Irfan Peci, Gastautor / 16.04.2019 / 12:00 / Foto: Pixabay / 24 / Seite ausdrucken

Sind Islamisten links?

Wenn vom islamistischen Terrorismus die Rede ist, wird stets der Vergleich zum Rechtsextremismus gezogen. Doch was ist eigentlich mit dem Linksextremismus? Gibt es mit dem islamistischen Terrorismus nicht vielleicht mehr Gemeinsamkeiten, als manch einem lieb ist?

Beim Vergleich mit dem Rechtsextremismus werden fundamentale Unterschiede leichtfertig übersehen. Beispielsweise wollen Islamisten eben keine Nationalstaaten wie die Rechten, sondern sehnen vielmehr die Zerschlagung aller Nationalstaaten herbei. Sie streben nach einem multikulturellen Vielvölkerstaat, der die ganze Welt umspannt. In einem solchen sollen alle Menschen, unbesehen welcher Hautfarbe, und Herkunft „friedlich“ unter der Scharia leben können, vorausgesetzt, sie konvertieren zum Islam; Juden und Christen dürften als geknechtete Dhimmis eine Existenz fristen.

„Erhebe deinen Kopf, denn heute hast du durch die Gnade Allahs einen Staat und ein Kalifat (...), in dem der Araber und der Nichtaraber, der Weiße und der Schwarze, der Ostler und Westler alle Brüder sind! Es ist ein Kalifat, in welchem sich Kaukasier, Inder, Chinesen, Syrer, Iraker, Jemeniten, Ägypter, Maghrebiner, Amerikaner, Franzosen, Deutsche und Australier versammelt haben! Ihr Blut hat sich vermischt und wurde eins, eins unter einer Flagge und einem Ziel, unter einem Dach, diese Segnung genießend, die Segnung der treuen Brüderlichkeit!“

Lässt man den Begriff „Kalifat“ weg, würde man meinen, hierbei handele es sich um die Ansprache eines muslimischen Predigers, der bei den Wahlen „Die Grünen“ wählen würde. Doch was sich nach islamischer Multikulti-Romantik anhört, ist ein Ausschnitt einer Freitagspredigt des gefährlichsten Terroristenanführers der Welt, nämlich des IS-Kalifen Abu Bakr al-Baghdadi! (zitiert nach „The Revived Caliphate“, S. 72f.) Ähnliche Reden gibt es genauso von Osama bin Laden, Aiman al-Sawahiri und anderen hochrangigen Dschihadisten.

Rassismusfreie und klassenlose Gesellschaft

Doch ist nicht genau dies das Horrorszenario eines jeden konservativ denkenden Menschen, dass die Nationalstaaten beseitigt werden und sich die Völker vermischen? Übrigens ist der Rassismus und selbst das völkische Denken den Islamisten völlig fremd, vielmehr gehört dies zu einem ihrer Vorzüge, mit dem sie werben und vor allem Angehörige von Minderheiten rekrutieren können.

Diese islamistische Utopie erinnert an die Utopien der Sozialisten und Kommunisten, die eine klassenlose Gesellschaft errichten wollen, in welcher es keinen Rassismus gibt und die vollkommene Gleichheit herrscht. Auch soll diese Form nicht wie der Nationalsozialismus „national“ sein, sondern die ganze Welt umspannen und alle Völker mit einschließen.

Doch um diese rassismusfreie und klassenlose Gesellschaft durchzusetzen, müssen vor allem die westlichen Staaten mit Terror überzogen und zermürbt werden, so die Auffassung, denn sie stehen dieser Utopie im Weg. Auch dies ist eine Überzeugung, die Linksextremisten und gewaltbereite Islamisten gemein haben. Zuerst gilt es, durch Terror die Weltrevolution herbeizuführen, bevor auf den Trümmern dann die ersehnte Weltregierung errichtet werden kann.

Wie diese islamistische Utopie dann in der Realität ausgesehen hat, zeigte die erste erfolgreiche Umsetzung in Form des „Islamischen Staates“ unter al-Baghdadi. Neben dem typisch kommunistischen Überwachungsstaat, den der „IS“ installiert hat – vom Spiegel 2015 in Syrien ausgewertete Dokumente belegten die Methoden eines „hochkomplexen Geheimdienststaates, der sich auf flächendeckende Ausspionierung, Überwachung und Morde gründet“, (Der Spiegel vom 18. April 2015) –, wirbt er des Weiteren mit „Vorzügen“, die den sozialistischen Charakter eindeutig erkennen lassen. Angefangen beim vom Staat kostenlos zur Verfügung gestellten Wohnraum, kostenlosem Wasser und Strom bis zu monatlich gelieferten Lebensmittelpaketen und kostenloser staatlicher medizinischer Versorgung.

