Henryk M. Broder / 05.12.2020 / 10:00 / Foto: Acgut.com / 86 / Seite ausdrucken

So etwas kann man nicht erfinden: Meet a Jew!

Der Kampf gegen Antisemitismus gehört zu den Projekten, die unter dem Sammelbegriff Sisyphusarbeit erfasst und katalogisiert werden. Eines der bekanntesten Beispiele ist Jakob Wassermanns Schrift „Mein Weg als Deutscher und Jude", 1921 erschienen, also noch in der Blütezeit der „deutsch-jüdischen Symbiose“, die Wassermann so beschrieb:

Es ist vergeblich, das Volk der Dichter und Denker im Namen seiner Dichter und Denker zu beschwören. Jedes Vorurteil, das man abgetan glaubt, bringt, wie Aas die Würmer, tausend neue zutage. Es ist vergeblich, die rechte Wange hinzuhalten, wenn die linke geschlagen worden ist. Es macht sie nicht im mindesten bedenklich, es rührt sie nicht, es entwaffnet sie nicht: sie schlagen auch die rechte.

Sehr hilfreich war auch das vom Reichsbund jüdischer Frontsoldaten herausgegebene Gedenkbuch Die jüdischen Gefallenen des deutschen Heeres, der deutschen Marine und der deutschen Schutztruppen 1914–1918 mit den Namen der 12.000 im ersten Weltkrieg gefallenen Juden, mit dem die patriotisch gesinnten Deutschen mosaischen Glaubens beweisen wollten, dass sie sich sehr wohl um das Vaterland verdient gemacht hatten. Der Gründer und Vorsitzende des RjF, Leo Löwenstein, nannte den Tod der jüdischen Frontsoldaten eine „Blutprobe im deutschen Sinne“.

In dieselbe Kategorie gehört der 1924 im Berliner Philo Verlag erschienene „Anti-Anti", „Blätter zur Abwehr: Tatsachen zur Judenfrage“, herausgegeben vom Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, eine Loseblatt-Sammlung, in der alle gängigen Urteile und Vorurteile gegenüber Juden widerlegt wurden. Unter anderem das, Juden würden aus dem Blut christlicher Kinder zum Pessachfest Matzen backen. 

Man kann den Juden nicht mangelnden Einsatz im Kampf gegen Antisemitismus vorwerfen, wirklich nicht, sie gaben ihr Bestes, wenn es sein musste, sogar ihr Leben. Und tun es immer noch, unter anderem mit dem Projekt „Meet a Jew", frei übersetzt: Juden zum Anfassen, das soeben mit dem Deutschen Engagementpreis ausgezeichnet wurde. Das Leben schreibt die besten Satiren, da kann nicht einmal Lisa Eckhart mithalten.

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Karla Kuhn / 05.12.2020

Georg Dobler,  “Da steht u.a. “.....der lebendige und niedrigschwellige Austausch auf Augenhöhe. ” Sie sollten für “niedrigschwellig” die JEWEILIGE Situation beachten. Vor einiger Zeit konnte ich lesen, daß die Leipziger (oder Berliner?) Polizei aufgefordert wurde, gegen die Menschen im “Görlipark”  , die sich dort “wohl” fühlen nur NIEDRIGSCHWELLIG” einzugreifen. Heißt, nur sehr zögerlich und natürlich OHNE WASSERWERFER; die sind offenbar nur für die friedlich demonstrierenden “Coronaleugner” anzuwenden. Bei einem “TREF JUDEN” wäre zögerlich nicht angebracht, könnte es doch von den “ach so Guten” als “ANTISEMITISMUS” ausgelegt werden. Sie sehen,  immer die jeweilige Situation im Blick zu behalten, kann hilfreich sein, sonst könnte man schnell in der Schmuddelecke landen.  Egal WAS oder WEN man “mietet”, trifft oder DENUNZIERT, so wie jetzt bei CORONA. DA sollte aber keiner “zögerlich” sein, wurde das nicht schon von einer “Krankenkassen ärztlichen Vereinigung gefordert, gegen den Arzt, der sich kritisch gegen Corona Maßnahmen äußert ??  Marc Friedrichs Antwort auf eine Frage von Tichy, warum in der Politik wenig Kompetenz zu treffen ist (s.ä.) war “Inkompetenz zieht Inkompetenz” an. Mein absolutes Lieblingszitat !  Und absolut nicht “niedrigschwellig.”

Frances Johnson / 05.12.2020

@ Michael Hinz: Ist das eine satirische Frage? Das waren Zeiten, wo die Leute auch gern beim Henken oder Vierteilen zusahen. Heute gucken sie nur schadenfroh, wenn ein xxx-Leugener oder AfD-Verteidiger brotlos gemacht wird. Es sind dieselben Leute. Leute eben. Denunzianten. Pack, ehrlich gesagt. Das damals war auch Pack.

