Thilo Schneider / 21.07.2019 / 11:00 / Foto: Timo Raab / 53 / Seite ausdrucken

Sind hier eigentlich alle bekloppt geworden?

Wem von uns (außer den Glatzenträgern) wäre das noch nicht passiert? Der Friseur ist fertig mit seinem Haarschnitt und zeigt stolz mit diesem hübschen Handspiegel, wie sein Werk von hinten aussieht und Du denkst Dir: „Ich sehe aus wie ein Trottel“. Aber da wir Älteren ja alle zur Höflichkeit erzogen wurden, nicken wir brav und sagen „sehr gut“ und geben noch ein Trinkgeld, weil letztlich ja der Friseur nichts dazu kann, dass er kein Schönheitschirurg ist. Das wäre ja auch teurer als 15 Euro für einen Herrenhaarschnitt gekommen. Dann triffst Du auf der Straße einen Bekannten und sagst: „Ich sehe aus wie ein Trottel“ und er erwidert pflichtschuldig: „… und außerdem warst Du beim Friseur!“ 

Oder im Restaurant: Das Essen war so „naja“, Du gehst aber davon aus, dass Du keine schlimmere Erkrankung als einen Durchfall bekommst, zahlst aber trotzdem und auf die Frage „Hat es geschmeckt?“ antwortest Du artig „ja, war gut“, in dem Wissen, dass Du das Etablissement nie wieder aufsuchen wirst, solltest Du die Salmonelleninfektion überleben. Die etwas Ehrlicheren sagen, dass es nicht so prall war und bekommen dann entweder eine Beschimpfung zurück oder einen Ramazotti aufs Haus. Ich traue mich so etwas nicht.

Immerhin aber halten mittlerweile neue Sitten in Deutschland Einzug und zwingen Händler und Gastronomen zu einem Umdenken und zur Verbesserung der Servicequalität, wenn sie den Tag überleben wollen. Es gibt eine nette Geschichte aus meinem Gymnasiallesebuch, in der ein Husar zu einem Barbier kommt und ihm droht, sollte ihn der Barbier beim Rasieren schneiden, er den Barbier stante pede zur Strecke bringt. Der Barbiermeister delegiert aus Angst an den Gesellen, dieser wiederum aus Furcht an den Lehrbuben. Der rasiert den Husaren ohne einen Schnitt und auf die Frage des Kunden, warum er sich das im Gegensatz zu seinen Chefs getraut habe, entgegnet der Azubi, dass er das Messer immer so gehalten habe, dass er dem Husaren beim leisesten Zucker die Kehle durchgeschnitten hätte … Aber ich schweife ab. Servicequalität.

Wo haben die alle das Zeug her?

Was wurde aus dem guten alten, aber bewährten „Ich will mit dem Chef sprechen“? Offensichtlich unzufriedene Kunden erschießen heute ihren Friseur (wie hier oder hier), strecken ihren Gastwirt nieder (wie hier oder hier oder hier) oder verleihen in einem Schnellrestaurant ihrem Unwillen über eine fehlende Käsefüllung mit einem Messer Ausdruck. Auch Ärzte müssen heute in ihren Diagnosen nicht nur vorsichtig sein, sondern an irgendeinem Punkt auch empathisch. Und sollten ihre Patienten nicht lange warten lassen, wenn sie nicht selbst einer werden wollen. Rechtsanwälte, Rettungskräfte, Reinigungskräfte, Bahnbedienstete, Beamte und Banker – es wird erschossen, erstochen und erdrosselt, was das Strafgesetzbuch hergibt. Dabei handelt es sich hier keineswegs um einen homogenen Täterkreis rund um Einmann. Bei meinen Recherchen stieß ich auf erstaunlich viele Rentner, die anscheinend nach 60 plus Lebensjahren einfach keine Lust mehr auf zeitraubende Diskussionen haben, weil sie ja selbst nicht mehr viel davon haben – oder für die „lebenslänglich“ keine wirkliche Strafe mehr ist, weil sie die zwei Monate auch noch locker absitzen.

