Peter Grimm / 21.03.2017 / 18:00 / Foto: Tim Maxeiner / 15 / Seite ausdrucken

Sinneswandel einer Staatsanwaltschaft

Manchmal verhilft öffentlicher Unmut doch zu neuen Erkenntnissen, selbst bei der Justiz, die eigentlich frei von solchen Einflüssen zu wirken gedenkt. Aber in diesem Falle geht es wohl wirklich darum, einen Fehler zu korrigieren, auch aus juristischer Sicht. Auch Henryk M. Broder hatte an dieser Stelle angemessen verwundert auf den Fall hingewiesen. Zwei Asylbewerber aus Marokko und Libyen hatten einen Mann auf einem Dresdener S-Bahnhof vom Bahnsteig ins Gleisbett gestoßen und ihn mit Fußtritten  daran gehindert, sich vor einem herannahenden Zug wieder auf den Bahnsteig zu retten. Nur dank der Geistesgegenwart des Lokführers, der seinen Zug noch rechtzeitig zum Stehen bringen konnte, kam das Opfer mit leichten Verletzungen davon. Die beiden „S-Bahn-Schubser“, wie sie in manchen Zeitungen verniedlichend genannt wurden, konnten festgenommen werden.

Doch statt der Härte des Rechtsstaats erfuhren die beiden jungen Zuwanderer eine schwer verständliche Milde. Es gab keinen Haftbefehl und kein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags, sondern nur wegen Körperverletzung und Eingriff in den Bahnverkehr. Obwohl beide schon polizeibekannt waren, sollte das für einen Haftbefehl nicht reichen, so die Staatsanwaltschaft.

Kurios war auch die Begründung, warum es sich nicht um Totschlag gehandelt haben soll: Das Opfer hätte schließlich auch noch andere Fluchtmöglichkeiten gehabt, als die, die ihm die Täter verwehrten. Er hätte dem Zug auch auf ein Nachbargleis ausweichen können. Das allerdings konnte der Mann in seiner Panik wohl kaum erkennen, zumal  auch auf dem Nachbargleis Züge fuhren. Ob er da nicht dem einen Zug ausweicht und dann von einem anderen erfasst wird, konnte er nicht überblicken.

Nicht nur juristische Laien, sondern auch Juristen waren ob des Ratschlusses der Staatsanwaltschaft verwundert. Rechtsanwalt Christian Piwarz von der Dresdner CDU erklärte in Radio Dresden: „Die Begründung der Staatsanwaltschaft verschlägt mir die Sprache.  Es kommt nicht darauf an, was das Opfer tut oder nicht tut. Es kommt auf die Motivation der Täter an“, sagte Piwarz. „Der Rechtsstaat muss aufpassen, dass er nicht die Legitimation bei der Bevölkerung verliert.“

Die Meldung über die milde Reaktion des Rechtsstaats wurde im Netz oft kommentiert, was wohl passiert wäre, wenn umgekehrt zwei Sachsen einen Asylbewerber ins Gleisbett gestoßen hätten. Man muss nicht viel Phantasie haben, um zu sehen, welche Stimmung mit solchen Entscheidungen befördert wird.

Der frühere sächsische Justizminister Geert Mackenroth sagte im MDR am Montag schon voraus, dass es bei dieser Entscheidung der Staatsanwaltschaft sicher nicht bleiben könne, weil sich wahrscheinlich der Generalstaatsanwalt einschalten werde. Ob der nun eingegriffen hat oder nicht, wissen wir nicht. Aber am heutigen Dienstag konnte man nun diese Meldung lesen:

„Die weiter geführten Ermittlungen haben ergeben, dass ein dringender Tatverdacht hinsichtlich des versuchten Totschlags vorliegt. Daher hat die Staatsanwaltschaft die Haftbefehle beantragt“, sagte der Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft, Lorenz Haase (57).

„Die Haftbefehle wurden wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr erlassen.“

Inzwischen sind die beiden „S-Bahn-Schubser“ verhaftet worden.

Der Beitrag erschien zuerst auf Peter Grimms Blog Sichtplatz hier

Foto: Tim Maxeiner

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Peter Kastner / 22.03.2017

Wenn es nur eigene Familienangehörige oder ein sonstiger VIP gewesen wäre, hätte die Sache von vornherein anders ausgesehen. So war es wohl nur ein unbeholfenes Opfer. Unglaublich. Und dann so tun, als ob man nicht wüßte, warum sich die Leute so aufregen.

Jacke Berger / 22.03.2017

Also Deutschen es geht doch!!  Das Volk kann sich doch gegen die Willkür des Staates währen und damit sogar etwas erreichen. Bravo! Es bleibt nur zu hoffen, daß das keine einmalige Aktion war und bei den nächsten auch der Bio-Westen der Republik auch mitmacht.

