Es ist eine irritierende Erfahrung, wegen kritischer Ansichten plötzlich als irrational zu gelten. Diese Erfahrung wird allerdings von immer mehr Menschen geteilt, und es stellt sich die Frage: Ist nicht gerade Skepsis rational?
Schon auf Fotos aus meiner Kindheit blicke ich skeptisch in die Welt. Auch in meiner wissenschaftlichen Arbeit ist es mir zur zweiten Natur geworden, alles zu hinterfragen. Umso mehr habe ich mich in den letzten Jahren gewundert, wenn ich in die Nähe von Verschwörungstheorien oder Schwurbelei gerückt worden bin, weil ich beispielsweise Regierungsmaßnahmen kritisiert habe. Doch selbst namhafte Wissenschaftler, Mediziner und Künstler, die bislang etabliert und auch medial anerkannt waren, sind offenbar davon überrascht worden, mit welcher Heftigkeit sie plötzlich attackiert werden. Man denke etwa an die Schauspieler der Initiative #allesdichtmachen. Verbunden mit dem Vorwurf gegenüber Skeptikern und Zweiflern, sie seien wissenschaftsfeindlich und irrational, ist oft das Attribut „rechts“: Der „rechte Schwurbler“ ist mittlerweile geradezu zu einem geflügelten Wort geworden. Von linken Schwurblern hört man dagegen nichts.
Was aber ist rational? Ist es rational, einer Regierungslinie blind zu vertrauen, oder ist es rational, eine Regierungslinie zu hinterfragen? Ist es rational, kritische Stimmen möglichst schnell zum Verstummen zu bringen, oder ist es rational, kritische Stimmen anzuhören? Ist es rational, die Welt in gut (links) und böse (rechts) einzuteilen, oder ist es rational, sich um einen möglichst ideologiefreien Blick auf die Welt zu bemühen? Ist es rational, der Meinung der Mehrheit zu folgen, oder ist es rational, sich eine eigene Meinung zu bilden?
Und weiter gefragt: Wie lässt sich überhaupt eine annähernd realitätsbezogene eigene Meinung bilden? Eine zentrale Rolle bei der Beantwortung dieser Frage kommt selbstverständlich den Informationsquellen zu. Und hier wird deutlich: Wer sich ausschließlich über die öffentlich-rechtlichen Medien informiert, gelangt offenbar zu völlig anderen Schlussfolgerungen als jemand, der sich überwiegend über alternative Medien informiert. Ist es aber rational, entweder nur den öffentlich-rechtlichen oder nur den alternativen Medien zu vertrauen, oder ist es rational, sich aus möglichst vielen Quellen zu informieren?
Weltweit die exakt gleiche Maßnahmen-Politik
Ich selbst habe mir angewöhnt, mich regelmäßig auf den originalen Webseiten beispielsweise der UN, der EU, der Bundesregierung, der WHO, der EZB oder des WEF herumzutreiben. Auch in meinen journalistischen Texten beziehe ich mich in erster Linie auf diese Primärquellen und verlinke sie möglichst akkurat. Dabei kann ich natürlich nur das beschreiben, was ich dort vorfinde. Ob etwa der offizielle Plan der EU zur Einführung des digitalen Euro tatsächlich im von ihr gesetzten Zeitrahmen bis Mitte der 2020er Jahre realisiert werden wird, kann ich nicht einschätzen. Dass der Plan existiert, ist jedoch evident. Außerdem lässt sich diese Information verknüpfen mit anderen offiziellen Informationen wie etwa der Ankündigung, dass 80 Prozent der EU-Bürger bis 2030 eine europäische digitale Identität (eID) erhalten sollen.
