Josef Hueber, Gastautor / 06.10.2019 / 11:00 / Foto: Tomaschoff / 18 / Seite ausdrucken

Shakespeare als Politikversteher

Die Süddeutsche Zeitung hat Shakespeare schon einmal entdeckt als literarische Propagandahilfe. Heribert Prantl schrieb einst ein flammendes Plädoyer zu einem kleinen Buch, das er dummerweise vorher nicht gründlich gelesen hatte oder von dem er sich nur auf die Schnelle was bei einem Cappuccino hat erzählen  lassen: Die Fremden: Für mehr Mitgefühl. Herausgegeben und übersetzt von dem Literaturwissenschaftler Frank Günther. Die Achse hat darüber berichtet

Im Vorwort versuchte Prantl, als Interpret von Weltliteratur, ungeachtet philologischen Widerspruchs, Shakespeare im Hinblick auf die gegenwärtige politische Situation der Massenimmigration in Deutschland in die Pflicht zu nehmen. Nochmal: Dummerweise, denn Shakespeare hatte nach Aussage des Literaturwissenschaftlers so ziemlich genau das Gegenteil von dem gesagt, was er nach Prantl angeblich gesagt haben soll oder hätte sagen sollen. Summa summarum: Prantl liefert eine mutige, weil kenntnisfremde Hinführung zu dem jüngst als authentisch anerkannten Dramenfragment „Sir Thomas Morus“. Was dem Leser tatsächlich zugemutet wird, ist ein in der Geschichte der Literatur-Rezeption hinlänglich bekanntes Phänomen: Instrumentalisierung von Literatur durch zurechtgebogene, ideologisierte Interpretation.

Nun hat ein weiterer Autor der Alpenprawda, Gustav Seibt, auch mal in Shakespeare gekramt und den qua Ableben zum Schweigen gezwungenen Barden in die ideologische Pflicht genommen. Am 14. September anno 2019 schrieb er, offensichtlich emotional enthemmt, einen Artikel über die Ferienlektüre der Bundeskanzlerin Merkel mit dem Titel "Enthemmt". Lernbegierig, wie sie ist, geht es ihr, frei nach Seibt, selbst im Urlaub nicht bloß um entspannende Unterhaltung. Sie will stattdessen das „Wesen des Tyrannen“ kennenlernen und die „Unberechenbarkeiten der modernen Despoten“ verstehen.

Und da gibt’s ne Menge bei Shakespeare nachzulesen. Und vor allen Dingen eine Menge mit der Gegenwart zu synchronisieren, wenn es um zynische Diktatoren geht. Erkenntnisquelle ist Shakespeares Richard III. Vorsicht vor vorschnellen Schlussfolgerungen. Es geht NICHT um Nordkorea, China oder einen afrikanischen Menschenschinder, dessen Profil Seibt in dem bekannten Drama vom Dritten Richard vorweggenommen sieht und der deswegen auch so interessant für Merkel ist.

Williams Richard III und Donald Trump

Der belesene Leser ahnt es. Es geht um den Ganoven, der, das wissen wir von einem Titelbild der Relotiuspresse, der Freiheitsstatue den Kopf abgeschlagen und mit blutigem Schwert das Ende der Freiheit in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt herbeigeführt hat. Dem Merkel mit einem “Pff” während eines Pressetermins schon mal hatte merken lassen, was sie von dem Hinweis auf seine deutschen Wurzeln hält. Und der als einziger Staatsmann, vorausgesetzt, dass er überhaupt einer ist, der Heiligen Greta keine Beachtung geschenkt hat, als sie der ganzen Welt mit ihrer Hassrede vor den Vereinten Nationen gezeigt hat, wie man mit Wohlstand und CO2 zuerst ihre Kindheit zerstört hat, und jetzt den Globus zerstört. Jetzt ist es aber klar, oder? Es geht um Donald Trump.

Von dem wollte Angela was lernen, weiß Gustav Seibt, und deswegen las sie Williams Richard III, in dessen Protagonisten genetisch das angelegt ist, was bei Trump phänotypisch durchgeschlagen hat.

Anlass zu seinem Artikel fand Seibt beim Blick in Angela Merkels Büchertasche, die sie in den Urlaub mitgenommen hat. Ihre Wahl war die Studie „Der Tyrann“ eines  Shakespeare-Kenners, der eine „Typologie der Tyrannei, ihrer Entstehungsbedingungen, ihrer Wirkungsweise, vor allem aber den Charaktertyp des Tyrannen“ vorgelegt hat. Na, wenn das nicht passgenau auf den US-Trampel passt!

