Ulli Kulke / 11.06.2019 / 06:25 / 170 / Seite ausdrucken

Sind wirklich die Medien an der gebremsten AfD schuld?

Der Beitrag auf der Achse „Die AfD und das schwarze Loch“ aus der vergangenen Woche erfuhr eine enorme Resonanz.

Tenor meines Blogs: Die Europawahl habe gezeigt, dass das rechtskonservative Spektrum der Gesellschaft in der Parteienlandschaft zunehmend verwaist. Die Abwanderungen von Wählern der CDU und der AfD ins Lager der Nichtwähler (insgesamt knapp vier Millionen) zeige dies deutlich. Die AfD habe ihren Steigflug aus den letzten Jahren nicht fortsetzen können, der Vergleich zur letzten Europawahl möge darüber nicht hinwegtäuschen. 2014 war die AfD als „Nobody“ das allererste Mal zu einer überregionalen Wahl angetreten. Der Grund für die Stagnation: Der Zulauf „taktischer Wähler“, die die Partei trotz Bauchschmerzen wählen, nur um der Union einen Denkzettel zu verpassen, sei gestoppt, weil die AfD ihren nach Rechtsaußen ausfransenden Rand nicht bewältigt, sich ihre Parlamentarier davon nicht genügend abgrenzten und selbst das Führungspersonal davor bisweilen nicht gefeit sei. Da wollen viele Wähler eben doch nicht mehr mitziehen. Ganz offensichtlich und in hoher Zahl auch nicht unter den vom Linksschwenk der CDU frustrierten Unionswählern.

Soweit der Blog von der vergangenen Woche (näheres siehe dort). Und die vielen hundert Leserreaktionen, von denen viele gar nicht mehr publiziert werden konnten.

In den Kommentaren zum Blog wurde mir als Autor am häufigsten der Vorwurf gemacht, ich würde ablenken und den wahren Grund für das relativ magere Wahlergebnis ignorieren: nämlich den Umgang der Medien, des „Staatsfunks“, der „Lügenpresse“ usw. mit der AfD, die Hetze gegen die Partei. „Herr Kulke, warum verschließen Sie davor die Augen?“

Niemand muss mehr falsche Gründe herbeizerren

Davon kann allerdings überhaupt nicht die Rede sein. Genau umgekehrt wird ein Schuh daraus.

Ich habe seit vielen Jahren den hysterischen Umgang der deutschen Medien mit der aufstrebenden rechten Partei AfD scharf kritisiert, vor allem auf der Achse des Guten, aber beileibe nicht nur hier. Stoßrichtung meiner zahlreichen Beiträge hierzu: Durch ihre – vor allem in den Anfangsjahren – oftmals an den Haaren herbeigezogene Anwürfe gegen die AfD erreichen Presse, Funk und Fernsehen (natürlich auch Online-Medien) vor allem eines: Sie verhindern die Bildung einer seriösen, satisfaktionsfähigen rechts-konservativen Partei, zu der sich auch renommierte Prominenz, erfahrene Politiker jüngerer Jahrgänge aus diesem Lager bekennen könnten.

Und, zweitens: Eben weil das Fadenscheinige der medialen Auseinandersetzung für alle, die sehen können, deutlich ist, passiert das, was die mehrheitlich links-grünen Journalisten im Lande und all die Abertausenden, die von ihnen abschreiben, weil sie selbst zu faul sind, eigentlich genau verhindern wollen: Sie stärken die Partei. Und zwar ganz offensichtlich zunächst unabhängig davon, ob da und wie weit etwas nach rechts ausfranst. Verletztes Gerechtigkeitsgefühl, Brass aufs Establishment, Augen zu und durch: taktische Denkzettelwahl.

Dass dieser Wirkmechanismus jetzt, bei der Europawahl, nicht mehr wie bisher funktionierte, liegt gewiss nicht daran, dass das oftmals blindwütige mediale Draufhauen auf die rechte Partei nun doch die erhoffte Wirkung zeigen würde, wie ich in meinem Blogbeitrag analysiert habe. Grund ist einzig und allein, dass die Partei immer mehr tatsächliche Gründe für die Kritik an ihren rechten Rändern liefert, an ihren Bündnissen, so dass niemand mehr falsche Gründe herbeizerren muss. Dass die berechtigte Kritik überhandnimmt.

