, werfen keine Jungen, fressen zu viel, machen nur Ärger und stinken. Jeder gute Hirte weiß das und richtet sich danach. Alles andere wäre auch zu **blöd. Wem die Götter eine Gunst erweisen wollen, dem sorgen sie für möglichst viele Zwillingsgeburten in seiner Herde - das macht ihn so richtig reich. Solange das Futter reicht. War schon in der Antike nicht anders. Usw.

Franck Royale / 21.02.2022

Ja, “was, im Vergleich zu jetzt, würde sich dann konkret ändern?” In einem für März vorgesehenen Neudruck des Schulbuchs wird die Fragestellung ausgetauscht. Das nächste Problem bitte, Herr Schneider.

Roland Stolla-Besta / 21.02.2022

Um meinen Sarkasmus, der mich angesichts dieser unerhört bedeutenden rassistischen, antimuslimischen oder ganz schlicht und einfach rääächts-nazistischen Problematik befällt, auf die Spitze zu treiben: Wäre nicht ein auf Europa zukommender kriegerischer Konflikt um die Ukraine nicht die ideale Gelegenheit, daß unser dekadentes EU-Konstrukt endlich mit einem richtigen Problem konfrontiert wird?

Joerg Machan / 21.02.2022

“Welche Konflikte seht ihr darin?” Bitte auf die Fragestellung achten. Über das Alter der Tochter kann nur spekuliert werden. Eine Ehe mit einem Cousin ist weder nach deutschem, noch nach türkischem Recht strafbar. Eine Heirat in der Türkei ist möglich und muss nach deutschem Recht auch ohne Standesamt anerkannt werden, da der Ehemann ja keine deutsche Staatsbürgerschaft hat. Der resultierende Familienachzug ist legal und politisch gewollt. Was bleibt ist ein wirklich großes Problem: Gilt für das Familienrecht das Recht des Herkunftslandes oder das Recht im Aufenthaltsland? Das ist wirklich schwierig. Beispiel: Ich ziehe mit meiner Frau beruflich (unbefristet) nach Saudi-Arabien. Dort schicke ich ihr zweimal eine SMS “Ich verstoße dich!”. Nach dort geltendem Recht bin jetzt geschieden. Wäre das nach unserem Verständnis korrekt? P.s. Israel überlässt das Familienrecht den 4 anerkannten Religionsgemeinschaften. Scheidung, Mehrehe, Erbrecht, ... liegt in deren Händen. Könnte das ein Vorbild für uns sein?

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