Silvester: Bann statt Böller?

„Was mich tröstet: Wenn irgendwann alles verboten wird, was nervt, dann wird es auch die Deutsche Umwelthilfe nicht mehr geben.“ (Dieter Nuhr)

Nachdem das Bleigießen letztes Jahr einem EU-Verbot zum Opfer gefallen ist, steht nun ein noch populärer Silvesterbrauch auf der Abschlussliste. Nein, nicht „Dinner for one“ wegen des Brexits, sondern das alljährliche Feuerwerk, das in Deutschland viele Menschen vor der Tür, auf der Terrasse oder an belebten Plätzen veranstalten. Der Berliner Senat hat ein paar Feuerwerksverbotszonen ausgewiesen und außerdem die Kampagne „Knutschen statt Knallen“ initiiert. Das erinnert an „Brot statt Böller“, die Spendenaktion von Brot für die Welt, die seit den 1980er Jahren läuft. Um die Welternährung geht es Feuerwerkskritikern heute aber nicht mehr.

„Die Silvesterknallerei löst bei Tieren pure Panik aus. Zudem wird die Umwelt massiv durch Schadstoffe belastet“, beklagte schon 2018 der Naturschutzbund; eine Online-Petition einer saarländischen Pferdenärrin bei change.org erhielt Zuspruch für ihre Forderung eines „generellen und ganzjährigen Verbots des Zündens von Feuerwerken für Privatpersonen“. Die Dame bringt jetzt eine neuerliche Petition ein, und zwar in Zusammenarbeit mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Dieser mit staatlichen Subventionen und Abmahnlizenz versehene Lobbyverein hat bei 98 Städten von Aachen bis Zwickau für ein örtliches Verbot der Neujahrsknallerei geworben und strebt eine Gesetzesänderung auf Bundesebene an, die es den Kommunen erleichtern soll, den Bannhammer gegen die Böller zu schwingen.

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch beklagt „verpestete Luft, brennende Häuser, verletzte Menschen und verängstigte Tiere durch archaische Schwarzpulver-Böllerei“. In der Silvesternacht geht es offenbar zu wie in Dresden ’45. In der Tat, nach Vereinsmeinung „herrscht […] zum Jahreswechsel ein regelrechter Ausnahmezustand.“ Muss nach dem Klima- nun auch der Pyro-Notstand ausgerufen werden?

Eingebildete Gesundheitsgefahren

Gerade der Ausnahmezustand spricht allerdings gegen die Problematisierung des Feuerwerks. Silvesterraketen und Böller werden nach Mitternacht meist nur ein halbe Stunde verstärkt abgefeuert und entzündet, dann beruhigt sich alles wieder. Tiere, und damit sind primär Haustiere gemeint, erleben und verkraften diesen Moment Jahr um Jahr erneut, ohne tot umzufallen oder sich wegen posttraumatischer Belastungsstörungen in langwierige Behandlung begeben zu müssen. Seit ewigen Jahrzehnten bereits.

Gleiches gilt für die einzige relevante, immer wieder angesprochene Umweltbelastung, nämlich den Feinstaub. „Etwa ein bis drei Stunden nach Ende des Feuerwerks sind die Werte wieder drastisch nach unten gegangen“, analysiert Holger Douglas die Daten des Umweltbundesamtes. „Nur bei Nebel dauert es etwas länger.“ In ländlichen Gebieten sind ohnehin kaum Ausschläge zu verzeichnen. Während die DUH von „Rekord-Feinstaubbelastungswerten“ spricht, ordnet Douglas die Zahlen ein: „Die Tageswerte liegen stets unter den EU-Richtwerten.“

Da sich der Pulverdampf so schnell verzieht, wirken auch Behauptungen der „Allergiker oder Asthmatiker“, die Resch zufolge gegenüber der DUH angeben, „sie können teilweise für Tage nicht in die Stadt hinein“, recht abstrus. Aber eingebildete Gesundheitsgefahren gehören ja in Öko-Kreisen zum guten Ton. Der Gängelungs-Lobbyist fügt seinen Wunsch hinzu, „dass in den Großstädten Familien mit ihren Kindern zu Silvester auf die Straße können“. Wozu sie – und gerade die Kinder! – allerdings kaum noch Anlass hätten, wenn sie keine Böller und Raketen mehr in die Luft jagen dürften. Aber halt, die Umwelthilfe hat doch gleich eine Alternative parat: „‚Silvester 2.0‘: Licht- und Lasershows wie in Landshut“. Eine formschöne Alliteration, aber kein brauchbares Substitut für den beliebten Volksbrauch. Ganz abgesehen von der sogenannten „Lichtverschmutzung“, über die manche Zivilisationsskeptiker dann verstärkt jammern würden.

Wenn das Feuerwerk also unbedingt sein muss, dann doch wenigstens eingehegt als  „‚öffentliche‘ Lösung an tollen Plätzen beziehungsweise Stadtteilen in geordneteren Bahnen“, wie ein Edeka-Unternehmen aus dem schleswig-holsteinischen Neumünster vorschlägt. Dieses weigert sich nämlich dieses Jahr, ihren Kunden Böller zu verkaufen. Mit beidem steht es nicht allein. Verschiedene Supermarktfilialen bieten keine Silvesterraketen mehr an, die Baumarktkette Hornbach will ab 2020 darauf verzichten. Und den Vorschlag, den einzelnen Bürgern die Möglichkeit zu nehmen, selbst Knallkörper zu entzünden, unterstützen auch andere. Eine Lokalredaktion der Westfalenpost im Sauerland zum Beispiel regt ebenfalls „ein zentrales Feuerwerk als Lösung“ an – für ein nicht bestehendes Problem.

