Erich Wiedemann / 28.06.2020 / 14:00 / Foto: Achgut.com / 13 / Seite ausdrucken

Slah doot, slah doot!

Neues aus der Kunstwelt: Während überall im Lande Denkmalstürzer Hämmer und Spitzhacken schwingen, hat der Gemeinderat von Jesteburg in der Nordheide zugestimmt, dem Künstler Johann Michael Bossard ein ehrendes Monument zu errichten. Fast ein Dutzend Millionen Euro für einen pompösen Museumsbau, in dem die Artefakte eines Hardcore-Nazis ausgestellt werden sollen. Haben die Jesbörger einen nassen Hut auf, wie das im Heidjer Jargon heißt? 

Es geht um das Haus, in dem Bossard und seine Frau gewohnt und gearbeitet haben. Der neue Bau, die „Kunsthalle Lüneburger Heide“, soll daran anschließen. Platz ist genug da. Das ganze Grundstück ist ca. 30.000 qm groß.

Eine bizarre Bauernposse – könnte man denken. Doch die Affäre wird auch beflügelt von blasierten Provinzpolitikern und von Stadtflüchtlingen, die den Ehrgeiz haben, dem Landvolk Kultur zu verpassen. Notfalls gegen Ethik und Ästhetik.

Deren künstlerische Ambitionen haben dazu beigetragen, die Jesteburger Gemeindefinanzen zu zerrütten. Chefkulturaktivist ist Hans-Jürgen Börner, vormals Vize-Chefredakteur des NDR. Als Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft, Tourismus und Kultur fühlt er sich als erster Mäzen seines Dorfes. Nur, dass dieser Mäzen nicht eigenes Geld in die Kunst buttert, sondern das der Steuerzahler.

Börner setzte sich auch massiv für den Erwerb des „Kunsthauses“ für 365.000 Euro ein. Es war von Anfang an ein Flop, weil das örtliche Publikum Sonnenuntergänge und röhrende Hirsche lieber hat als germanische oder avantgardistische Kunst. Was ja erlaubt sein muss, auch wenn es dafür von der dörflichen Kulturelite in den Banausenstand versetzt wird.

Johannes Kahrs besorgte über fünf Millionen Euro

Börner, der auch Vorstandsmitglied im Bossard-Stiftungsrat ist, hat für die geplante „Kunsthalle Lüneburger Heide“ tüchtig gebaggert. Von den 10,76 Millionen Euro Kosten will nun der Haushaltsausschuss des Bundestags 5,38 Millionen und der Landkreis zwei Millionen übernehmen. Der Rest soll aus Mitteln der Gemeinde und aus Spenden finanziert werden. 

Den Bundesbeitrag haben erfahrene Strippenzieher an Land gezogen: SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs aus Hamburg, der im Mai aus Verärgerung über einen misslungenen Postenschacher sein Bundestagsmandat hinschmiss, und Michael Grosse-Brömer, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU aus dem Jesteburger Nachbarort Brackel. Außerdem die sozialdemokratische Abgeordnete Svenja Stadler aus dem gleichfalls benachbarten Seevetal. 

Johannes Kahrs hat auch keine Berührungsängste gegenüber anachronistischen Kunstwerken. Er hatte 2014, gemeinsam mit CDU-Kollege Rüdiger Kruse, beim Bund 6,5 Millionen Euro für die Sanierung des 34 Meter großen Hamburger Bismarck-Denkmals  lockergemacht. Für einen Sozi war das alles andere als eine Glanznummer. Otto von Bismarck, der eiserne Kanzler, war bekanntlich der Reichskanzler, der 1878 das Gesetz gegen die „gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ und damit für das Verbot der „Sozialistischen Arbeiterpartei“, der späteren SPD, durchgepaukt hatte.

Grosse-Brömer und Stadler vertreten im Bundestag den Landkreis Harburg. Sie hoffen wohl, dass sie sich mit ihrem kolossalen Wahlgeschenk ihren Wiedereinzug ins Parlament gesichert haben. Die – wegen Corona – zerrüttete Finanzlage beim Kreis und bei der Gemeinde ist für sie beide kein Thema.