Natürlich ist eine Todesdrohung durchaus eine Motivation, seinen Beruf gewissenhaft zu erledigen und sich noch einmal sozusagen „einen extra Schlag“ Mühe zu geben, wie die verblichenen „Angstgestellten“ von Kim Jong-un bestätigen würden, wenn sie denn noch könnten. Mich verblüfft jedoch die Vielzahl der Einzelfälle, bei denen Leute mit Pistolen, Messern, Macheten und Hackebeilen durch die Gegend rennen. Reklamationen sind ja eine Sache, aber man muss doch seinem Dienstleister auch eine Chance geben, seinen Fehler wiedergutzumachen? Und wo haben die überhaupt das Zeug her?

Ich habe so die romantische Vorstellung, mich am Frankfurter Hauptbahnhof mit dem Ex-Jugoslawen meines Vertrauens zu treffen, hinten bei den Schließfächern, vorbei an den Hobbypharmazeuten im diffusen Licht einer flackernden Neonleuchte und einer nach Urin stinkenden Ecke mit einem tropfenden Abwasserrohr. Und da irgendeine Makarov oder Glock mit abgefeilter Seriennummer erwerben. Aber wie kommt man an die Leute? Geht man da einfach mal mit aufgestelltem Mantelkragen hin? Oder muss ich dazu jemanden kennen, der jemanden kennt, der jemanden kennt? Wie funktioniert das? Und offensichtlich auch noch so häufig?

Und mit so einer Pistole ist es ja auch nicht getan. Man braucht ja auch Munition, sonst macht das ja keinen Sinn und man kann seinen Dienstleister ansonsten nur mit der Pistole bewerfen? Ich bin jetzt nicht traurig, dass ich anscheinend zu wenig kriminelle Energie habe oder ein viel zu zufriedener Mensch bin, um mich derart auf eine Beschwerde vorzubereiten, aber die ganzen Täter können doch auch alle keine Sportschützen sein? Ich kenne ein paar Schützen: Bis die ihre Waffen in der Hand haben, ist der Krieg schon wieder vorbei und der Ärger verraucht. 

Ganz im Ernst und ohne Flachs: Kriminalität und Morde wegen Nichtigkeiten gab es schon immer. Überall. Aber ich habe das dumpfe Gefühl, dass sich das hierzulande häuft. Ist das Paranoia oder erleben wir hier die Vorstufe eines Bürgerkrieges, bestehend aus Verrohung, Verachtung, Verzweiflung und Respektlosigkeit? Was ist los in diesem Land? Mit seinen Bürgern? Alle bekloppt geworden?  

Foto: Timo Raab

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Werner Schiemann / 21.07.2019

Was so die Restaurantbesuche angeht vielleicht ein kleiner Tipp:  Bei der Güte der aufgetischten Speisen, so ab (m)ausreichend, beantworte ich die Frage nach der Qualität in solchen Fällen, falls eine derartige Frage dann überhaupt noch gestellt wird, immer mit: “Warm und reichlich”

Johannes Amburgo / 21.07.2019

Wir haben hier (Südamerika) viel Spaß an der Achse des Guten. Aber wieso tun Sie sich die Zustände hautnah an. Die Foristen hier müssten ja eigentlich zusätzlich zu ihrer Intelligenz auch den Mut haben, örtliche Veränderungen vorzunehmen. Die wenigen Menschen sind sehr freundlich, keine Muslime, keine Schwarzen… Also.

Johannes Schuster / 21.07.2019

Wer einmal versucht hat, einer Politesse zu erklären, daß man Durchfall hatte und keine Zeit vorm Locus noch ein Ticket zu lösen und nicht mehr Erfolg in der Diskussion hat als beim Zementsack, der kann die Rentner schon verstehen - wenn die nach einem langen Leben voller Diskussionen mit dummen deutschen Bürokraten die Sache im Alter handwerklicher lösen. Es gibt dummsture Berufe, die förmlich dazu einladen, daß man ihnen die Visage verkachelt.

Bernhard Krug-Fischer / 21.07.2019

Lieber Herr Schneider, auf Ihre letzte Frage ” Alle bekloppt geworden?” kann ich nur antworten: größtenteils ja. Gott sei Dank gibt es noch Ausnahmen: die alten weißen Männer, die Leser hier auf der Achse und die Leser von anderen Blogs wie TE. Die Verblödung der Bevölkerung über die letzten Jahre zeigt ihre Wirkung. Traurig, aber wahr. Und der Bürgerkrieg wird kommen, wenn es zum großen Finanzchrash kommt. Dauert nicht mehr lange.