saskia moser / 22.03.2017

Die Frage aller Fragen ist aber, warum in Gottes Namen, agiert die Juztiz Länderübergreifend derart offensichtlich zugunsten von Tätern mit Imigrationshintergrund? Weiterhin stellt sich die Frage warum die Juztiz, die ja unabhängig von politischen Strömungen Recht zu sprechen hat, sich dieser ” political correctness”, in so einer Geschwindigkeit angepasst hat. Für das Volk, in dessen Namen Recht gesprochen wird, kann es doch keine Option sein neuerdings ständig aufbegehren zu müssen, wenn offenkundig Täter nicht inhaftiert werden, die aus Sicht der Bevölkerung eine Gefahr darstellen. Es ist eindeutig die Zeit der Juristen, die sich aus ihren Sesseln erheben müssen, um zumindest die Fälle, die es ans Licht der Öffentlichkeit schaffen, faktisch und juristisch sofort öffentlich korrekt zu kommentieren, um die Staatsanwaltschaften an deren Job zu erinnern. Ich danke an dieser Stelle dem Juristen in Dresden, der genau dies getan hat. Die Bevölkerung kann in solchen Fällen nur ihrem Rechtsempfinden Ausdruck verleihen, Juristen hingegen können derartige Vorfälle FAKTISCH korrekt würdigen und müssen dies unbedingt in Zukunkt auch erledigen. Ich möchte das fast schon als Apell formulieren: Es ist wirklich die Zeit der Juristen, die mit ihrer Kompetenz streng nach Recht und Gesetz den Rechtsstaat verteitigen müssen.  

Wieland Schmied / 22.03.2017

Doch statt der Härte des Rechtsstaats erfuhren die beiden jungen Zuwanderer eine schwer verständliche Milde. Es gab keinen Haftbefehl und kein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags, sondern nur wegen Körperverletzung und Eingriff in den Bahnverkehr. Obwohl beide schon polizeibekannt waren, sollte das für einen Haftbefehl nicht reichen, so die Staatsanwaltschaft. Gegenstück - gestern Abend im Fernsehen des Mitteldeutschen Rundfunks “Sachsen-Anhalt heute”: Zwei Deutsche hatten einen Pakistaner verprügelt. Die Richterin erkannte bei dieser Tat eindeutig einen rassistischen Hintergrund und verurteilte die Angeklagten zu 4,5 bzw. 6 Jahren Gefängnis. Realität in der Bunten Republik.

Ruth. G. Schmitt / 22.03.2017

Das wäre ja noch schöner gewesen, wenn man Unwissenheit der Männer als Entschuldigung angenommen hätte- ihre angebliche Unwissenheit, dass das Mord gewesen wäre, können sie in der Pfeife rauchen.Nennen sie mir   ein Land in dem es erlaubt ist, einen Menschen bewusst vor ein fahrendes Fahrzeug zu stoßen,ohne das als Mordversuch angesehen wird. Übrigends gehört dem Lokführer ein Orden für seine schnelle Reaktion- zumindest ein offizielles Lob als Lebensretter! Wäre das eine Petition wert?

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Peter Grimm / 12.04.2024 / 06:15 / 136

Kein Drama beim Höcke-Duell

Dass Thüringens CDU-Chef Mario Voigt mit seinem AfD-Pendant Björn Höcke in ein TV-Duell ging, sorgte für Aufsehen und Protest. Heraus kam eine ganz normale Fernsehsendung,…/ mehr

Peter Grimm / 11.04.2024 / 12:45 / 50

Die Rundfahrt eines Polizeibekannten

Der Irrwitz deutscher Asylpolitik zeigt sich zuweilen auch in absurden Geschichten aus dem Polizeibericht. Bei zu vielen Asylbewerbern drückt sich das Verhältnis zur Gesellschaft im…/ mehr

Peter Grimm / 09.04.2024 / 06:15 / 140

Droht eine Landesregierungs-Entmachtung nach AfD-Sieg?

Fünf Jahre nach dem „Rückgängigmachen“ einer Ministerpräsidentenwahl überlegen Juristen jetzt, wie man missliebige Landesregierungen mittels „Bundeszwang“ entmachten und zeitweise durch einen Staatskommissar ersetzen könnte. Sie…/ mehr

Peter Grimm / 03.04.2024 / 13:00 / 33

Wer darf Feindsender verbieten?

Wenn Israel das Gleiche tut wie EU und deutsche Bundesregierung zwei Jahre zuvor, dann ist selbige Bundesregierung plötzlich besorgt. Bei Doppelstandards ist Deutschland immer noch…/ mehr

Peter Grimm / 30.03.2024 / 09:00 / 75

Durchsicht: Die populärste Kommunistin?

Sahra Wagenknecht verteidigte als Kommunistin die DDR und begeistert heute selbst Konservative. Klaus-Rüdiger Mai beschreibt, wie die Frau zu verstehen ist. / mehr

Peter Grimm / 24.03.2024 / 12:00 / 77

Fürchtet Putin Angriffe aus verdrängten Kriegen?

143 Todesopfer hat der Anschlag auf ein Konzert in der Moskauer Region gefordert. Der Islamische Staat hat sich dazu bekannt, doch der Kreml hätte gern andere…/ mehr

Peter Grimm / 18.03.2024 / 10:00 / 78

Durchsicht: Migrationstheater im Bundestag

Am Freitag debattierte der Bundestag wieder einmal über die Migrationskrise. Die Selbstdarstellung der Nach-Merkel-CDU war, wie auch die Reaktion aus der SPD, bemerkenswert. Politisch wenig…/ mehr

Peter Grimm / 14.03.2024 / 12:30 / 55

Nix rausgekommen beim Kanzler?

Am Mittwoch stellte sich Bundeskanzler Olaf Scholz den Fragen der Bundestagsabgeordneten und schaffte es wieder, mit vielen Worten keine klare Antwort zu geben. Und er…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com