Chaim Noll / 29.01.2019 / 14:00 / Foto: Freud / 32 / Seite ausdrucken

Shoa als Seifenoper

Eugen Herman-Friede habe ich noch persönlich gekannt. Er war Berliner wie ich, doch einige Jahrzehnte älter. Entscheidende Jahrzehnte. 1991 besprach ich in der Zeitung Die Welt sein Buch „Für Freudensprünge keine Zeit“ über seine Jugend im Dritten Reich. Er schickte der Redaktion ein Foto, das ihn in der Uniform der Hitler-Jugend zeigte, das Foto wurde als Illustration zu meinem Text gedruckt, denn Eugen Friede hatte sich nur als Hitlerjunge kostümiert. Eine der Verkleidungen und Täuschungen, mit deren Hilfe er überlebte. Er war Jude.

Aus den Büchern und Lebensgeschichten von Eugen Friede und einigen anderen, die als Jugendliche in Berlin überlebt haben, ist ein Film gemacht worden, „Die Unsichtbaren. Wir wollen leben“Ich muss einräumen, dass ich ihn nicht gesehen habe. Und nicht sehen will. Auch Eugen Friede hat ihn nicht mehr gesehen, er ist im vergangenen Jahr gestorben. Gast der Uraufführung war Claudia Roth, eine Politikerin der Grünen, die für ihre innigen Beziehungen zum iranischen Mullah-Regime bekannt ist. Im Spiegel konnte man lesen7000 Juden versteckten sich nach 1941 mitten in Berlin, um der Deportation zu entgehen. Jetzt erzählen sie im Dokudrama „Die Unsichtbaren“ selbst ihre Geschichte - erschütternd und begeisternd.

Juden – ja. Israelis – nein?

Über das Wort „begeisternd“ bin ich beim Lesen des Textes, wie man so sagt, gestolpert. Es schien mir geschmacklos – besonders im Spiegel. Vielleicht, weil ich dort noch nie das Wort „begeisternd“ im Zusammenhang mit Israel gelesen habe. Es ist begeisternd, wie junge deutsche Juden in der Nazi-Zeit ihren Lebenswillen unter Beweis gestellt haben, aber nicht begeisternd, wenn es heute israelische Juden tun, sagen wir: unter Raketenbeschuss der Hamas. Der gerade wieder neue deutsche Hilfsgelder zuströmen, dieses Jahr deutlich erhöht, wenn auch verschämt verborgen als Zuwendung für das UNRWA genannte „Hilfswerk“ in Gaza. Das weitgehend von der Hamas kontrolliert wird und dafür sorgt, dass Etliches von der generösen deutschen Hilfe – 145 Millionen Euro sollen es in diesem Jahr sein – in den Raketenlabors dieser Kampfgruppe ankommt, die sich erklärtermaßen die Vernichtung der israelischen Juden zum Ziel gesetzt hat.

Wie soll man das nennen, diese seltsame Schizophrenie der „Begeisterung“, die einst von den Nazis bedrohten jungen Juden gilt, die inzwischen größtenteils gestorben sind, aber nicht jungen Israelis von heute? Diese Betroffenheitsreden an Gedenktagen, wenn man gleichzeitig von der Hamas kontrollierten Körperschaften Geld überweist, viel Geld, damit es den Terroristen in Gaza an nichts mangelt?

Der deutsche Außenminister Maas hat am 27. Januar eine Rede gehalten, zum „Internationalen Holocaust-Gedenktag“, er sorgt sich darum, dass „unsere Erinnerungs-Kultur bröckelt”. Sie bröckelt wie der Sand, auf den sie gebaut ist. Und nicht nur, wie Maas behauptet, weil sie „unter Druck von extremen Rechten“ stünde. Die Lüge ist kein haltbares Material. Wenn man sich daran „begeistert“, wie jüdisches Leben in der Nazi-Zeit gerettet wurde, zugleich den Judenmördern von heute mit Geld aushilft, dann ist Shoa-Gedenken nur noch eine Seifenoper.