Karl-Heinz Vonderstein / 21.07.2019

Wer muss hier eigentlich geschützt werden vor wem?Migranten vor rechtsextremen Deutschen oder Deutsche und Einheimische vor bestimmten Migranten?Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und dem weitaus größeren Teil der Presse hierzulande sind es ganz klar erstere.

Gabriele Schulze / 21.07.2019

Was die Einmänner angeht, ist die Sache ja klar bzw. hinlänglich beschrieben. Nach meiner Einschätzung ahnen die Nicht-Einmänner dumpf, daß sie überrollt werden, nichts mehr zu melden haben, die Gelackmeierten sind. Ich bin auch noch da! Und unterschwellig grummelt es im Deutschen gegen seinesgleichen. Die Nicht-Einfrauen sind eher unbewaffnet aggressiv, oftmals besonders zwitscherig. Fahren Sie mal im Bus, der auch hier geborene Kopftuchmädels befördert. Wie sie ostentativ Deutsch sprechen, quasi triumphierend (#wirsindmehr) und genauso ostentativ ins Arabische oder Türkische wechseln. Aggro allenthalben. OM!!

Karla Kuhn / 21.07.2019

“Die etwas Ehrlicheren sagen, dass es nicht so prall war und bekommen dann entweder eine Beschimpfung zurück oder einen Ramazotti aufs Haus. Ich traue mich so etwas nicht.”  Dann muß ich eine ganz Ehrliche sein, ich sage, wenn es mir nicht geschmeckt hat, bzw. wenn das Essen unter aller S. war.  Und vor allem gibt es dann kein Trinkgeld, egal wie lange der Kellner in seiner Geldtasche rumsucht, um mir das Kleingeld zurückzugeben. “... es wird erschossen, erstochen und erdrosselt, was das Strafgesetzbuch hergibt. ” Da haben die Opfer aber noch “Glück !”, daß diese Fälle noch vor Gericht kommen, bei weniger spektakulären Fällen muß man sich anscheinend selber helfen!  “...weil sie die zwei Monate auch noch locker absitzen.”  Ich habe eine Sendung über einen Rentnerknast gesehen, da geht es fast zu wie in einem Luxushotel. Ein Insasse möchte gar nicht mehr raus, er ist über 70 Jahre alt und hat keine Angehörigen. Die Rentner können raus in den Garten, viele machen Gartenarbeit oder kochen, jedefalls waren diese Menschen anscheined froh in diesem Knast gelandet zu sein, der sehr menschenfreundlich ist. Vor allem ist dort KEINER Alleine !! NOT schweißt nämlich zusammen !  “Ist das Paranoia oder erleben wir hier die Vorstufe eines Bürgerkrieges, bestehend aus Verrohung, Verachtung, Verzweiflung und Respektlosigkeit? Was ist los in diesem Land? Mit seinen Bürgern? Alle bekloppt geworden?  Sie haben vergessen zu fragen WAS IST LOS MIT DEN (allermeisten) POLITIKERN !! Foto: Timo Raab

Jürgen Albrink / 21.07.2019

Wir lesen oder erleben diese Dinge tagtäglich. Und wenn man Kritik übt, wird die gesagt, was du doch für ein menschenverachtender rechter alter Sack bist. Mir geht es wie Heiko Engel hier schreibt, alle meine Werte, die ich in meinem Leben vermittelt bekommen habe, werden auf den Kopf gestellt. Wir lassen uns von den sogenannten “Migranten” erpressen, indem die in ein Gummiboot steigen und sich von uns retten lassen. Die müssen wir dann auf “Befehl” von unseren Grünen und Linken quasi als Belohnung für ihr schlimmes Schicksal nach Europa bringen. Und zu allem Wahnsinn werden die Grünen und Linken dann auch noch von den Bürgern unseres Landes gewählt. Das ist dann für mich der Super-Gau der Bekloppten.

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