Keine Politikberatung sondern Medienkritik

Ich muss mich schon fast wundern, wenn ich jetzt nachblättere, wie oft ich in den letzten Jahren die Hysterie der Medien gegenüber der AfD thematisiert habe, viele sahen und sehen mich deshalb schon fast als Parteimitglied. Dabei wird bei der Lektüre schnell klar, dass darin keine Politikberatung für eine Partei stattfindet, sondern nichts anderes als Medienkritik. Wer also meint, mir sei der unfaire Umgang der Journalisten mit der Partei entgangen, dem seien hier beliebig viele Gegenbeweise geliefert. Eine Einladung zu einem kleinen Ritt durch eine Auswahl der schlagzeilenträchtigsten – angeblichen – „Skandale“ der AfD insbesondere in ihren ersten Jahren:

Zunächst mein Video-Statement gegenüber der Bundeszentrale für politische Bildung zu genau diesem Thema:

Hier Frauke Petris angeblicher „Schießbefehl“ auf Flüchtlinge an der Grenze.

Hier der von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung absichtlich missverstandene Gauland mit seiner Äußerung über Jérôme Boateng.

Hier der absurde Vorwurf, Gauland sei menschenverachtend, wenn er „die Regierung jagen“ will.

Hier die „Heute-Show“, die es gut findet, wenn AfD-Angehörige „eins auf die Fresse kriegen“

Hier das Tabu, von der AfD Zustimmung zu erhalten.

Hier der unsinnige Vorwurf des „Rassismus“, weil eine AfD-Politikerin weiterhin „Nationalmannschaft“ sagen will.

Hier die ganz grundsätzliche Kritik am unsouveränen Umgang der veröffentlichten Meinung mit der Partei.

Natürlich könnte und wird die Liste auch heute noch fortgesetzt werden. So spielt weiterhin eine unberechtigte Kritik nicht nur aus den Medien der Partei in die Karten, auch das Verhalten anderer Politiker und Parteien. Dass es zum Beispiel die Mitglieder aller anderen Fraktionen, gegen die Satzung des Bundestages, mehrheitlich nicht schaffen, der AfD – immerhin größte Oppositionsfraktion – auch einen stellvertretenden Parlamentspräsidenten zu gewähren, mag das persönliche Ego der Verweigerer bei Linken, Grünen und anderen befriedigen. Tatsächlicher Nutznießer dieser undemokratischen Haltung ist zunächst die AfD selbst.

Dennoch: Wenn es die Partei selbst eben auch nicht schafft, rechtsradikale Figuren wie Björn Höcke auszugrenzen, seine Provokationen, wenn schon nicht zu unterbinden, so doch wenigstens in aller Öffentlichkeit jedes Mal glaubhaft zurückzuweisen, wenn das Thema rechter Rand im innerparteilichen Diskurs nach außen sichtbar nirgends eine nennenswerte Rolle spielt, wenn hierbei der Anschein des Stillschweigens und Hinnehmens ganz klar dominiert, dann rücken Fragen wie die des verweigerten Vizepräsidenten in den Hintergrund.

Und noch etwas. Auch wenn in vielen Kommentaren mein Hinweis darauf angezweifelt wurde, dass die Grünen erst nach klarer Ausgrenzung der Linksradikalen zum Erfolg kamen, wenn viele konstatieren, die Grünen seien nach wie vor noch linksextrem: Dass Stalinisten, Sowjetfreunde, K-Gruppen, Pol-Pot-Anhänger heute in der Ökopartei – nach Umfragen inzwischen die stärkste im Lande – noch irgendeine Rolle spielen, kann mir keiner erzählen. Die Geschichte der Grünen könnte ein Lehrstück sein.

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Hubert Bauer / 11.06.2019

Die Medienschaffenden sind durchwegs linksgrün und somit der AfD nicht wohlgesonnen. Aber bis auf den Staatsfunk gehören alle Medien reichen Leuten, die tendenziell liberal-konservativ eingestellt sind. Da müsste die AfD eigentlich Zugang haben wie keine andere Partei. Aber hier hat sich die AfD den Weg selbst verbaut, weil sie zu oft in die braunen Fetttöpfe getreten ist. Da liegt der Ball bei der AfD und die AfD muss schauen, wie sie aus der braunen Ecke wieder rauskommt. Klar, wurde sie ein Stück weit dort hin gedrängt, aber zum Teil ist sie auch selbst dort hin gegangen.

Winfried Jäger / 11.06.2019

Lieber Herr Kulke,AfD zu wählen ist keine Krankheit. Es ist Ausdruck von freiem Denken, Liberalität, informiert sein und Verachtung gegenüber narzistischen faulen Dummschwätzern und Opportunisten aller Art. Berlin ist ein Biotop von Parasiten, auf dem Land sieht es anders aus.

