Susanne Baumstark / 01.03.2019 / 16:30 / Foto: Alexander Sarlay / 21 / Seite ausdrucken

Sklaverei zwischen Schuld und Gesinnungsapplaus

Entsetzlich, was den Menschen aus Afrika während der Sklaverei angetan wurde. Von insgesamt 40 Millionen versklavten Afrikanern ab dem 16. Jahrhundert ist die Rede in diesem Video. Es gibt bei der Verschiffung entrechteter Menschen durch europäische Seemächte nach Amerika rein gar nichts zu beschönigen. Die bis heute andauernde Instrumentalisierung dieser Schuld durch interessengeleitete Personen ist trotzdem abstoßend und provoziert destruktive Folgen. 

Festzuhalten bleibt vorerst, dass zur Wahrheit gehört: „Nicht nur die Kolonialmächte handelten mit Menschen, auch die Afrikaner versklavten ihre Landsleute“, lobte die Welt 2009 die Selbstkritik afrikanischer Historiker: „Die Sklaverei hat eine präkoloniale afrikanische Vergangenheit.“ Daran sowie an „die lukrative Beteiligung afrikanischer Eliten und Regime am Sklavenhandel“ zu erinnern, war lange tabu. Den absehbaren Vorwurf, durch Hinweis darauf die Schuld der Europäer zu verharmlosen, ließ die Welt nicht gelten: „Die Verantwortung für Untaten der Vergangenheit miteinander zu teilen bedeutet aber nicht, Verantwortung zu vermindern.“    

2010 schrieb die Welt: „In der Geschichte wird gern den Europäern die Schuld an Afrikas Elend gegeben. Doch als Kolonialmächte profitierten sie ab dem 17. Jahrhundert von einem System, das die Araber etabliert hatten.“ Regelrechte „Menschenjagden muslimischer Reitermilizen“, etwa im Südsudan, habe es gegeben. „Es wäre an der Zeit“, so ein afrikanischer Anthropologe, „dass der araboislamische Sklavenhandel, der einem Völkermord gleichkommt, näher untersucht wird und gleichermaßen zur Sprache kommt wie der transatlantische Menschenhandel.“ Trotz allem sähen sich Araber und Schwarzafrikaner als Angehörige einer Solidargemeinschaft, die unter dem westlichen Kolonialismus litten. „So arrangiere sich ‚diese afroislamische, schöne Gesellschaft’ auf Kosten des Westens.“ Dabei sei aber „das arabomuslimische Sklavereisystem“ über 1.300 Jahre hinweg „erst unter dem Druck der europäischen Kolonialmächte und durch die kemalistischen Reformen in der Türkei weitgehend beschnitten“ worden. 

Kolonialismus einfach mal umdrehen

Man hätte mit der Schuld weithin ähnlich umgehen können wie der einstige Sklavenhändler John Newton, der schließlich wesentlich zum Verbot des Sklavenhandels auf englischen Schiffen beitrug: Er befreite sich von seinem Hochmut, setzte auf Vergebung und schrieb das weltbekannte Lied „Amazing Grace“ als Zeichen seiner Reue. Von solchen versöhnlichen Kategorien sind heutige postkolonialistische White-Hater und Banausen im aktuellen Kulturbetrieb weit entfernt: siehe etwa diese „brave, politisch korrekte Aufklärung – mit wummernder Totschlagmusik und hysterischem Schauspielergeschrei“, die „Sklaverei als Kasperltheater“ aufführt: „Es ist ein verführerischer Gedanke, die Kolonialismus-Situation einfach mal umzudrehen: der Afrikaner, der Schwarze als Master, als Kolonisator und Ausbeuter, die weißen Europäer als Sklaven, die auf dem Markt meistbietend versteigert werden“, so Deutschlandfunk.    

Die Krux liegt in dem pauschal behaupteten „verführerischen Gedanken, die Kolonialismus-Situation einfach mal umzudrehen“. Die These mag auf jene zutreffen, die sich an umgekehrtem Rassismus ergötzen und diesen zu institutionalisieren bestrebt sind; während sich aber empathisch gestrickte Menschen von dieser rachsüchtigen Idee vielmehr angewidert abwenden. Ansonsten trifft Deutschlandfunk mit seinem Bericht über das Theaterstück „Sklaven leben“ wohl genau den Punkt: Der Regisseur „hängt einer vulgär-marxistischen Utopie an, indem er die europäischen Sklaven zusammen mit ihrem schwarzen Conférencier in ein Flüchtlings-Schlauchboot bittet und damit suggeriert, dass wir alle in einem Boot sitzen. ‚Wir sind viele‘, so die optimistische Botschaft. Dabei ist doch viel eher zu befürchten, dass auf dem Floß der Medusa die Menschen sich gegenseitig verspeisen. Die Zuschauer ficht das nicht an: Sie sind viele. Langer Gesinnungsapplaus.“ Dass es übrigens bei diesem todernsten Thema im Schauspiel Frankfurt unbedingt noch „um die Auflockerung von Gendergrenzen durch Männer in Rüschenröcken oder alle in Unisexstramplern“ (Frankfurter Rundschau) gehen muss, sei als zynischer Ausfluss dieser inzwischen völlig abgekackten Postmoderne noch erwähnt.  

