Ulrike Stockmann / 27.09.2020 / 06:25 / Foto: Achgut.com / 175 / Seite ausdrucken

Sexismus zum Lachen

Die Phönix-Sendung „Zoten, Sprüche, Herrenwitze: Die Sexismusdebatte“ vom 22. September hatte sich zum Ziel gesetzt, nach dem Fauxpas Christian Lindners gegenüber seiner ehemaligen Mitarbeiterin Linda Teuteberg auf den verschlungenen Pfaden des deutschen Alltags-Sexismus zu wandeln und tief in die Abgründe struktureller Frauen-Benachteiligung zu blicken.

Die Talk-Gäste bildeten eine sehr illustre Runde: SPD-Staatssekretärin Sawsan Chebli trat in der Rolle der chronisch Diskriminierten an (aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Herkunft), der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach mimte den konzilianten, aber humorvollen alten weißen Mann, der Männerforscher Christoph May sprengte alles, was ich in letzter Zeit im Comedy-Bereich gesehen habe, – und die Publizistin Birgit Kelle tat sich durch eine lockere, aber bestimmte Argumentation für einen entspannteren Diskurs hervor. Auch wenn Sie wie Herr Bosbach nur per Video ins Studio geschaltet wurde.  

Dass es ernst würde, merkte man schon, als Moderatorin Anke Plättner die Sendung mahnend und bedeutungsschwer begann:

„Herren sind herrlich und Damen sind dämlich – nein, so platt wie unsere Sprache es vermuten lassen könnte, so ist unsere Welt wirklich nicht mehr. Trotzdem – der Umgang von Männern und Frauen ist nicht wirklich entspannt. Und seit dem FDP-Parteitag am Wochenende mit einem sexistischen Witz haben wir wieder eine Diskussion. Ähnlich wie bei #MeToo und #Aufschrei. Wie schaffen wir also ein Miteinander, bei dem weder Geschlecht noch sexuelle Orientierung eine Rolle spielen? Oder ist das überhaupt gar nicht erstrebenswert? Zoten, Sprüche, Herrenwitze: Die Sexismusdebatte.“

Zunächst wurden noch einmal Ausschnitte des Ärgernisses auf jenem Parteitag gezeigt. Für alle, die es nicht mitbekommen haben: Es ging um Christian Lindners Worte anlässlich der Verabschiedung der Generalsekretärin Linda Teuteberg:

Lindner: „Ich denk gerne daran, Linda, dass wir in den vergangenen 15 Monaten ungefähr 300 Mal – ich hab mal so grob überschlagen – ungefähr 300 Mal den Tag zusammen begonnen haben.“

(Lindner schaut erwartungsvoll ins Publikum, schließlich gibt es ein paar Lacher. Blende auf Linda Teuteberg, die beschämt zu Boden blickt.)

Lindner: „Ja, ich spreche über unser tägliches morgendliches Telefonat zur politischen Lage, nicht, was ihr jetzt denkt.“

„Irgendetwas zwischen schlechtem Benehmen und Selbstgefälligkeit“

Moderatorin Anke Plättner fragt nun reihum die Gäste, was sie davon halten und beginnt mit Sawsan Chebli.

Sawsan Chebli: „Der Fall Lindner zeigt ganz deutlich, dass den meisten Männern gar nicht bewusst ist, wenn sie sexistische Bemerkungen machen und dass dieser unterschwellige Sexismus da ist, ohne dass ich ihn jetzt (als) Sexisten bezeichnen würde. Das ist ganz häufig so, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Sexismus inzwischen Alltag ist für viele Frauen. Sexistische Anfeindungen, sexistische Bemerkungen, Und viel Frauen schlucken das runter, sagen nichts, schweigen (…) Dieser Fall zeigt, dass wir wegkommen müssen von der Einzelfallbetrachtung von Sexismus hin zu der Frage: Wie können wir eigentlich Männer einbinden? (…) Alleine schaffen wir Frauen das eben nicht.“