Ist es nun rational, diesen Informationen keine weitere Bedeutung zuzumessen? Oder ist es rational, zu fragen, welche Auswirkungen die Einführung sowohl einer europäischen digitalen Identität als auch eines digitalen Euros innerhalb der kommenden Jahre haben könnte? Immerhin lässt sich etwa in China, wo schon seit einigen Jahren ein Sozialkredit-System getestet wird, ganz konkret beobachten, welche Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten die Kombination von digitalen Identitäten und digitaler Währung eröffnet. Der Rahmenplan zur Einführung der eID sieht übrigens vor, dass die EU-Mitgliedstaaten in enger Kooperation mit der Europäischen Kommission bis September 2022 „ein gemeinsames Instrumentarium“ schaffen sollen, das im Oktober veröffentlicht werden soll. Man darf also gespannt sein.
Auch im Rückblick auf die vergangenen zweieinhalb Jahre stellt sich die Frage: War es rational, beispielsweise die Lockdown-Maßnahmen einfach hinzunehmen, oder war es rational, zu recherchieren, wo die Lockdown-Politik ihren Ursprung hatte? Wer recherchierte, stieß nämlich unweigerlich auf die Tatsache, dass Lockdowns bis Mitte März 2020 einzig und allein in China praktiziert wurden. Vor diesem Hintergrund fragt sich weiter, ob es wirklich wünschenswert sein kann, das chinesische Regime als Vorbild zu nehmen. Und wie lässt sich die Aussage Lothar Wielers im Juli 2020 verstehen, dass die „Corona-Regeln“ niemals hinterfragt werden dürften?
War es rational, das Foto eines Konvois von Militärlastern in Bergamo als Beleg für die Gefährlichkeit einer Coronavirus-Erkrankung zu verbreiten? Oder war es rational, zur Entstehung des Fotos zu recherchieren? Selbst der Bayerische Rundfunk hat im Oktober 2021 aufgeklärt, was dieses Foto wirklich zeigt. Dennoch wird es wohl im kollektiven Gedächtnis eingebrannt bleiben. War es rational, sich nicht darüber zu wundern, warum nahezu weltweit die exakt gleiche Maßnahmen-Politik betrieben wurde, oder war es rational, diesen Gleichschritt zu erforschen?
Regierungskritik ist nicht zu erwarten
War es rational, Informationen über den „Great Reset“ reflexhaft als Verschwörungstheorie abzutun, oder war es rational, Klaus Schwabs gleichnamiges Buch, das schon im Juli 2020 veröffentlicht wurde, zu lesen? War es rational von Jens Spahn, Markus Söder und Bodo Ramelow, im November 2021 von einer „Pandemie der Ungeimpften“ zu sprechen? Oder war es rational, auf die bedingte Zulassung, auf die zahllosen „Impfdurchbrüche“ und auf mögliche Gefahren der neuartigen Impfstoffe hinzuweisen?
Ist es in diesem Zusammenhang rational, zu kritisieren, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO mittlerweile zu 80 Prozent von privaten Geldgebern und Stiftungen finanziert wird, wobei der größte private Geldgeber die Gates-Stiftung ist? Oder ist es rational, jegliche Kritik an der Gates-Stiftung als Schwurbelei zu bezeichnen? Wie ist es zu bewerten, dass Bill Gates in einem tagesthemen-Interview schon im April 2020 wörtlich sagte: „Wir werden den zu entwickelnden Impfstoff letztlich sieben Milliarden Menschen verabreichen.“ By the way: Die Gates-Stiftung unterstützt auch das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ mit einer großzügigen Spende. Da wundert es nicht, wenn der „Spiegel“ in seiner Ausgabe vom 21. Mai dieses Jahres zwar die „feudalistische Welt der Superreichen“ auf die Titelseite bringt, jedoch in seiner Kritik ausgerechnet Gates völlig außen vor lässt.