Frances Johnson / 05.12.2020

@ A. Ostrovsky: Ja, es gibt eben keine typischen Juden. Nicht umsonst ist der Spruch entstanden “Wo zwei Juden zusammen stehen, gibt es drei Meinungen.” Vielleicht habe ich das falsch ausgedrückt. Religiös betrachtet, also von den Büchern ausgehend, waren wohl Isidor und Ida Straus zwei typische Juden, salomonisch vielleicht. Im täglichen Leben waren sie eine Ausnahme. Ein gemeinsames Detail habe ich bei allen entdeckt, denen ich über den Weg gelaufen bin: Diskussionsfreudigkeit. Manchmal auch Humor, bei Linken weniger.

Hans-Peter Dollhopf / 05.12.2020

Meet a dislikeable Jew: Ich könnte mir vorstellen, dass, sollten Josef Schuster und ich uns jemals persönlich meeten, ich mich auf der Stelle in einen Antise-Meeten verwandle! So wie Frau Lot anno dazumal in eine Salzstange.

Jürgen Fischer / 05.12.2020

Ich verstehs nicht, ich verstehs nicht ... haben wir nicht gerade Lockdown, wo wir möglichst daheimbleiben und keinem anderen Menschen begegnen, und selbst dann noch mit Maske herumrennen sollen? Und dann sowas? Wer erklärt mir’s?

Dr. Rainer Hartwich / 05.12.2020

@Prisca Kawubke “Meet an Ossi”? Na ja, gegen freie Kost und Logis können sie doch sicher über das Amt einen ostdeutschen Langzeit-Transferleistungsbezieher buchen? Vielleicht haben die sogar einen Katalog mit einem entsprechenden Bewertungsmodus? Aber bitte aufpassen, die Bewertungen sind mit Sicherheit gefakt. Einfach mal beim Amt nachfragen, möglicherweise liegt dann schon einer unterm Weihnachtsbaum?

Klaus Klinner / 05.12.2020

Es gibt Dinge, die kann man einfach nicht benennen, dafür fehlen uns selbst im Deutschen die Worte und wir haben ja sonst für jeden Scheiß differenzierte Ausdrücke. Als ich den Beitrag gelesen hatte, fiel mir als Wortspiel zu “Meet a jew”  geistesgegenwärtig “Rent a jew” ein. Bevor ich meinen Geistesblitz hier einstellen konnte, dachte ich: “Besser erstmal Google fragen.” Und siehe da, das gab es auch schon, finde ich doch auf der Seite der EJKA die entsprechende Information: “Das Nevatim*- Projekt „Rent a Jew“  ... ist nach fünf erfolgreichen Jahren abgeschlossen.” Es ist nach fünf erfolgreichen Jahren abgeschlossen! Warum dann jetzt eine quasi Neuauflage? Hätte ich das gewusst, hätte ich mir schon damals wenigstens einen gemietet. Man weiss ja nie, wie man ihn nochmal brauchen kann. Vielleicht hätte mein Taschengeld sogar für 2 gereicht? Sie haben recht Herr Broder, die Welt ist einfach nur noch irre oder hat sie gar einen an der Klatsche, wie .... ? Na ja, lassen wir das, Sie wissen schon.

Ralf Pöhling / 05.12.2020

Der Grundgedanke der wohl hinter “Meet a Jew” steckt, ist gar nicht verkehrt. Die meisten Menschen in Deutschland reden über Juden, anstatt mit ihnen. Was schlicht damit zu tun hat, dass es 1. nur sehr wenige von ihnen bei uns gibt und man ihnen deshalb nicht gerade häufig über den Weg läuft und 2. sich Juden wegen andauerndem weiterreichen des berühmten “schwarzen Peters” an sie dann auch noch häufig selbst verleugnen oder sogar einbunkern müssen, um keine gesundheitlichen Schäden davonzutragen. Ich sehe in letzter Zeit häufiger mal einen unverstellten Blick auf die Juden in Deutschland im TV, was ich sehr begrüße. Denn wer sich das unvoreingenommen anschaut, dürfte schnell erkennen, dass die Juden eben nicht der “Satan” sind, den nicht wenige Teile der Bevölkerung oftmals aus ihnen machen wollen. Im Gegenteil: Die Juden mögen bei genauer und propagandistisch unbeeinflusster Betrachtung hier und da ein wenig kauzig, verschroben bis liebenswürdig wirken, aber da hört es dann schon auf. Eine Bedrohung für uns oder unsere Lebensweise sind sie nicht. Und es erschließt sich nur aus einem Grund, warum dieses Bild vom angeblichen “Satan” weiterlebt: Es fehlt der Abgleich der Propaganda mit der Realität. Und da ist die Idee von “Meet a Jew” genau die richtige.

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