Als nächstes wird Wolfgang Bosbach von der Moderatorin gefragt, ob er den Witz gut fand. Seine Antwort lautet:

Wolfgang Bosbach: „Also ich konnte da schon deshalb nicht drüber lachen, weil er 2017 eine ganz ähnliche Bemerkung gemacht hatte (…) damals ging es allerdings nicht um Frau Teuteberg, sondern um Claudia Roth. Auch damals konnte das Publikum nicht lachen, so ähnlich war es jetzt auch. Christian Lindner ist ein Profi, er hätte eigentlich wissen müssen, was aus einer solchen Bemerkung abgeleitet werden kann. Aber ich bin ganz sicher, dass er selber das nicht als sexistische Bemerkung machen wollte (…) Ich persönlich halte das allerdings nicht für einen Skandal. Es gibt Dinge, über die kann ich mich mehr aufregen.“

Moderatorin Anke Plättner fragt Birgit Kelle, ob sie die Aufregung, die dieser Vorfall auslöste, verstehen könne.

Birgit Kelle: „Ja und Nein. Einerseits würde ich sagen ‚Ja‘, weil dieser Spruch war sowas von unterirdisch und ich glaube, ich würde den allerdings nicht als Sexismus einstufen, sondern irgendetwas zwischen schlechtem Benehmen und Selbstgefälligkeit. Weil ich fürchte, dass Christian Lindner sich gerade auf der Bühne, als er den Spruch von sich gab, selbst ziemlich gut gefiel und überhaupt nicht realisierte, dass das ein ziemlicher Altherrenwitz ist (…) Gleichzeitig zeigt ja jetzt gerade auch die Reaktion auf Christian Lindner, dass der Schuss sowas von nach hinten losgegangen ist. (…) Insofern ist die Frage, ob die Debatte nicht gerade etwas aufgebauscht wird, wegen eines schlechten Witzes (…) Eigentlich sind wir schon enorm vorangeschritten (…) Man sieht, die Gesellschaft bewegt sich massiv in die Richtung, dass Männer heute massiv aufpassen müssen (…) was sie sagen (…)“

Anke Plättner: „Und finden Sie das gut oder finden Sie das nicht gut, dass Männer aufpassen müssen?“

Birgit Kelle: „Es ist immer eine Frage des Maßes (…) Das ist immer das Problem bei allen Sexismus-Debatten insbesondere, weil wir feststellen, dass diese Debatten immer nur in den Extremen geführt werden. Entweder nicht oder immer Hysterie (…)“

„Sie reproduzieren die männlich dominierte Kultur“

Der Vierte im Bunde, Männerforscher Christoph May, äußert sich zum Thema wie folgt:

Christoph May: „Also ein Altherrenwitz ist zunächst mal keine Banalität, sondern solche Aussagen sind sexistisch. In dem Moment, wo er’s gesagt hat, war’s sexistisch. Nach meinem Eindruck hat er’s sich zurechtgelegt, er hat’s wiederholt, er ist ein Sexist in dem Augenblick. Ich finde, man muss (…) jede sexistische Aussage von Männern absolut skandalisieren. Gerade jetzt in Zeiten nach #MeToo.“

(Birgit Kelle reißt ungläubig die Augen auf.)

Christoph May: „(…) Ich denke, was sich vor allem zeigt (…) dass sich hier Abgründe auftun. Auch in Bezug auf Lindner und Merz. Und diese Abgründe sind struktureller Natur …“

Anke Plättner: „Aber Christian Lindner hat sich ja entschuldigt.“

Christoph May: „Was tut das zur Sache?“

(…)

Christoph May: „Worauf ich hinaus will ist: Dass er im Grunde in seiner männlich dominierten Partei eine strukturelle Geschichte wiedergibt. Das heißt, die Gründe dafür, dass er so spricht, liegen tiefer. Ich hab das kurz rausgesucht: Der Männeranteil in der FDP und der CSU liegt bei 79 Prozent. In der CDU bei 74 Prozent. Bei der AFD, Männeranteil 83 Prozent.“