Statt kritische Distanz zu den Mächtigen zu wahren, gehen Medien heute offensichtlich lieber symbiotische Beziehungen mit ihnen ein. Wenn etwa taz-Redakteurin Ulrike Herrmann in unverblümter Offenheit vom nötigen Industrieabbau für die CO2-Neutralität spricht, befindet sie sich mit ihrer Ideologie genau auf Regierungslinie. Auch Robert Habeck hat sich schließlich kürzlich verplappert, als er die real drohende Insolvenzwelle zu beschönigen versuchte. Regierungskritik ist von Journalisten wie Herrmann jedenfalls nicht zu erwarten.
Großes Bedürfnis, auf der richtigen Seite zu stehen
Auch der Umgang mit Wissenschaft fällt medial oft ideologisch geprägt aus: Wie sonst wäre es zu erklären, dass etwa beim Thema Klimawandel nicht unterschiedliche wissenschaftliche Ansichten ergebnisoffen diskutiert werden, sondern der Fokus einzig und allein auf den CO2-Ausstoß verengt wird? Sicher ist es rational, den Anteil des menschenverursachten Klimawandels zu erforschen, aber ebenso rational wäre es, alle weiteren Faktoren zu berücksichtigen und etwa historische Wärmephasen zu erklären.
Denn falls die gesamte Politik des Green Deals auf Fehlannahmen oder auf unvollständigen Forschungsergebnissen fußt, hätte das fatale Auswirkungen für die Zukunft der Menschheit, um die es ja den Klimaaktivisten angeblich gerade geht. Ist es also rational, die Diskussion moralisch aufzublasen und nur noch eine Meinung als die richtige zu unterstützen? Noch 2013 wurden etwa auf dem Sender Arte Dokumentationen wie „Das Geheimnis der Wolken“ ausgestrahlt. Das wäre heute undenkbar. Doch ist die Annahme, dass der Mensch das Klima bestimmen kann, wirklich keine Hybris?
Und warum fällt es so schwer, einen rationalen Austausch zu Fragen wie diesen zu pflegen? Neben Ahnungslosigkeit, Gutgläubigkeit und Gewohnheit (wer jahrzehntelang etwa ausschließlich der „Tagesschau“ geglaubt hat, hält gerne daran fest) besteht offenbar ein großes Bedürfnis, auf der richtigen Seite zu stehen und zur eigenen Peergroup dazuzugehören. Nicht nur Teenies richten sich ja nach ihrer Peergroup aus, sondern auch in akademischen Kreisen und auf gehobenem gesellschaftlichen Parkett spielt die Außenwahrnehmung eine entscheidende Rolle ‒ allein schon für die Karriereplanung.
Ist es rational, die Hoffnung nicht zu verlieren?
Sowohl in der Coronakrise als auch bei der Klimathematik sind darüber hinaus Angstszenarien wirkmächtig. Und natürlich ist es auch einfach bequem, etwa die „Achse des Guten“ als „rechts“ zu framen, statt sich inhaltlich mit ihren Beiträgen auseinanderzusetzen. Schmerzhaft wird es, wenn über die gesellschaftliche Spaltung Freundschaften zerbrechen oder sich wie von selbst auf Eis legen.
Ist es dennoch rational, die Hoffnung nicht zu verlieren? Ich glaube: Ja. Menschen sind keine seelenlosen Wesen, die sich beliebig steuern lassen, und das Leben insgesamt ist viel zu komplex, als dass es sich durch Transformationen und Resets einhegen ließe. Auch die Ausrichtung der öffentlich-rechtlichen Medien kann sich jederzeit ändern, wenn etwa ein Realitätsschock mit massivem Wohlstandsverlust eintritt. Und trotz aller Begeisterung fürs Digitale suchen junge Menschen noch immer analoge Erlebnisse, sind lebenshungrig und neugierig.
Was also tun? Möglichst analoge Netzwerke mit Gleichgesinnten bilden, Informationen teilen und sich die Lebensfreude nicht verhageln lassen! Und ab und zu den ärgsten Ideologen den angeblich aus China stammenden Fluch angedeihen lassen: „Mögest du in interessanten Zeiten leben ...!“