Womöglich hängt dies auch damit zusammen, dass es sich bei der Führungsriege des „IS“ außer bei al-Baghdadi ausschließlich um „ehemalige“ Baathisten, also arabische Sozialisten handelt, die ihre militärische und nachrichtendienstliche Ausbildung in den Ostblockländern genossen haben.

Sozialistischer Islamismus oder islamistischer Sozialismus?

Um dieses Argument zu entkräften, verweisen Linke oft auf einen fundamentalen Unterschied zwischen Sozialismus und Islamismus, nämlich die Religiosität. Hier die Religionsfeindlichkeit und Skepsis der Linken, auf der anderen Seite der fanatische Glaube der Islamisten. Hierbei wird übersehen, dass der arabische Sozialismus sich in dieser Hinsicht schon immer vom orthodoxen Glauben der Linken unterschieden hat, indem die arabische Variante immer versucht hat, den Islam und den Sozialismus zu fusionieren. Egal ob Gaddafis „Islamischer Sozialismus“ oder der Sozialismus der Baathisten unter Saddam Hussein, die gleichzeitig die Scharia als Rechtsquelle angewandt haben.

Oder nehmen wir den geistigen Urvater des modernen Islamismus und Dschihadismus, den Ägypter Sayyid Qutb. Dieser war die meiste Zeit seines Lebens überzeugter arabischer Sozialist und wandelte sich erst im Alter von Mitte Vierzig zum Islamisten. In seinem Buch „Die soziale Gerechtigkeit im Islam“ (1949) spricht er sich offen für eine „islamische Deutung sozialistischer Traditionen“ aus und schreibt: „Jeder überflüssige Piaster in der Tasche, der über ein vernünftiges Maß des Bedarfs hinausgeht, ...(ist) von der Tasche eines armen Arbeiters gestohlen“ (zitiert nach Imad Mustafa, „Der Politische Islam: Zwischen Muslimbrüdern, Hamas und Hizbollah“). Das ganze Buch ist durchdrungen von sozialistischen und revolutionären Ideen: „Er (Islam) ist eine Revolution von Dienern Gottes für andere Diener Gottes und eine Revolution gegen Ungerechtigkeit aller Art in allen Bereichen. Er ist eine Revolution gegen Ordnungen, Regierungen und Satzungen, die sich auf diese Ungerechtigkeit stützen und sie zum Vorteil eines Individuums in Form eines Herrschers oder Ausbeuters auf Kosten einer Gemeinschaft bewahren oder auf Kosten einer Klasse zum Vorteil einer anderen Klasse in Form von Lehensherren, Kapitalisten und Strolchen! Oder es geht auf Kosten eines Staates zum Vorteil eines anderen Staates in Form von Besatzern und Kolonialisten.“ (zitiert nach Mustafa, „Der Politische Islam“).

Was bei Lenin die „Avantgarde des Proletariats“ ist, die für das Anfachen der Weltrevolution zuständig war, nennt Qutb in seinen Büchern die „Islamische Vorhut“. Dass Qutb eine Verschmelzung des Islams mit dem Sozialismus anstrebte, wird aus folgendem Zitat deutlich: „Es ist unerläßlich, daß der Islam herrschen wird, weil es der einzige Glaube ist, der vorteilbringend und konstruktiv ist, da er aus dem Christentum und dem Kommunismus gleichermaßen in vollkommenster Weise geformt wurde und somit all ihre (das heißt Christentum und Kommunismus) Ziele umfaßt und diesen noch Stabilität, Einklang und Gradheit hinzufügt“ (zitiert nach „Al-Ma’rakah, „Die Schlacht“)