Anke Plättner: „Bei den Mitgliedern.“

Christoph May: „Bei den Mitgliedern. Und wenn sie in so einer männlich dominierten Kultur aufwachsen, dann reproduzieren Sie das. Dieser Frauenhass, dieser immanente, den Sie verinnerlicht haben, der wird einfach nur reproduziert (…)“

Anke Plättner: „Eigentlich alle Parteien sagen, wir müssen die Frauen fördern. Frau Chebli, Sie sind eine junge Frau, die in der SPD einen starken Aufstieg gemacht hat, Karriere gemacht hat, jetzt auch weiterhin, in den Bundestag will. Würden Sie sagen (…) für Frauen gibt es doch wahnsinnig viele Möglichkeiten?“

„Ich erlebe auch eine Gemengelage aus Sexismus und Rassismus“

Sawsan Chebli: „Wir sind in Deutschland insgesamt, nicht nur in der Politik, aber auch in der Politik, ganz weit weg von Chancengleichheit. Wenn Sie sich das Parlament anschauen, dann ist es immer noch so, dass die Parteien nicht paritätisch besetzt sind. Deswegen fordere ich ganz klar ein Paritätsgesetz. Ich möchte eine Quote durchsetzen. Wenn Sie sehen, wie die Lage in Führungspositionen in unserem Land ist, wir sind eines der am weitesten entwickelten Länder der Welt und trotzdem sitzen zu wenig Frauen in Führungspositionen (…) Das, was Herr May hier anspricht, das ist struktureller Sexismus, den wir angehen müssen. Warum kann jemand so etwas sagen? Was für ein Klima herrscht da vor?“

(…)

Anke Plättner: „Wird Ihnen weniger zugetraut, weil Sie eine Frau sind?“

Sawsan Chebli: „Ja, auf jeden Fall. Ich habe mit ganz anderen Stereotypen, mit ganz anderen Vorurteilen … Ich erlebe auch eine Gemengelage aus Sexismus und Rassismus, die extrem ist. Nicht nur in den sozialen Medien, sondern ich bekomme Briefe, ich bekomme Mails. Ich erlebe eigentliche jeden Tag Sexismus in meinem Alltag.“

(Woher nimmt die arme Frau nur die Kraft weiterzumachen, möchte man an dieser Stelle fragen. Vielleicht ist es für sie ein Trost, dass sie trotz oder gerade wegen des vielen Ungemachs sehr erfolgreich ist. Bis jetzt ist sie durch kaum mehr als das Verteilen von Sexismusvorwürfen und Integrations-Plattitüden aufgefallen und trotzdem möchte sie für den Bundestag kandidieren. Das heißt doch unterm Strich, dass Frauen es sich längst leisten können, genauso mittelmäßig wie viele Männer aufzutreten – und trotzdem Karriere machen können.)

„Ich bin immer ein Freund davon, dass man Ross und Reiter nennt“

Anke Plättner: „Frau Kelle, Sie wollten dazu etwas sagen.“

Birgit Kelle: „Ja, ich stelle fest, es gibt einfach unterschiedliche Wahrnehmungen, weil ich kann das, ganz ehrlich, für mich persönlich überhaupt nicht unterschreiben, dass ich feststelle, ich würde in einer sexistischen Gesellschaft leben (…) Gerade auch dieses Strukturelle würde ich absolut in Frage stellen, weil es ja auch unfair ist (…) Wer ständig von toxischer Männlichkeit oder strukturellem Sexismus redet …“

(Sawsan Chebli lächelt affektiert verunsichert.)