Auf die Sensibilitäten ihres Hundes zugeschnitten

Denn selbst wenn man zur ‚Klimakeule‘ greift – ein Zusammenhang zwischen Silvesterfeuerwerk und Klimapolitik wird zwar gelegentlich hergestellt, besteht aber nicht –, lassen sich keine rationalen Gründe finden, warum etwas abgeschafft werden sollte, was seit Jahrzehnten funktioniert (von ein paar Unfällen freilich abgesehen). Vielmehr geht es darum, die Freiheit der Menschen weiter zu beschneiden und eine gesellschaftliche Tradition zu kappen. Der Einzelne ist in seinem Spielraum, wann er welche Feuerwerkskörper erwerben und verwenden darf, ohnehin sehr eingeschränkt.

Im paternalistischen Klima des Aussteigens, Reduzierens und Abschaffens (Atom- und Kohlenergie, Glyphosat, Tabak, Zucker, Fleisch, Dieselfahrzeuge, legale Waffen, …) fühlt sich jeder mit einer Verbotsagenda berufen, immer weiter reichende Einschränkungen zu propagieren, und das Publikum greift gerne zumindest die Restriktionen auf, die einen selbst nicht betreffen. Als sei das Leben auf ihre Sensibilitäten (oder die ihres Hundes) zugeschnitten. Auffällig dabei: Zumeist geht es gegen materielle Vorlieben der Massen, und regelmäßig ist es das grüne Spießbürgertum, das am lautesten nach Repression schreit.

Die Idee zentraler Feiern passt dabei ins Bild: Statt dass Bürger und Familien selbst bestimmen, wo und was sie in den Himmel jagen, sollen Politiker und Bürokraten die Macht erhalten, darüber zu entscheiden. Funktionäre, die besser zu wissen glauben, was für die Menschen gut sein soll. Solcherlei städtisch beziehungsweise staatlich betreutes Feiern kann dann einfacher kontrolliert oder sogar gestoppt werden, wie etwa beim Konstanzer Seenachtsfest mit seinem Feuerwerk. Die flächendeckende Umsetzung würde übrigens schon daran scheitern, dass „in Deutschland nicht annähernd genug Pyrotechniker“ dafür zur Verfügung stünden. Daher sollte man es dabei belassen, dass wir zu Silvester alle selbst zu Feuerwerkern werden können.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Novo-Argumente.

Foto: Rolf Cosar CC BY 2.5 via Wikimedia Commons

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Peter Günther / 30.12.2019

Mal abgesehen davon, dass ich als stolzer Besitzer eines Lungenemphysems mich seit Jahren an Silvester um Mitternacht nicht mehr in die wabernden Nebelschwaden hinauswage - die Knallkörper werden immer großkalibriger, und die Zahl der Idioten wächst rasant: In meinem Heimatstädtchen muss man schon lange vor Mitternacht damit rechnen, dass man auf der Straße einen Böller vor den Latz bekommt, dass jemand Raketen waagerecht in die Menge schießt oder den lautestmöglichen Knallkörper in die voll besetzte Bahn schmeißt, bevor die Türen zugehen. Wie wäre es mit einem Kompromiss: Geballert und geböllert werden darf von 23.00 bis 01.00 Uhr nach Herzenslust, davor und danach ist Ruhe im Karton?

Rex Schneider / 30.12.2019

Warum gelingt es der DUH nicht, Kriege zu verbieten?

Gabriele Kremmel / 30.12.2019

Seien Sie versichert: Auch diese kleinen Freuden werden uns verboten werden. Nein, nicht wegen der Umwelt und nicht wegen der Feuergefahr, auch nicht wegen des Hungers in der Dritten Welt - das alles war schon Thema in den 80ern und wiederholt sich jedes Jahr. Es wird verboten werden, um Polizei und Feuerwehr vor dem gezielten Beschuss mit Feuerwerkskörpern zu schützen. Wenigstens Berlin hat das offen zugegeben. Angenehmer Nebeneffekt: Feiernde und Kirchen wären auch vor dem zunehmenden gezielten Raketenbeschuss geschützt.

U. L. Kramer / 30.12.2019

In Hamburg gibt es auch Feuerwerksverbot, z.B. am Jungfernstieg. Ich gehe mal davon aus, dass sich an dieses Verbot lediglich Hans und Franz und Peter und Klaus halten werden. Diejenigen aber, die eigentlich der Auslöser für dieses Verbot gewesen sind, werden auch weiter böllern. Was soll ihnen denn passieren? Sie haben Kulturbonus und außer einer “Gefährderansprache” wird ihnen nichts geschehen. Feuerwerk an zentraler Stelle? Super Idee, besonders für die Leute auf dem Land, die dann mit ihren Autos in die Stadt fahren müssen um es sehen zu können. Anfahrt, Parkplatzsuche und Rückfahrt, das ist natürlich viel umweltfreundlicher. Hinzu kommt: selbst ich, die mit dem ÖPNV in die Stadt fahren könnte um mir ein zentrales Feuerwerk anzusehen, würde es nicht machen. Die Gefahr in der Menge auf Menschen zu treffen, die ihr neues Messer ausprobieren wollen oder die Gefahr, begrapscht zu werden, ist mir einfach zu groß. Auch in Hamburg gab es diese Massenbegrapschungen zum Jahreswechsel 2015/2016. Klima ist nur der Vorwand um das Verbot durchzusetzen. Der wirkliche Grund ist meiner Meinung nach ein anderer, nämlich das ausufernde und gefährliche Verhalten von Menschen die noch nicht so lange hier leben. Und um diese Menschen weiterhin gut alimentieren zu können, wird die CO2-Steuer eingeführt. Da traut sich dann Niemand mehr, dagegen zu sein. Man will ja keine alte Umweltsau sein, oder?

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