Oft trifft man wen, der Bilder malt, viel seltener wen, der sie bezahlt

Bossards Motive entstammen vorwiegend der nordischen Mythologie, zum Beispiel der Edda-Saga aus dem alten Island. Sie waren seinerzeit keine Selbstgänger. Denn, wie sprach Wilhelm Busch: "Oft trifft man wen, der Bilder malt, viel seltener wen, der sie bezahlt." 

Bossard und seine Frau Jutta hielten sich in den dreißiger und vierziger Jahren gleichwohl dank ihrer Beziehungen zur Hamburger Pfeffersack-Klientel ganz gut über Wasser. Außerdem lehrte der Wahl-Jesteburger als Professor für Plastik an der Hamburger Kunstgewerbeschule. Einige seiner Arbeiten zieren noch heute öffentliche Gebäude, unter anderem das Museum am Rothenbaum.

Wenn die Stiftung, die die Geschäfte der Kunststätte regelt, ihre Baupläne umsetzt, dann könne Jesteburg „das braune Tor zur Heide“ werden, unkte das „Nordheide Wochenblatt“. Die „Deutsche Welle“ berichtete, dass Anwohner befürchten, das Mammutmuseum könne zum Wallfahrtsort für Rechtsradikale werden.

Der Makel von Bossards völkischer Gesinnung, der erst neuerdings erörtert wird, hätte schon lange vorher auffallen können. Museumsleiterin Gudula Mayr hatte Bossards Judenhass sogar in einer Sammlung seiner Schriften erwähnt. Trotzdem wurde der Bossard-Tempel kritiklos als Juwel und als „einzigartige Anlage“ (Grosse-Brömer) gefeiert. 

Die Quellenlage lässt keine Frage offen. 1933, im Jahr der Machtergreifung, schrieb Bossard an einen Freund: „Die gute Sache wird sich hoffentlich durchsetzen.“ Und: Adolf Hitler sei „aus der Tiefe des notleidenden Volkes aufgestiegen“, und man solle ihm nur „Glauben und Vertrauen entgegenbringen“. Sein „freier Blick“ müsse sich allerdings „auf genügend Machtfülle stützen“ können. „Erkleckliche Mengen Sumpfblüten“ seien ja schon „geknickt worden“. 

Der Jude spannt die Christen vor seinen Karren

Bossards Verehrung für die braunen Machthaber war eine unglückliche Liebe. Der NS-Chefideologe Alfred Rosenberg kam am 15. August 1934 zu Besuch nach Jesteburg. Doch als er das finstere Edda-Gewölbe erblickte, soll er verstört die Flucht ergriffen haben. 

Emil Hegg, ein Freund und Förderer des Künstlers, berichtete 1922, er habe von diesem eine Sammlung Radierungen empfangen. Eine davon habe, so Hegg, „den Juden (gezeigt), der die Christen vor den Pflug, resp. seinen Karren spannt“.

Trotz seines gestörten Verhältnisses zur NSDAP wollte Bossard zur „nationalsozialistischen Erhebung“ beitragen. Deshalb beteiligte er sich an dem Wettbewerb für das geplante Denkmal auf der Hamburger Moorweide, das an gefallene Sturmabteilungsmänner erinnern sollte. Sein Entwurf war ein klotziger Rundbau, der von einem großen Hakenkreuz gekrönt werden sollte.

Doch die Preisjury ließ Bossards Entwurf durchfallen. Verbittert soll er gestöhnt haben: „Wäre doch ein Jude dazwischen, damit ich ihm die Schuld geben könnte.“ In einem Schreiben an einen hohen Hamburger NS-Kulturfunktionär beschwerte er sich darüber, dass man sich nicht an die ästhetischen Grundsätze der Bewegung gehalten, sondern dem „Götzenkult (des) Juden“ gehuldigt habe. 