Birgit Kelle: „… nimmt ja im Endeffekt, sagen wir mal, eine Sippenhaft neuerdings wieder nach vorne. Ich würde doch sehr darauf beharren, dass auch ein Christian Lindner persönlich die Verantwortung tragen muss für das, was er sagt und nicht die Männer an sich, auch nicht die FDP (…) Auch in Gremien mit 100 Prozent Frauen erleben Sie Sexismus (…) Frauen untereinander können sehr, sehr übel sein (…) Ich wehre mich dagegen, dass alle (Männer) strukturelle Sexisten sein sollen.“

Anke Plättner: „Herr Bosbach, fühlen Sie sich in Sippenhaft gesteckt (…) weil Sie ein älterer Herr sind?“

Wolfgang Bosbach: „Ich weiß überhaupt nicht, warum man das eigentlich nicht konkret machen kann. Bei mir hat sich über mein Verhalten noch nie jemand beklagt. Und wer glaubt, dass er Grund zur Klage hätte, der möge es mir bitte sagen. Ich bin immer ein Freund davon, dass man Ross und Reiter nennt (…) Jetzt kommt eine wochenlange Sexismusdebatte (…) Ich persönlich kann mich in der Politik nur an einen Vorgang erinnern – neben der Causa Rainer Brüderle und Laura Himmelreich. Das war Jürgen Trittin, der vor einigen Jahren im Anschluss an eine Rede im Bundestag einer Kollegin aus der eigenen Fraktion intensiv nachgeschaut hat. Mutmaßlich an einer Stelle, wo man dann doch nicht hingucken sollte als Mann …“

(Sawsan Chebli grinst zunächst belustigt, schüttelt dann missbilligend den Kopf. Birgit Kelle fängt schallend an zu lachen.)

Wolfgang Bosbach: „Und da gab’s kurz Aufregung, aber Jürgen Trittin ist von den Grünen und damit war mir klar: Das ist nach ein paar Tagen vorbei, das gibt kein Nachspiel und genauso war es auch.“

(…)

Sawsan Chebli: „(…) Zu sagen, dass Herr Bosbach und die Mehrheit der Männer natürlich keine Sexisten sind, dass Komplimente Komplimente sein können und nicht alles gleich Sexismus ist, ist doch das eine. Aber das komplett zu negieren und zu sagen, ich darf die Männer nicht alle unter Generalsverdacht stellen, weil ich von strukturellem Sexismus rede, ist ja das andere.“

(Wolfgang Bosbach nickt zustimmend.)

(…)

„Ich bin Männerforscher, ich würde gerne nicht über Frauen sprechen.“

Anke Plättner: „Herr May, wenn Sie das hören, Herr Bosbach sagt, (…) bei mir hat sich noch nie jemand beklagt. Ist es nachzuvollziehen, dass sich Frauen auf jeden Fall beklagen würden, wenn sie ein Problem hätten?“

Christoph May: „Ich bin Männerforscher, ich würde gerne nicht über Frauen sprechen. Ich denke, wir haben hier ein Männerproblem. Herr Bosbach möchte, dass ich das konkretisiere, ich bin der Wissenschaftler in der Runde, dann habe ich hier eine Zahl für Sie: 91 Prozent der Gemeinden und Städte in Deutschland werden von Männern geführt. Also es gibt mehr Bürgermeister, die Thomas heißen, als Bürgermeisterinnen. Die Wirtschaft blockiert Gleichstellung seit Jahrzehnten. 80 Prozent aller deutschen Unternehmen werden ausschließlich von Männern geführt (…)

Wir brauchen auch keine Frauenquoten. Wenn wir von Frauenquote im Feminismus sprechen, dann fühlen sich Männer – meiner Erfahrung nach, in meinen Workshops – nicht angesprochen (…) Ich rede gern von Männerlimits. Wir müssen hier Limits setzen. Wir müssen dafür sorgen, dass Männer ihre Männerbünde aufbrechen, diese Männerbünde überhaupt erkennen und diese strukturelle Gewalt im Grunde (…)“

(…)

Christoph May: „Toxische Männlichkeit ist eine strukturelle Geschichte (…)“

(Moderatorin Anke Plättner schaut ihn an, als hielte sie ihn für schwachsinnig.)

