Henryk M. Broder / 15.03.2019 / 08:00 / 27 / Seite ausdrucken

Sie können mich gerne zitieren, aber nicht in Gänze

Nach der Verurteilung einer iranischen Anwältin zu einer mehr als drakonischen Strafe fragten nicht nur wir uns, was unser Bundespräsident jetzt unternehmen, ob er sich an seine Freunde in Teheran wenden und der Verurteilten Asyl in Deutschland anbieten wird. 

In einem ähnlichen Fall des saudisch-arabischen Bloggers Raif Badawi, der zu 10 Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben verurteilt wurde, hatten wir beim Außenamt nachgefragt, "ob die Bundesregierung, speziell der Außenminister, daran denkt, Raif Badawi Asyl in der Bundesrepublik anzubieten". Daraus ergab sich ein Notenwechsel mit der damaligen stellvertretenden Pressesprecherin des damaligen Außenministers F.-W. Steinmeier, Sawsan Chebli. Beide haben sich inzwischen beruflich verbessert. Steinmeier wurde zum Bundespräsidenten gewählt, Chebli avancierte zur Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in der Berliner Landesregierung von Michael Müller. Die "Frage des Asyls" für Raif Badawi stellt sich freilich immer noch nicht.

Zurück zum Fall der iranischen Anwältin Nasrin Sotudeh. Wir haben im Präsidialamt angefragt, "ob der herr bundespräsident seine guten kontakte zur iranischen staatsführung nutzen wird, um der menschrechtlerin nasrin sotoudeh zu helfen" und bekamen darauf eine Antwort, die so klang, wie sie gemeint war: Radikal unverbindlich.

Sehr geehrter Herr Broder, vielen Dank für Ihre Anfrage... 

Der Bundespräsident setzt sich regelmäßig in Gesprächen mit seinen Amtskollegen und mit anderen ausländischen Persönlichkeiten aktiv für individuelle Menschenrechtsfälle ein. Die verurteilte Anwältin Sotoudeh engagiert sich friedlich für Menschenrechte in ihrem Heimatland und nimmt dabei u.a. ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahr. Das gegen sie ergangene Urteil ist daher in keiner Weise nachvollziehbar oder gerechtfertigt.

Sie können mich gerne zitieren mit „eine Sprecherin des Bundespräsidenten“. Ich möchte Sie herzlich bitten, unsere E-Mail-Kommunikation dieses Mal nicht in Gänze online zu stellen. Das wäre sehr freundlich.

Beste Grüße und herzlichen Dank,

Esther Uleer

Ich bin gerne behilflich, wo ich nur kann. Und ich lerne dazu. Der Bundespräsident setzt sich aktiv für individuelle Menschenrechtsfälle ein. Die verurteilte Anwältin Sotoudeh engagiert sich friedlich für Menschenrechte. So kann man auch Adjektive missbrauchen. Aber – "jesh gvul", es gibt eine Grenze. Und so musste ich mich der Bitte von Frau Uleer verweigern.

sehr geehrte frau uleer,

ich fürchte, ich kann ihrer bitte nicht nachkommen... wir korrespondieren miteinander ja nicht über private gewohnheiten oder vorlieben. auch nicht über sicherheitsrelevante belange der bundesrepublik. meine letzten anfragen bezogen sich auf die gäste des bundespräsidenten beim empfang für den türkischen staatspräsidenten und auf die glückwunschtelegramme, die das präsidialamt an die repräsentanten des iranischen regimes seit 1980 verschickt hat. 

im vorliegenden fall geht es darum, was ein bundespräsident, der sich stets moralisch gebärdet, tut bzw. unterlässt, wenn im iran eine anwältin zu einer unfassbaren strafe verurteilt wird, weil sie sich für menschenrechte eingesetzt hat.

ihre antwort auf meine anfrage ist extrem unbefriedigend und auf eine geradezu beleidigende weise evasiv. meinen sie, mir wäre nicht klar, dass das urteil "in keiner Weise nachvollziehbar oder gerechtfertigt" ist? 

also noch einmal: hat der bundespräsident die möglichkeit in erwägung gezogen, Nasrin Sotoudeh asyl in der bundesrepublik anzubieten? oder hat er es bereits getan, über die üblichen back channels? mit den besten grüßen

ihr hb

Jetzt schaun mer mal, dann sehn mer scho.

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Leserpost

netiquette:

Ludeloff Klaus / 15.03.2019

War das ein Rest von Schamgefühl, das zu der Bitte um Nichtveröffentlichund des Briefwechsels führte, oder nur das Eingeständnis totalen politischen Versagens?

Sanne Weisner / 15.03.2019

Das war wohl eher eine rhetorische Frage, natürlich steht unser nichtgewählter weil im Hinterzimmer von der GroKo ausgekungelter Bundespräsident fest zu seien iranischen Mullahfreunden. Genauso fest wie zu seinen wahabitischen Freunden aus Saudi Arabien.

Paul Braun / 15.03.2019

Vielleicht tut es ja ein Protestschreiben… Möglicherweise hilft es aber auch schon, wenn die hiesigen “Iranversteher” die Gangart verschärfen. Motivationshilfe dafür wäre bestimmt, wenn sie Nasrin Sotudeh zunächst mal die 149 Peitschenhiebe abnehmen würden. Das täte wirklich mal weh und ließe die Apologeten des iranischen “Way of life” verstehen, mit wem man da gut Freund sein möchte und Geschäfte macht. Aber bitte keine Dämonisierung!

Sven Kaus / 15.03.2019

Lieber Herr Broder, wir wollen doch nicht die starke und wunderbare deutsch-iranische Freundschaft mit solchen Einzelschicksalen belasten. Also, bitte. Und halten Sie den Bundespräsidenten nicht mit kleinlichen Anfragen von seiner verdienstvollen Arbeit ab!

Jochen Wegener / 15.03.2019

Aber warum sollte die Bundesregierung denn Asyl anbieten wenn sie doch damit beschäftigt ist Tag für Tag rund 500 Einwanderer, davon etwa 80 Prozent ohne jegliche Papiere, also auch mögliche Terroristen oder nur gewöhnliche Verbrecher, über die Grenzen ins Sozialparadies einzulassen? Wer also will, kann ja kommen, die Einladung gilt schließlich für alle.

Christina S. Struve / 15.03.2019

Lieber Herr Broder, ich finde, das Team der Achse sollte endlich folgendes Volksbegehren oder eine Petition starten: Neuer Bundespräsident mit sofortiger Wirkung Herr Henryk M. Broder! In diesem Sinne ein schönes Wochenende!

Manfred Zonker / 15.03.2019

Lieber Herr Broder, ich finde Ihre Art von Penetrantz in dieser Sache einfach großartig! Es gelingt Ihnen damit immer wieder, unsere Repräsentanten vorzuführen und bloßzustellen. Und dann stehen sie da wie der nackte Kaiser im bekannten Märchen.  

Wilfried Paffendorf / 15.03.2019

Herr Broder. Glauben Sie, dass das Bundespräsidialamt in Gestalt der Frau Esther Uleer Ihnen antwortet? Ich habe Zweifel. Noch eines: Das Bundespräsidialamt möchte Sie mit der Bitte um Unterschlagung eines Teils ihres beiderseitigen E-Mail-Verkehrs zum Komplizen einer Politik des “unter-den-Teppich-Kehren” machen. Ein freches Ansinnen. MfG

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