Hans-Hasso Stamer / 11.06.2019

Die AfD ist nicht rechts, es sind ganz normale konservative Positionen, die die CDU Mitte der Nuller Jahre vertrat. Auch Björn Höcke ist kein Rechtsausleger, wie man anhand des Transkripts seiner Freital-Rede feststellen kann. Sämtliche sogenannten Rechtsausleger sind Personen, die von den Medien dazu gemacht wurden, denen dieses Etikett angeheftet wurde, um die die AfD diskreditieren zu können, mit verkürzten und aus dem Kontext gerissenen Zitaten. Klappt das mit dem einen nicht so recht, nimmt man einen anderen. Irgendetwas lässt sich ja immer finden, irgendein Wahlkampftext wird schon mißverständlich genug sein. Auf die Oberflächlichkeit des breiten Publikum ist stets Verlass.Es geht um die Macht, da sind Wahrheit und Redlichkeit das erste Opfer. War in der DDR auch so. Journalisten sind heute fast nur noch Propagandisten und Haltung ist die neue Parteilichkeit, die in der DDR stets gefordert wurde.Die Grünen haben dagegen genug Linksextremisten in ihren Reihen. Auch Denunzianten, die vertraulich weitergegebene Adressen zynisch an die Antifa weitermelden: mal nach „kleiner grüner Schreibtischtäter“ googeln. Der Mann ist sogar Lokalpolitiker.

T.Schmidtke / 11.06.2019

Man könnte auch sagen, dass viele der AfD-Nichtwähler erkannt haben, dass man in diesem Staat mit Wahlen rein gar nichts mehr erreicht. Allein das Schauspiel mit der Wahl des AfD-Kandidaten für den Bundestagsvizepräsidenten ist da doch beredt genug. Die Leute werden zu keiner Wahl mehr gehen, die bereiten sich insgeheim und im Geheimen auf den Widerstand vor, der dann abseits der Parlamente stattfinden wird. Wird werden blutigen Zeiten entgegen gehen.

Richard Feldmann / 11.06.2019

Noch ein kleiner Nachtrag: Wer tatsächlich der Ansicht ist, dass bei den Grünen Stalinisten, Sowjetfreunde, K-Gruppen, Pol-Pot-Anhänger heute keine Rolle mehr spielen, der lebt anscheinend in einer anderen Republik! Als ein schönes Beispiel sei Winfried Kretschmann erwähnt, ein in der Wolle gefärbter Kommunist, früher Mitglied von K-Gruppen. Am Rande sei auch mal der Pädophile Daniel Cohn-Bendit erwähnt, der ja immer noch als "Vordenker" der Grünen gilt. Und zu glauben, dass Annalena Baerbock und Robert Habeck aus anderem Holz geschnitzt sind, der wird eines Tages ganz sicher ein böses Erwachen erleben. Wie FJS früher schon richtig erkannt hat: Die Grünen sind wie Wassermelonen, außen grün und innen rot!

Arthur Dent / 11.06.2019

Herr Kulke, da bin ich anderer Meinung. Jede Partei hat Mitglieder, die unsympathisch sind oder extreme Ansichten haben. Solange die Partei deswegen selbst nicht zum Paria erklärt wird, stört das die meisten Wähler nicht. Wenn aber eine Partei komplett zum Paria erklärt wird und deren Wähler gleich dazu, dann hat dies schon einen gewaltigen Einfluss, da die meisten Menschen Angst vor der sozialen Isolation haben und deswegen dann lieber eine andere Partei oder gar nicht wählen. Ich sehe es so: Nur ca. 10% der Menschen sind eigenständig denkende und handelnde Personen, aber gut 80-90% sind Mitläufer, die sich lieber anpassen, die keinem sozialen Druck gewachsen sind.

E Ekat / 11.06.2019

Die AfD hat im EU-Parlament nix verloren, warum sollte man sie dort hineinwählen? Zweitens ist die Chance, durch Wahlen etwas zu verändern im Moment aussichtslos, sodaß man sich den Weg ins Wahllokal ohnehin sparen kann. Das wird sich ändern in dem Maße, wie sich die wirtschaftliche Lage eintrübt. Da könnte dem einen oder anderen aufgehen,, daß die Weichenstellungen nicht in seinem Interesse war. Bis dahin kann sich die AfD verjüngen, die jüngeren werden zu beweisen haben, daß ihnen Werte am Herzen liegen und nicht das, was derzeit in der BRD rumgeflunktert wird.

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