Christoph May: „Ich reproduziere das in meinem privaten Alltag. Egal ob ich mit meinen männlichen Freunden in die Kneipe gehe. Ich reproduziere das, wenn ich das nicht aufbreche, bis hin zum Fußballverein. Bis hin zum Kinderzimmer meines Sohnes, der keine weiblichen Vorbilder an der Wand zu hängen hat.“

(Dieser Mann ist doch wirklich eine Offenbarung! Wenn es ihn nicht gäbe, müsste man ihn glatt erfinden. Wobei – eine derartige Karikatur kann man sich eigentlich kaum ausdenken …)

„Es sollen doch die Mitglieder frei entscheiden!“

Birgit Kelle: „Ich frage mich gerade wirklich irgendwie, ob wir im selben Land leben, weil ich das einfach so nicht unterschreiben kann (…) Was wir hier gerade tun, ist, dass wir Zahlen mit Qualität verwechseln. Oder dass wir aus einem zahlenmäßigen Überschuss sofort ein Problem konstruieren, obwohl das Problem gar nicht da ist.“

(Christoph May zieht die Stirn hoch.)

Birgit Kelle: „(Ich wende mich) gegen eine Debatte, die einfach nur Parität herstellen will, als wäre die Parität in irgendeiner Form die Lösung aller Probleme (…) Ich glaube, wir brauchen eher eine Debatte über die Frage, ob wir nicht alle insgesamt viel zu überempfindlich inzwischen geworden sind …“

(Sawsan Chebli murmelt etwas und schaut genervt zur Seite.)

Anke Plättner: „Herr Bosbach (…) Was hindert Frauen, um gleichwertigt Anteil zu nehmen an der politischen Arbeit, zum Beispiel in Ihrer Partei?“

Wolfgang Bosbach: „Nicht das Recht, sondern der praktische Lebensalltag, indem es Frauen – jedenfalls sehr, sehr häufig – viel schwieriger haben als Männer, alle Herausforderungen und Aufgaben unter einen Hut zu bringen (…) Ich habe das selbst erlebt bei meiner Nachfolge. Als ich nicht mehr für den deutschen Bundestag kandidiert habe, wurde eine Nachfolgerin, ein Nachfolger gesucht. Es gab vier (Bewerber), eine Frau, drei Männer. Gewählt wurde der Mann. (…) Es sind viel häufiger Männer, die aufgestellt werden als Frauen. Da der weit überwiegende Teil der Abgeordneten direkt gewählte Abgeordnete sind und nicht über die Landesliste kommen (…) ist das ein Grund, warum Männer überrepräsentiert sind.“

Anke Plättner: „Heißt das, Sie sind für ein Männerlimit dann?“

Wolfgang Bosbach: „Nein, ich bin dafür, dass wir das Quorum, was wir jetzt haben beibehalten. Es sollen doch die Mitglieder (…) frei entscheiden! Es wird doch nicht von der Parteiführung entschieden. Es wird auch nicht von einer Satzung festgelegt (…) Dann entscheiden die Mitglieder souverän. Und das halte ich auch für richtig.“

(…)

„Wir Frauen werden diesen Kampf allein nicht gewinnen“

Anke Plättner: „Herr May, was müsste man tun, damit (…) Herrn Lindner sowas gar nicht mehr passiert?“

Christian May: „Wir müssen diese Männerbünde aufbrechen. Wir müssen Männern überhaupt erstmal ins Bewusstsein rufen, dass sie sich in diesen männlichen Monokulturen bewegen…“

Anke Plättner: „Männerbünde klingt negativ, aber Frauensolidarität wäre was, was positiv wäre?“

Christian May: „Ich finde, Männerbünde klingt überhaupt gar nicht negativ (…) (Wir müssen das aufbrechen), weil es alles dominiert (…) Wo sind die Männer, die sich für Frauenrechte einsetzen? (…) Warum stehen die Männer hinter Lindner, in dieser männlich dominierten Partei, nicht auf und protestieren dagegen, was er gesagt hat?“

Sawsan Chebli: „Ich glaube, das ist wirklich ein Knackpunkt. Wir Frauen werden diesen Kampf allein nicht gewinnen (…)“

Christian May: „Aber diese männlichen Monokulturen, die halten dicht, das sind Schweigekulturen, das müssen wir uns immer wieder bewusst machen. Das sind Blockadekulturen. Die blockieren im Grunde alle Bewegungen, die hier gerade stattfinden und unsere Gesellschaft voran bringen.