Vorsicht Sie könnten auf Othello stoßen

Richard III, ein Auswuchs an physischer und psychischer Abscheu ist die ideale Blaupause für linke Hassdenke. Sein „Verhältnis zum Gesetz“, sein „Vergnügen, es zu brechen“ und sein Mangel an Sinn für das „Gemeinwohl“ - die Liste der auf Trump übertragbaren Hässlichkeiten der Shakespearschen Ekelfigur ist unendlich.

Dass Merkel darin ihr geläufige Persönlichkeitsmerkale entdecken kann und den Umgang mit deren Trägern noch besser meistern will, „kann nicht überraschen“. Denn mit Ganoven dieser Wesensstruktur hatte sie immer zu tun: Sie kennt die „mühsamen Verhandlungen mit „selbstherrlichen, launischen und oft unberechenbaren Männern, Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan, Viktor Orban, vor allem natürlich Donald Trump“. Allesamt in den Augen Seibts Jacke wie Hose. (Boris Johnson und Matteo Salvini, so lehrt uns der Kenner, dräuen schon als Fortsetzung ihrer Diktatoren-Begegnungen.)

Das Umherirren von Seibt im polit-psychologischen Irrgarten freilich hat auch Beruhigendes. Trump sei ja letzlich nur ein „narzisstisches Riesenbaby“, das „ Macht immer wieder wie ein Spielzeug behandelt“.

Vorsicht, Herr Dschournalist, bei der Stellensuche in Shakespeares Dramen. Da könnten Sie auf „Othello“ stoßen. Mord, Eifersucht eines „Mohren“, der mit Sarotti wenig zu tun hat. Dann würden Sie, wer weiß, in dieser schaurigen Tragödie herausfinden, dass Shakespeare ein übler Rassist war. Von Shylock im Kaufmann von Venedig wollen wir erstmal gar nicht reden. Ein Rassist als Berater der Kanzlerin?

Aber wahrscheinlich war „Othello“ die Urlaubslektüre von Weidel, Gauland und Meuthen. Die wollten damit vermutlich ihre Kenntnisse über Rassismus und Nazitum vertiefen. Wäre das nicht ein Thema für einen weiteren schwer intellektuellen Süddeutsche-Beitrag?

Foto: Tomaschoff

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Leserpost

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Friedrich Neureich, ein Shakespeare-Fan / 06.10.2019

Ohne Übertreibung und Sarkasmus: Mit seinem Leiden an seiner eigenen Widerwärtigkeit, seiner subtilen Vorgehensweise, seinem Geschick darin, einen Gegner nach dem anderen mit eiskalter Berechnung auszuschalten und stets sowohl Sündenböcke als auch Troubadoure zu finden, seinem Verzicht auf jedes andere Ziel als die eigene Macht, zu der er sich gegen gut gespielten Widerwillen drängen lässt, und mit dem sich jedem Verständnis entziehenden Vermögen, trotz alledem vom Publikum frenetisch gefeiert zu werden, ist Richard III. tatsächlich eine Blaupause für Dr. Merkel.

Eberhardt Feldhahn / 06.10.2019

....dann hat diese deutsche Katastrophe ja viel autobiographisches gelesen

Dirk Jungnickel / 06.10.2019

Da fällt mir doch eher HAMLET , 1. Aufzug,  ein: “Etwas ist faul im Staate Dänemark”, im Original “Something is rotten in the state of Denmark.“,  beziehungsweise Deutschland, wo Prantls und Seibts ihr Unwesen treiben (können).

Leo Anderson / 06.10.2019

Widerlich, dieser Ergebenheitsjournalismus.

Detlef Dechant / 06.10.2019

Es wäre besser gewesen, Merkel hätte den “Zauberlehrling” eingepackt. “Die (grünen) Geister, die ich rief, die werd’ ich nicht mehr los!”

Dietrich Herrmann / 06.10.2019

Merkels Selbsterkenntnis-Lektüre.

Frank Dom / 06.10.2019

Prantl und Seibt können einen in der Tat fassungslos machen. Ihre Texte zeigen davon, dass es wirklich Paralleluniversen gibt. Eine wissenschaftliche Meisterleistung.

Gertraude Wenz / 06.10.2019

Alles, was da über Richard ||| gesagt wird, passt doch haargenau nur auf eine: Madame Merkel!

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