Sorry, aber wenn der Autor Menschen, die er nicht mag nicht beachtet und ihnen sogar das Leben aktiv schwer macht, ist er wirklich kein guter Mensch.
Vermutlich bin ich nicht besser oder schlechter als andere Menschen. Mein Glück war es, in einer sozialen Umgebung aufzuwachsen, in der ich (meinen Ansprüchen entsprechend) “gut” sein konnte und diese Umgebung habe ich mir erhalten und sie gibt mir auch heute noch Raum, über solche Fragestellungen philosophieren zu können. Wenn ich mich frage “was wäre wenn…”, so als Gedankenexperiment, dann weiß ich, dass es Dinge gibt, für die oder gegen die ich mich ganz bewusst entscheiden muss und deren Konsequenzen ich dann auszuhalten habe. Ich glaube, dass ich das, was einen reifen lässt. Sich also nicht vom Schicksal vereinnahmen zu lassen sondern es selbst zu gestalten, auch wenn das Schicksal dadurch unwiderruflich besiegelt wird.
Leider macht der hochgeschätzte Autor den Fehler seine Charakterschwächen und dunklen Züge der eigenen Persönlichkeit auf andere zu übertragen. Das ist ein altbekanntes und häufiges Phänomen. Überraschend, dass dies auch einem Peterson passiert.
Ich wäre nie so anmaßend mich als guten Menschen zu bezeichnen, aber ich kann mit reinem Gewissen sagen, dass ich Leuten, die ich nicht mag noch nie etwas angetan habe. Weder strafe ich sie mit Nicht-Achtung noch mache ich ihnen aktiv das Leben schwer. Wenn dies für den Autor gilt, habe ich ihn bisher völlig falsch eingeschätzt. Schade!
“Ordinary Men” gibt’s auch übersetzt. Es heißt “Ganz normale Männer” und ist von Christopher Browning. Dass die darin beschriebenen Ordnungspolizisten “psychisch und physisch krank” wurden, ist schon ein bisschen verkürzt dargestellt. Sie haben sich halt dran gewöhnt.
Es ist nicht überzeugend eine TV-Serie, also pure Fiktion, als Argumentationshilfe für seine Thesen oder als Rechtfertigung für seine eigenen Abgründe heranzuziehen. Zum Glück kann Peterson es deutlich besser und sachlicher.
Um sein eigenes Verhalten besser beurteilen zu können, ist es hilfreich eine Perspektive außerhalb seiner selbst einzunehmen. Sich von außen zu betrachten und sich gleichzeitig der Tatsache bewusst zu sein, dass sehr viele unserer Verhaltensweisen, unserer Denkweise, unserer Gefühle von Dingen beeinflusst sind, die wir nicht steuern. Wir sind durch die Unstände unter denen wir „groß“ wurden zu etwas geworden, dass sich unabhängig von unseren bewussten Entscheidungen entwickelt hat. Dieses für uns zunächst Unsichtbare, Unterbewusste an die Oberfläche zu holen, ist unsere Aufgabe. Dadurch erhalten wir den Schlüssel zum Öffnen der verschlossenen Tür zu unserem Selbst. Haben wir sie einmal geöffnet, sind wir dem Spiel des Unbewussten nicht mehr in dem Maße ausgeliefert wie zuvor. Dann stehen uns „alle Türen offen“. Wir sind dann auch dem „Bösen“ in uns nicht mehr so ausgeliefert, wir wissen dann um seine Existenz, es verliert das Bedrohliche. Wir können in „gleichberechtigte Verhandlung“ mit ihm treten. Wir sind ihm nicht mehr ausgeliefert. Der Hauptdarsteller in „Breaking Bad“ entscheidet sich, nachdem er sich kennengelernt hatte, ganz bewusst für das Böse. Er entdeckt eine ihn faszinierende Seite an sich selbst. Doch da das Böse immer seinen Tribut fordert, verkümmert seine gutmütige, menschliche Seite, je mehr er sich der bösen Seite überlässt. Tolle Serie.
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