„Wilde Bestie des Kapitalismus“

Nicht nur was die Ziele betrifft, findet man große Übereinstimmung zwischen linker Ideologie und Islamismus, auch was die Analyse der gegenwärtigen Probleme auf diesem Wege angeht, fällt sie ähnlich aus. Denn die Ursache allen Übels wird im westlichen Imperialismus und Kapitalismus gesehen. Der europäische Kolonialismus und der angeblich weiter fortbestehende „Neokolonialismus“ sind die Ursachen für die Armut der Zweiten und Dritten Welt, die fast alle islamischen Länder umfassen. „Ihr seid arm, weil wir reich sind“, fassen es europäische Linksintellektuelle zusammen ungeachtet dessen, dass der europäische Kolonialismus nicht einheitlich bewertet werden kann, da seine Folgen viel zu unterschiedlich ausfielen und sowohl positiv wie auch negativ waren. Ignoriert wird auch die Eigenverantwortung dieser Staaten und Völker wie auch das Selbstverschulden und die astronomischen Summen, die bereits seit Jahrzehnten in Form von Hilfsgeldern vom reichen Norden in den armen Süden fließen.

Doch die Islamisten wiederholen lieber das, was die Linken seit langem vorbeten: dass all der westliche Wohlstand auf Ausbeutung der islamischen Welt basiere. So argumentierte beispielsweise der islamistische Hassprediger und Terrorist Mohamed Fizazi, der in der Hamburger Al-Quds-Moschee vor den Attentätern des 11. September wie folgt predigte:

„Das Vermögen in Deutschland ist ein gesetzloses Vermögen, sie haben uns unsere besten Köpfe geraubt. Wie viele arabische Wissenschaftler arbeiten hier? Und wir sind ihre Sklaven. Wir sind Emigranten, das heißt moderne Sklaven. Wir sind Tellerwäscher, Straßenkehrer. Für uns bleiben nur die Krümel. Wir können ihnen gar nicht so viel wegnehmen, wie sie uns schulden.“ (zitiert nach Peci, „IS will Pakt mit linken Aktivisten“, http://www.br.de, 19. März 2017) Gut möglich, dass die von Fizazi gepredigte und ursprünglich aus der Linksideologie kommende einseitige Darstellung Mohammed Atta in seinem Vorhaben, es dem ach so „bösen Westen, der uns ausbeutet“, zu zeigen, bestärkt hat. Gegipfelt hat dieser Hass in Form der Anschläge vom 11. September 2001.

Der mit der Imperialismuskritik eng verbundene Antikapitalismus ist nur eine weitere Gemeinsamkeit, an die Islamisten anknüpfen können. So gab der einstige irakische al-Qaida-Chef und geistige Vater des „IS“, Abu al-Sarkawi, den „kapitalistischen Blutsaugern“ gar die Schuld für den Einmarsch in den Irak: „Die Amerikaner dringen in unser Land ein, sie sind gierig auf die Schätze dieses Landes. Die kapitalistischen Blutsauger lechzen nur so danach.“ („Abu Musab al Zarqawi – Beruf Terrorist“, Dokumentarfilm, Arte, F 2005) Auch dies ist nur ein Abklatsch der von Linksintellektuellen verbreiteten These, die Beweggründe für den Irak-Krieg seien der Raub irakischer Ressourcen. Oder wenn al-Sawahiri beispielsweise von der „Niedertracht des Kapitalismus“ spricht oder Bin Laden ganz in Manier eines Ökofundamentalisten den „Kapitalismus“ als Ursache für den „Klimawandel“ anprangert. (ausgestrahlt auf Al-Jazeera, 29. Januar 2010) Bin Laden deutet gleichzeitig in seiner Rede über den Klimawandel auch die angeblichen Vorzüge einer Planwirtschaft an, indem er bedauert, dass die Geschicke der Menschheit nicht „von weisen Menschen gelenkt werden, die im Sinne der Menschen planen“, sondern stattdessen von „gierigen Ausbeutern, Kriegstreibern und der wilden Bestie des Kapitalismus“.

Diese seltsamen Gemeinsamkeiten zwischen Linksideologie und Dschihadismus existieren nicht nur im gewaltbereiten islamistischen Terrorismus, sondern auch in den harmloseren Varianten. Oder wie ist es zu deuten, wenn „das Gesicht des deutschen Islam“, Ayman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, auf einem Kongress wie „Marx is Muss“ 2017 von einem „Schulterschluss“ spricht, wenn „es darum geht, für Rechte einzustehen“ – wohlgemerkt einem Schulterschluss mit den aktiven Trotzkisten von „Marx21“, deren Ziel laut bayerischem Verfassungsschutzbericht die „Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung durch eine Revolution“ ist.

