Rainer Bonhorst / 08.02.2019 / 06:15 / Foto: Pixabay / 20 / Seite ausdrucken

Sie hat unser Traum-England geschaffen

Mitten im Brexit-Tumult sollten wir an England als deutschen Sehnsuchtsort denken. Dieses England hat für uns die jetzt verstorbene Rosamunde Pilcher geschaffen, unterstützt von der Drehbuchautorin Inga Lindström. 

Gemeinsam haben sie ein England, genauer: ein Cornwall entstehen lassen, von dem Millionen Deutsche träumen. Und nicht nur träumen: Pilgerreisen an die Pilcher-Drehorte im Südwesten der Insel gehören zum festen Programm von Millionen Anglophilen mit deutschem Pass. Ob sie demnächst, nach einem chaotischen Brexit, tatsächlich einen Reisepass statt des Ausweises mit auf diese Pilgerreisen nehmen müssen, soll hier nicht weiter erörtert werden. Sicher ist, dass nach dem Tod der Autorin die Reisetätigkeit eher noch zunehmen wird.

Rosamunde Pilcher hat so fleißig geschrieben, dass sie nicht nur Cornwall sondern auch Schottland, wo sie lebte, auf die Traum-Landkarte der Deutschen gesetzt hat. Ich bin kein Literatur-Professor und werde darum keine literarische Würdigung der Autorin wagen. Andererseits kann wohl nur jemand, der kein Literatur-Professor und darum nicht der hochgestochenen Wortkunst verpflichtet ist, das Schaffen der Britin einigermaßen gerecht beurteilen. Schließlich ist ihr ein fester Platz in der Schublade der Trivialliteratur zugewiesen. Passt schon. Aber ich bin, ohne die Dialektik bemühen zu wollen, der Ansicht, dass Quantität irgendwann in Qualität umschlägt.

Die britische Oberklasse, wie sie sich gerne hätte

Nicht nur, dass es Rosamunde Pilcher gelungen ist, zwei ganze Regionen der britischen Insel, die weit vom schlagenden Herz namens London entfernt sind, ins Zentrum unseres Bewusstseins zu rücken. Sie hat es in hinreißender Unermüdlichkeit getan. Eine schier endlose Reihe an Romanen und Erzählungen hat sie hingekriegt, seit sie mit 15 anfing zu schreiben. 

Das Schreiben lag ihr im Blut. Es ist kein Zufall, dass Rosamundes Geburtsname Scott lautet. Der bedeutende schottische Schriftsteller Walter Scott war ein, wenn auch nicht ganz naher, Vorfahre. Den großen Durchbruch schaffte sie mit dem Roman „Die Muschelsucher“ (The Shell Seekers), der allein in Deutschland mehr als eineinhalb Millionen mal verkauft wurde. Weltweit brachten es ihre Bücher auf eine Auflage von über 60 Millionen, ohne dass in ihren Geschichten jemals ein jugendlicher Zauberer namens Harry erschien.

Erschienen ist die britische Obergesellschaft, wie sie sich wohl selber gerne hätte: zwar von Liebesproblemen geplagt, aber von blendend attraktiver Vornehmheit. Auf jeden Fall so britisch, wie wir Deutsche uns die Britishness wünschen. 

Das allein hat aber nicht Pilchers Erfolg in Germany herbeigeführt. Ihre kongenialen Helfer waren die Drehbuch-Autorin Inga Lindström und der Fernsehredakteur Claus Beling, die die Pilcher-Welt auf den deutschen Bildschirm gebracht haben. Beling, ein England-Kenner, der unter dem Pseudonym Thomas Chatwin selber Cornwall-Krimis geschrieben hat, holte mit den Pilcher-Geschichten eine Knüller-Serie ins ZDF, die sich seit über zwanzig Jahren hält und in bald 150 Variationen das deutsche Briten-Herz erfreut.

Sämtliche Lands-End-Kataloge leergekauft

Den Fernsehfilmern ist es nicht nur gelungen, Pilchers Liebesgeschichten in den attraktivsten Landschaften und den schönsten Landhäusern der Insel zu platzieren. Sie haben ihre Darsteller auch so wunderbar britisch ausstaffiert, als hätten sie sämtliche Lands-End-Kataloge leergekauft. Wer diese feschen, frisch gebügelten Briten in der Realität sucht, wird so leicht nicht fündig werden. Aber die Landschaften und die Stately Homes sind auch durch eine teutonische Fernseh-Regie nicht einzudeutschen.

So kommt es dann, dass der Zuschauer, wenn er der Story-Linie und der Dialoge müde wird, immer noch die Möglichkeit hat, ohne Ton die unschlagbare Schönheit der Szenerien zu genießen. Und dieser Augengenuss ist es vor allem, der die deutschen Pilgerscharen in das Pilcher-Land lockt. Zu Recht ist der dafür verantwortliche Redakteur Claus Beling mit der Verdienstmedaille für den britischen Tourismus ausgezeichnet worden.