Bossard war kein Parteigenosse, aber Mitglied des Nationalsozialistischen Lehrerbundes. Daraus trat er dann im Zorn aus. Die „wachsende Distanz zum Nationalsozialismus“ (CDU-Landrat Rainer Rempe) ist jedenfalls nirgendwo dokumentiert.

Michael Grosse-Brömer erklärte gleichwohl, er werde sich weiterhin für Projekte einsetzen, die „demokratisch gewollt“ seien. 

Eine andere Zeit mit einem anderen Zeitgeist

Bossard fühlte sich damals offensichtlich wohl in seinem germanischen Umfeld. Die Denkart der Heidebauern war nach seinem Geschmack. Einige Dörfer der Nordheide galten in den dreißiger Jahren als braune Nester. „Nach der Machtergreifung wimmelte es plötzlich von Leuten, die das Parteiabzeichen schon lange vorher gehabt, aber nicht gezeigt hatten“, sagt der Jesteburger Heimathistoriker Hans-Heinrich Wolfes. Er wendet jedoch ein, es sei damals natürlich eine andere Zeit mit einem anderen Zeitgeist gewesen.

Die Heide war auch die Heimat des Dichters und Berufspatrioten Hermann Löns. Dessen Romane – vor allem „Der Werwolf“ – strotzten von Blut-und-Boden-Romantik. Er predigte einen militanten Teutonismus, weil "Humanistik und Internationalismus uns kaputt gemacht haben", und er klagte: "Was für Völker jetzt im Lande herumstromern! Eine Schande ist es, daß da nichts getan wird!" Viele der Plattland-Bewohner fanden das auch. Willkommenskultur war ihre Sache nicht. Wenn Fremde in ihr Dorf kamen, riefen sie ihnen zuweilen nach: „Slah doot, slah doot!“ – schlagt sie tot, schlagt sie tot!“.

Inzwischen befindet sich der Bossard-Tempel im Schadensbegrenzungs-Modus. Nachdem die Staatsanwaltschaft Stade daran Anstoß genommen hatte, deckte Museumsleiterin Gudula Mayr das in den Mosaik-Fußboden am Eingang des Edda-Saales eingelassene Hakenkreuz mit einer großen Fußmatte zu. Einige Tage später reichte sie bei der Stiftung ihre Kündigung ein.

Jetzt ist die Wissenschaft am Zuge

Auf seiner Sitzung am 25. Juni hat nun der Kreistag von Harburg-Land beschlossen, den Zuschuss in Höhe von zwei Millionen Euro nicht zu streichen, wie SPD und AfD im Schulterschluss gefordert hatten. Damit sind auch die Zuwendungen vom Bund gesichert. Der Stiftungsrat will die Baupläne aber erstmal auf Eis legen, angeblich bis ein wissenschaftliches Gutachten Bossards Wirken geklärt hat, in Wahrheit wohl eher, bis Gras über die Affäre gewachsen ist.

Die Verwendung des Wortes „Wissenschaft“ in diesem Zusammenhang ist verlogen. Der Terminus soll offenbar helfen, dem Nazi-Künstler einen Persilschein auszustellen. Doch die Zitate sind so eindeutig, dass sie wahrhaftig keiner wissenschaftlichen Klärung bedürfen. 

Allein, Hans-Jürgen Börner gibt zu bedenken, Bossards Äußerungen dürften nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden. Sonst entstehe ein schiefes Bild. Als wenn die Tiraden ihr antisemitisches Flair schon dadurch verlören, dass man sie in den richtigen Zusammenhang stellt.

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Leserpost

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Peter Holschke / 28.06.2020

Da wollte wohl jemand den Wert der Bilder aufpimpen. Anders ist das gar nicht zu erklären.

R.Ahrens / 28.06.2020

Bitte den Begriff Hardcorenazi nicht inflationär verwenden. Schadet der Sache.

Anton Geiger / 28.06.2020

“Wer Nazi ist, bestimmen wir!”  Das ist halt das Mantra der neuzeitlichen Gutmenschen.

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