(…)

Birgit Kelle: „Herr May, in allen Ehren, dass Sie sich für die Frauen einsetzen wollen, aber ich glaube, dass wir Frauen grundsätzlich auch alleine eigentlich klarkämen. (…) Genau genommen empfinde ich das immer noch viel mehr degradierend, wenn Männer jetzt glauben, sie müssten uns über die Straße helfen (…) Ich sehe gar nicht die Männerbünde, die wir in diesem Thema aufbrechen müssen, weil Männer sind schon lange aus dem Diskurs geworfen worden, wenn es um die Frage geht, wie Männer sein sollen.“

(…)

Anke Plättner: „Herr Bosbach, haben Sie den Eindruck, dass (…) Männer sich jetzt nicht mehr frei bewegen können? (…)“

Wolfgang Bosbach: „Och nö, da mache ich mir an der Ecke wirklich keine Sorgen. Ich mache mir eher eine andere Sorge: Dass niemand mehr mal richtig geradeaus spricht, mal – umgangssprach formuliert – einen raushaut, weil es ja in Deutschland 2020 nicht mehr darauf ankommt, was man tatsächlich gesagt hat (…) es kommt ja nur noch darauf an, was man aus einem Satz machen kann (…)“

„Aber jetzt schmeißen Sie auch alle älteren, weißen Herren in einen Topf.“

(Im nächsten Punkt geht es um den „Fall Merz“: Seine Antwort auf die Frage, ob er sich einen schwulen Bundeskanzler vorstellen könnte – die er bejahte und anschließend erklärte, dass sexuelle Orientierung Privatsache sei, es sei denn, es gehe um Pädophilie –, stieß bei Jens Spahn auf Unverständnis, da aus dessen Sicht Merz Homosexualität und Pädophilie zusammengerückt hätte.)

(…)

Christian May: „Friedrich Merz verkörpert eine ganz, ganz starke traditionelle Männlichkeit, konservative Männlichkeit.“

Anke Plättner: „Ist das etwas Negatives?“

Christian May: „Ja, ich würde schon sagen, dass das etwas Negatives ... es ist zumindest etwas total aus der Zeit Gefallenes, es ist was Reaktionäres.“

(…)

Anke Plättner: „Was wäre für Sie, Herr May, ein Gradmesser, wann etwas sexistisch oder diskriminierend ist? Ist es die Empfindung desjenigen, der es hört?“

Christian May: „Der einzige Gradmesser dafür muss sein, dass sich Herr Spahn hier angegriffen gefühlt hat. Und dass das (…) standardisierte heteronormative, weiße, westliche Männlichkeitsdinge sind, die da zusammen geführt werden. Herr Merz ist in einer absoluten Machtposition, musste das nie in Frage stellen. Und plautzt da mit seinen Privilegien in die Debatte rein und dominiert das (…)“

Anke Plättner: „Aber jetzt schmeißen Sie auch alle älteren, weißen Herren in einen Topf.“

Christian May: „In diesem Fall ja, weil ich hier erlebe gerade, dass das relativiert wird, was Herr Spahn dort empfunden hat (…) Das ist einfach das letzte, was Herr Merz da gesagt hat.“

(…)