Abträgliche Folgen

Schwer vorstellbar, dass sich das Gros der Nachfahren der Opfer von Sklaverei von der „Aufarbeitung“ der tonangebenden Aktivisten angesprochen fühlt respektive die Erzeugnisse der Würde damaliger Sklaven nachträglich gerecht werden. Sicherlich wäre es vielen schlicht um eine ernsthafte Bitte um Vergebung gegangen, wie es etwa die Herrnhuter Brüdergemeine getan hat. Stattdessen schüren Spaltpilze hierzulande weitläufig Aggressionen auf die westliche Gesellschaft. Als ob es nicht, auf der anderen Seite wiederum auch, schon genug Hass gäbe: besonders beunruhigend derzeit in Südafrika und nicht nur betreffend Zwangsenteignungen, wie man von The European erfährt: „Südafrika erlebt gegenwärtig eine Welle der Gewalt gegen weiße Farmer. Vor allem ältere Menschen und Familien sind betroffen. Diese werden teilweise stundenlang gequält, vergewaltigt und zu Tode gefoltert. ‚Genocide Watch‘ spricht von einem ‚drohenden Völkermord‘.“ Die Gewalt gegen Weiße wird von den linksradikalen Economic Freedom Fighters unterstützt; einer „Partei junger zorniger Schwarzer“, schreibt die Frankfurter Rundschau aus anderer Perspektive zur dortigen „ungleichen Landverteilung“.

Eine weitere Instrumentalisierung der Sklaverei ist im beginnenden Wahlkampf um die US-Präsidentschaft festzustellen: Bei den Forderungen nach Reparationszahlungen an Schwarze wird es vorrangig um begehrte Wählerstimmen gehen. Welche Gruppen aus dem Umfeld der internationalen Reparationsbewegung man damit auch pusht, wird aus diesem Artikel von 2002 deutlich: „Eine spannungsgeladene Szene am Stand der radikalen ‚New Black Panther Party‘. Ein Weißer hat soeben Zweifel geäußert, ob und wie Reparationszahlungen geleistet werden sollen. Der mit einem Kampfanzug bekleidete Sprecher der Panthers hält dem weißen Mann das Megaphon vors Gesicht und schreit: Was, Du bist Dir nicht sicher? Was für ein Mitgefühl ist das? Du bist wohl Jude. Bist bestimmt für den Holocaust bezahlt worden … Ein anderer Panther greift zum Mikrophon und behauptet, Juden hätten den Sklavenhandel finanziert.“ Ferner mit von der Partie: „schwarze Nationalisten und Antisemiten aus dem Umfeld von Louis Farrakhan, dem schwarzen islamischen Prediger aus Chicago … Für sie verkörpern die Weißen den Teufel, und in ihrem paranoiden Weltbild sind die Juden sogar noch schlimmer als der Teufel. Dass sich solche Gruppen ungestört auf Demonstrationen von Afroamerikanern aufhalten und ihre Ideologie verbreiten können, ist für viele Weiße und vor allem für jüdische Gruppen ein Grund, sich von der Reparationsbewegung zu distanzieren.“  

Wenn die genannten radikalen Gruppen mit ihrer zusätzlich von Aktivisten eingeredeten Aggression und ihrer von Politikern zugestandenen unrealistischen Anspruchshaltung nach Deutschland kämen, würden sie vermutlich herzlich welcome geheißen. Ernsthafte Versöhnungsarbeit betreffend des früheren Sklavenhandels wird auch dann kaum jemanden interessieren.   

Nachtrag vom 2.3.2019. Leserhinweis: Ein Video mit  Egon Flaig von der Universität Rostock "Der Kampf um die Abschaffung der Sklaverei - ein kardinaler Konflikt zwischen Kulturen" gibt einen umfassenderen und wissenschaftlich fundierten Blick auf das Thema.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Blog Luftwurzel.

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Arne Brandt / 01.03.2019

Wow, genau diesen Eindruck hatte ich auch schon in der Schule. Meines Erachtens nach wurden westliche Gesellschaften permanent diffamiert, während IS, Hamas & Co verharmlost wurden. & der Vorwurf von Diktaturen oder Kolonialismus, der auf einmal herangezogen wurde, um von heutigen Anschlägen abzulenken, spielte eine zentrale Rolle.

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