Der heutige Islam ist also durchsetzt mit linksradikalen Ideen, die, gepaart mit religiösen Heilsversprechen, besonders gefährlich sind. Großartig thematisiert wird dies bislang nicht.

Irfan Peci, geboren 1989 in Serbien, aufgewachsen in der Oberpfalz, wird 2007 zum Deutschland-Chef der „Globalen Islamischen Medienfront“ (GIMF), eines der weltweit wichtigsten Propaganda-Netzwerke für al-Qaida. Danach ist er als V-Mann für den Verfassungsschutz tätig. Er hat mit seiner extremen Vergangenheit gebrochen und darüber in seinem Buch „Der Dschihadist“ geschrieben. Heute ist er als Sicherheitsberater tätig und bietet auf der Seite www.antiterrortraining.de Online-Seminare dazu an.

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Frank Stricker / 16.04.2019

Rassismus ist in der utopischen Welt der Islamisten ja gar nicht mehr möglich , weil in der Traumwelt der “Halsabschneider” alle zum Islam konvertiert sind . Es gäbe ja dann praktisch keine “Ungläubigen ” mehr , es entstünde ein klassenloser Sozialismus mit dem rechtlichen Anstrich der Scharia .  So gesehen gibt es also durchaus Gemeinsamkeiten zwischen den Linken und den Dschihadisten.

Frank Holdergrün / 16.04.2019

Habe vor einiger Zeit auf einer Demo mit Anhängern von Abdullah Öcalan gesprochen: der sozialistische Glaube ist bei ihnen derart festgefügt, dass einem Angst und Bange wird. Ein „Freies Leben statt Kapitalismus“, dafür plädiert Abdullah Öcalan in seinem Buch „Zivilisation und Wahrheit“, er sieht sich als Vollender von Marx. Seine Stellung als Führer sieht er so: „Als Jesus ans Kreuz genagelt wurde, weinten die Menschen seiner Umgebung lediglich. Beim Tode Mohammeds diskutierte man im Angesicht seines Leichnams drei Tage über die Nachfolge. Als Lenin starb, beging niemand Selbstmord. Aber als ich verhaftet und ausgeliefert wurde, übergaben sich die Kinder, Söhne und Töchter des kurdischen Volkes gleich zu Hunderten lichterloh brennend den Flammen. Was wollten sie damit zum Ausdruck bringen? Wogegen richtete sich die Wut derjenigen, die sich selbst zur Bombe machten und in die Luft sprengten? Welche Realitäten brachten sie dazu, das zu tun? Wenn ich es nicht persönlich verhindert hätte, Tausende wären bereit gewesen.“ Öcalan ist Antisemit durch und durch, ein atheistischer angeblich, seine Argumentationen sind höchst absurd. Die Demo-Teilnehmer waren gut gekleidete, türkisch-stämmige Kurden mit deutschem Pass, in seliger Verzückung einem anhängend, der meint, Hitler sei von Juden geschaffen worden. Vielleicht fehlender Allahglaube wird mithin durch umso schärferen Antisemitismus ersetzt. Alle diese Menschen leben mitten unter uns, mit ihrem Allahersatz, der Öcalan heißt.

beat schaller / 16.04.2019

danke her peci für ihre “innenansicht”, die lohnenswert ist. mindestens ein paar gedanken sollte sich jeder darüber machen, damit der blick für’s “echte” etwas geschärft wird.  sicher ist es im   kommunismus wie auch im islamismus lebbar,  allerdings sollte man zwingend auf der seite derer stehen, die den anderen sagen und zeigen was diese auf keinen fall machen dürfen.  man muss vorbild sein und damit auf der funktionäs-und denunziationsseite stehen. ich war schon immer der meinung, das der kommunismus die extremstform des kapitalismus darstellt.! (also den kleinen teil, den             “kapitalisten unter sich” nicht gutheissen und folglich selber meiden). b.schaller

Albert Pflüger / 16.04.2019

Das dem Islam der Rassismus fremd sei, ist falsch. Arabische Sklavenjäger haben die schwarze Beute nie als gleichwertige Menschen angesehen. Wer Sklaverei bis heute duldet, ist glasklar Rassist, denn Sklaven sind immer die „Anderen“, die geringwertigen. Wer jetzt meint, das sei keine Frage der Rasse, sondern der Religion, der ist auf sehr dünnem Eis unterwegs. Dann wäre auch Antisemitismus nicht mehr rassistisch.

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