Sawsan Chebli: „Ich bin wirklich dafür, dass wir Debatten differenziert führen und nicht ständig in Extrempolen agieren. (…) Aber es gibt einfach Dinge, die gehen einfach so nicht. (…) Das, was Herr Merz gesagt hat, geht nicht. Und Herr Spahn hat das auch als beleidigend empfunden. (…) Wenn ich als Frau Sexismus erlebe und der Mann mir sagt, naja, das war nicht sexistisch, aber ich hab das als sexistisch erlebt, dann ist das natürlich ein Gradmesser (…)“

(…)

Birgit Kelle: „(…) Gerade das Zwischenmenschliche lebt ja davon, dass es auch das Zweideutige hat, wenn wir dieses Zweideutige nicht mehr zulassen wollen, weil wir sagen, wir wollen gerade auch die Kommunikation zwischen Mann und Frau in feste Regeln pressen, ich glaube, dass wir uns dann alle etwas nehmen gesellschaftlich…“

Anke Plättner: „Der Spruch von Christian Lindner, der war zweideutig. Und wenn Sie das so sagen, dann sagen Sie, da sollen wir uns jetzt alle mal locker machen? Vorhin haben Sie gesagt, der war nicht in Ordnung.“

Birgit Kelle: „(Beim) Spruch von Christian Lindner war sehr klar, dass er nicht in irgendeiner Form in einem privaten Kontext war und deswegen war er anzüglich und wurde von der Mehrheit auch genauso empfunden.“

Christian May: „Er war eindeutig sexistisch, das muss man sagen.“

(Verdreht die Augen.)

„Anzüglich!“

(…)

Anke Plättner: „Vielen Dank für die Diskussion, das wird uns bestimmt noch öfter mal beschäftigen …“

Foto: Ulrike Stockmann

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Leserpost

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Wiebke Ruschewski / 27.09.2020

@Archie W. Bechlenberg. Da liegen Sie wohl richtig. Vieles, das heute so ernst diskutiert wird könnte man fast für Satire halten. Auch ich bin gespannt, wie man in 20 oder 30 Jahren die heutige Zeit bewerten wird.

Wolfgang Voigt / 27.09.2020

Danke Herr Lehman, diese Erfahrungen habe ich auch gemacht. Ich habe mir in meiner Schulzeit Geld verdient u.a. im Fernmeldewerk Leipzig in Frauenbrigaden   ich habe dort etwas für das Leben gelernt u.a. das Arbeiten. Und, es hat mir nicht geschadet, im Gegenteil.  Um Erfahrungen für das Leben zu erwerben muß man über den Tellerand schauen können und vor allem bedarf es einen gesunden Meschenverstand. Man muß nicht jedes Wort des Gegenüber auf die Goldwage legen. Aber wir leben in einer Zeit wo auf Worte mehr Wert gelegt wird als auf Taten und Täter, so sie denn den richtigen Hintergrund haben. Man kann natürlich Mutig sein wenn man sich gegen die wendet, die Frauen durchaus achten und wo man mit dem Wissen auftreten kann das man jeden Mist ohne Konsequenzen sagen kann und vor allem auch noch von den Menschen die man anprangert und diskriminiert dafür bezahlt wird. Es gibt so viele Möglichkeiten Gleichberechtigung und Achtung einzufordern, man muß da z.B. nicht einmal in die Arabischen Staaten fahren um gelebte Frauenfeindlichkeit zu erleben, Neukölln würde schon reichen, aber dazu fehlt wohl der Mut dieser Damen und Herren dort einzuschreiten. Dort wo sich die Polizei auch nur in Mannschaftsstärke wagt einzuschreiten.      

Sonja Bauch / 27.09.2020

Es gibt so viel zu tun für Frau Chebli. In ihrem Kulturkreis ist es üblich, dass Eltern für ihre Kinder die Ehepartner auswählen. Nicht nur muslimische Frauen werden zwangsverheiratet, auch die Männer dürfen oftmals nicht selbst bestimmen, wer ihre Ehefrau werden soll. Am Tag der Hochzeit zieht, mit den Geschenken, dann auch noch das Unglück ins Haus. Für viele Muslime führen diese Zwangsverheiratungen zu großem seelischen Leid. Setzen Sie ihre ganze Kraft ein um diese Missstände abzuschaffen, Frau Chebli!