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Leserpost

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Oliver Breitfeld / 29.01.2019

Die Toten kann man mit Worthülsen bedecken, den Lebenden aber muss man ins Gesicht schauen und ihren Widerspruch aushalten. So gehen viel zu viele Menschen den breiten einfachen Weg an dem die Heuchler Beifall spenden.

Ulrich Porstein / 29.01.2019

Ich wünsche mir, dass diese wenigen zeilen von Herrn Maas gelesen werden.

Wilfried Cremer / 29.01.2019

Auf eine ähnliche Art von schräg sentimentaler Begeisterung gründet der Erfolg von “Schindlers Liste”.

Dirk Jungnickel / 29.01.2019

Ihren Frust, lieber Herr Noll, kann ich nachvollziehen.  Der Spagat deutscher Politik wird uns eines Tage auf die Füße fallen. Dann nämlich wenn den Nahen Osten alle guten Geister verlassen sollten und die (schizophrene ! )  Außenpolitik Israel gegenüber auf den Prüfstand gerät. Es dürfte in der deutschen Politikerkaste dann bei jeder notwendigen militärischen Israel - Unterstützung ein Heulen und Zähneklappern ausbrechen. Und eine Bitte: C. Roth hat hier schon oft und zu recht am “intellektuellen Pranger” gestanden, verschwenden Sie keine Nerven wegen ihr.  Beim Spiegel ist das ähnlich, wobei er in Ihrem Zitat “nur” unglücklich formuliert.  Natürlich kann auch eine Doku begeistern,  aber eben eine Geschichte verfolgter   Juden selbst nicht.

Cordula von der Ropp / 29.01.2019

Danke, Chaim Noll, für die Benennung der Schizophrenie in diesem Land: für proisraelische Statements in Gesprächen erntet man in diesem Land v.a. Unverständnis. Es gibt ausserdem in meinen Augen untrügliche “Zeichen der Zeit”, wie man sie seit Jahren flächendeckend im ganzen Land und europaweit sieht: statt dem ehemals sechszackigen Weihnachts-Davids-Stern prangt und leuchtet heute an jedem deutschen Heim ein RAF-Stern, fünfzackig, damit ja keiner auf die Idee kommt, dass dieses kleine gefeierte Baby zeitlebens ein Jude war.

Andreas Rochow / 29.01.2019

Es gibt nicht wenige Kampagnen und Unterorganisationen der UN, die mit einer kranken Power den irren neuen Antisemitismus entfachen und denen dafür auch viel Geld zufließt. Die UNRWA ist darin ohne Zweifel führend und wirft mit ihrem schäbigen Tun ein katastrophal schlechtes Licht auf die UN. Politiker, die wollen, dass wir das anders sehen, haben auch auf anderen Gebieten mit der Wahrheit wenig am Hut. Sie verstecken sich lieber hinter politischen korrekten UN-Wahrheiten, die den Weltfrieden immer stärker gefährden!

Klaus Plöger / 29.01.2019

Außenministerium. Hier sitzt der Maas im feinen Anzug und schenkt den Palästinensern Geld. Die verteilen es dann weiter: an Leute, die Juden töten. Und der Minister sagt: diese Morde hätte er nicht bestellt.

Bernhard Maxara / 29.01.2019

Lieber Herr Noll, ich danke Ihnen für diesen Artikel. Ein ambitionierter Deutschlehrer veranstaltete 1965 mit uns damals siebzehnjährigen Berliner Gymnasiasten dankenswerter Weise eine Bildungsreise nach Israel. Unvergeßlich und in der Tat “begeisternd” waren zum einen die phänomenale Leistung, dem kleinen Wüstenland in nur 17 Jahren ein so vorbildlich, funktionierendes Staatswesen abzuringen, sowie zum anderen die unvoreingenommene, ja freundliche Haltung der gleichaltrigen “Sabres” uns Söhnen der Täter gegenüber. Jene Tage haben mich für mein ganzes Leben für Israel eingenommen. Nie hätte ich als Siebzehnjähriger gedacht, mich als Siebzigjähriger wieder für Deutschland schämen zu müssen. Wie konnte meine Generation das Aufkommen eines Geistes zulassen, wie er uns heute besonders bezüglich Israels aus Politik und Medien entgegenschlägt?

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