Wer ein anderes England erleben möchte, dem sei empfohlen, sich auf Youtube die Live-Übertragungen aus dem britischen Unterhaus zu Gemüte zu führen, vor allem die letzte zum Brexit. Das ist keine Fiktion, sondern das wahre Leben, aber genauso unterhaltsam, wenn nicht noch unterhaltsamer. 

Foto: Pixabay

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Steffen Lindner / 08.02.2019

Das wahre ( heutige) England: Fehlt da nicht noch etwas? Ich empfehle den Besuch von Birmingham oder verschiedener Stadtteile von London. Dort sieht es eher aus wie in Islamabad oder dem Libanon. Als im Jahre 2011 Brian True-May,der Produzent der ebenfalls sehr erfolgreichen Serie „ Midsummer Murders“( in D. „ Inspector Barnaby“) nach dem Grund der Beliebtheit gefragt wurde, antwortete er, das läge daran, dass keine Migranten mitspielen würden und das alte England von früher gezeigt werde. Er erntete den üblichen polit-korrekten „ Shitstorm“. Inzwischen wurde -mit neuem Produzenten und Hauptdarsteller- zeitgeistgemäss „ nachgebessert .

Sabine Schönfelder / 08.02.2019

Rosamunde Pilcher ist das ‘Opium fürs Volk’. Schmonzetten dienen der Ablenkung, emotionalisieren jenseits des Bildungsgrades, in erster Linie die Damen, und der Gatte schaut, aus paarbezüglichen Hygienegründen, mit. Der Sonntagabend stellt den GEZ-Zwangszahler vor die alternierende Entscheidungsmöglichkeite, Tatort mit pädagogischem Anspruch, oder Herz-Schmerz in Cornwall mit Happy-End aus dem Hause Pilcher zu wählen. Für mich eine Entscheidung zwischen Teufel und Beelzebub, ähnlich einer Wahloption zwischen Betroffenheits-Roth und Laber-Baerbock, und ein weiteres Zeichen der erzwungenen Alternativlosigkeit in diesem Lande. Doch viele Paare in meinem Bekanntenkreis, sogenannte Akademiker, die Samstags mit ihrem Körbchen samt Alpenprawda über den Wochenmarkt schlendern, kennen da bereits ihr Sonntagabendprogramm, Rosamunde Pilcher. Eine Bundestagsdebatte ( mittlerweile wieder eine der spannensten Sendungen, die Gniffke oder Frey mittlerweile anbieten) haben diese Paare noch nie angeschaut. “Dort sitzen jetzt ‘Nazis’ drin, schrecklich!” Ebensowenig die wirklich hoch interessante Aufbereitung englischer Demokratie im Unterhaus. Warum auch? Was man politisch ’ wissen muß’, steht schließlich in der Süddeutschen! Man weiß Bescheid!

Anders Dairie / 08.02.2019

Die Briten schotten sich nicht gegen die Osteuropäer ab, die mit rund 435 Tsd. nur etwa 1 % der Bevölkerung stellen. Die Polen werden als Verteidiger in der Luft-schlacht um England 1940 als Verbündete gesehen.  Eine Aversion gibt es nicht oder selten.  Hauptgründe für den Willen zum Brexit sind hauptsächlich zwei Tatsachen:  Die von der EU geforderte Personen-Freizügigkeit,  die angeblich zuviele Kulturfremde ins Land bringt   sowie die Zahlungen an die EU in Brüssel.  Letztere werden als rausgeschmissenes Geld gesehen,  ohne Nutzen für Britannien.  Wenn wir aufrichtig sind,  teilen die meisten Deutschen die beiden Gründe. Deswegen werden sie öffentlich nicht bestätigt.  Ein Verständnis für die Briten soll so nicht entstehen.  Englands Demokratiebeginn geht auf 1690 zurück und die “Bill of Rights”.  Wenn in brit.  Unterhaus die Whooling ausbricht, ist das ein Zeichen für deren Lebendigkeit.  Beklagen wir nicht den Automatismus Merkel-schen “Durchregierens”,  ohne harte Diskussionen im Bundestag?  Hier geht man soweit, wirkliche Opposition und Opponenten lügnerisch zu Nazis zu erklären.

Helge-Rainer Decke / 08.02.2019

Das ist etwas aufgeplusterte Melancholie Herr Autor. Die Schriftstellerin mag ihre Fans hier in Deutschland gehabt haben, in ihrer Heimat eher nicht. Für die Oma, das Tantchen und für Teile junger Mädchen in der Pubertät war sie eine Art Hedwig Courths-Mahler!

Frank Stricker / 08.02.2019

Selbst in der Tagesschau gab es ein kurzes Special von ca. 2 Minuten. Also wenn eine “Kitschautorin” stirbt , bleibt für Herrn Giffey von der Tagesschau mal kurz die Welt stehen. Wenn aber ein “Flüchtling” in Freiburg ein junges Mädchen brutal ermordet , handelt es sich um ein “regionales Ereignis” ( Giffey) , dass eh keinen interessiert………..

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