Sabine Schönfelder / 27.09.2020

Volker @Kleinophorst, der geht nicht nur, der ist richtig witziisch!! Außerdem, wer könnte Ihnen widerstehen, jetzt, wo wir alle wissen, daß Sie wie Sean Connery aussehen!! Sie haben sich nur noch nicht geoutet, an welche Lebensphase GENAU Sie dachten, so rein optisch,  als Sie von diesem, meiner Meinung nach attraktivsten, James-Bond-Darsteller sprachen?

Sabine Heinrich / 27.09.2020

Nachtrag: “Männerforscher” - oha - da hat es wohl bei dem Herrn nicht für einen vernünftigen Beruf gereicht. Macht nix - Hauptsache, die Forschungsgelder fließen! übrigens: Vor etwa 20 Jahren grölten viele Frauen mit Begeisterung das ironische Lied der Prinzen “Männer sind Schweine” mit - und sie meinten es ernst, hatten auch ihre z.T. sehr üblen Erfahrungen gemacht. Die Zeiten haben sich geändert - und ich habe im Laufe der letzten Jahre leider erkennen müssen, dass es neben vielen tollen, ehrlichen, liebenswerten Frauen genauso viele “Afteröffnungen” gibt wie bei Männern; sie haben z.T. nur andere Methoden, um diese Bezeichnung mit Recht tragen zu dürfen.

Sabine Heinrich / 27.09.2020

Vorweg: Ich habe mir dieses Interview nicht angetan - dafür ist mir meine Restlebenszeit zu wertvoll. Nur mal eine Frage: Hat sich Frau Chebli jemals kritisch über den offen zutage tretenden Sexismus ihrer männlichen Glaubensgenossen geäußert? Über deren unzählige “Antatschereien”, Vergewaltigungen und sogenannte “Ehrenmorde” (Ein viel zu netter Ausdruck für diese bestialischen Taten) auch hier in Deutschland?? Wohl nicht - den dann stünde sie wohl unter Polizeischutz.

Frank Stricker / 27.09.2020

Und ich dachte über Frau Chebli, wer einen dreijährigen Sohn zur Welt bringt, muß mindestens 2 G-Punkte haben….....

Ulla Schneider / 27.09.2020

Ich lese mich hier querbeet durch. Einen “Schonlangenbartwitz” kontert man. Wie wärs mit .... naja, über Wunträume könnte man ja reden oder hat da jemand Nachholbedarf…. - Frauen, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen, die weder Wind noch Teufel fürchten, haben damit kein Problem und ein sexistisches schon gar nicht. Punkt!  Sich übers Kaiser’s Bart streiten, ist reinweg lächerlich. Ich befürchte, dass ein Großteil der Männer die falschen Bekanntschaften haben, wenn sie so vor sich hin tröten. Von den Damen in der obersten Riege sind wir die Förmchensucherei ja gewöhnt. Aber, dass hier einige Damen, die nicht in diese Sandkastenspiele passen, sich verteidigen müssen, lässt aufhorchen. Jungs, wenn ihr so ein Frauenbild habt, dazu gehören übrigens immer zwei, bedauere ich das sehr. Frau Chebli ist nicht einmal die Ausnahme von der Regel. Und die Regel von der großen Regel sitzt in Berlin. Wenn sich da ein Mann einreiht, der offensichtlich mit seinen ” Couch-Männerkursen” nicht auf den grünen Zweig kommt, passt es doch. Oder soll ich jetzt sagen, alle Männer sind ........!  Anders herum, es gibt echt dufte Typen, männliche! -  Wie war das noch? Doof ist doof, da helfen keine Pillen, auch wenn du die ganze Apotheke frisst. In diesem Sinne, Kopf hoch, Jungs .....es geschehen immer noch Zeichen und Wunder!

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