Annette Heinisch / 07.01.2023 / 12:00 / Foto: European Parliament / 17 / Seite ausdrucken

Serie EU-Kommissare: Die Linksdigitale

Die dänische EU-Kommissarin Margrethe Vestager ist für „Ein Europa für das digitale Zeitalter“ zuständig. Sie gehört einer Partei an, die sich Radikale Linke nennt und ist zuständig für „Ein Europa für das digitale Zeitalter“.

Die EU-Kommission ist bekanntlich „die politisch unabhängige Exekutive der EU“, die aus 27 Mitgliedern besteht. 32.000 Bedienstete erledigen die laufenden Arbeiten. 

Dem Kollegium der Kommissionsmitglieder gehören neben der Kommissionspräsidentin acht (!) Vizepräsidenten einschließlich der drei Exekutiv-Vizepräsidenten, der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie 18 Kommissare für die einzelnen Ressorts an. Jedes der drei zentralen Themen der EU ist einem Exekutiv-Vizepräsidenten zugeordnet: Frans Timmermans ist für den „europäischen Grünen Deal“ (wir berichteten), Valdis Dombrovskis für die „Wirtschaft im Dienste der Menschen“ und Margrethe Vestager für „Ein Europa für das digitale Zeitalter“ zuständig.

Die Dänin, Tochter eines Pastorenehepaars, ist verheiratet und Mutter von drei Töchtern. Sie gehört der Partei „Radikale Venstre“ (RV; übersetzt: Radikale Linke) an, welche als linksliberal bezeichnet wird. Diese war von einem ihrer Ururgroßväter gegründet worden, Vestagers Eltern engagierten sich ebenfalls in der Partei. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Kopenhagen, welches sie 1993 mit einem Master of Science abschloss, arbeitete sie zunächst im dänischen Finanzministerium und anschließend als Sonderberaterin der Dänischen Staatlichen Finanzagentur. Gleichzeitig hatte sie das Amt der Parteivorsitzenden der RV inne.

Von 1998 bis 2001 war sie dänische Bildungsministerin, zeitweilig auch zuständig für das Kirchenministerium. Die Tatsache, dass ihre älteste Tochter nicht getauft worden war, führte damals zu öffentlichem Unmut.

Rigide Maßnahmen im Wettbewerbsrecht

2007 übernahm Vestager den Fraktionsvorsitz der RV und avancierte 2011 zur Wirtschaftsministerin, Innenministerin und stellvertretenden Regierungschefin Dänemarks. Auf Vorschlag der dänischen Ministerpräsidentin wurde sie 2014 EU-Kommissarin für Wettbewerb. Seit 2019 ist sie Exekutiv-Vizepräsidentin für Digitalisierung und Wettbewerb.

Einen Namen machte sie sich durch ihre rigiden Maßnahmen im Wettbewerbsrecht. Besonderes Aufsehen erregte ihr Vorgehen gegen den Google-Konzern, dem sie den Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung vorwarf; deshalb wurde 2017 von der Kommission eine Kartellstrafe von 2,42 Milliarden Euro verhängt. Anschließend warf sie Google vor, seine Position beim Betriebssystem Android zu missbrauchen. Google erhielt eine Rekordstrafe in Höhe von 4,3 Milliarden Euro. Seit ihrem Amtsantritt wurden mehr als 15 Milliarden Euro an Kartellstrafen verhängt, mehr als doppelt so viel wie zur Amtszeit ihres Vorgängers.

Vestager untersagte 2019 die Fusion der Mobilitätssparten von Siemens (Deutschland) und Alstom (Frankreich). Diese war geplant, um der Konkurrenz des chinesischen Bahnbauers China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC) gewachsen zu sein. CRRC ist der größte Schienenfahrzeughersteller der Welt und einer der größten Industriekonzerne. Alstom zog sich daraufhin aus Deutschland zurück und fusionierte mit der Zugsparte des kanadischen Unternehmens Bombardier.

Juristische Niederlagen können teuer werden

Weitere Konzerne gerieten in das Visier von Vestager aufgrund wettbewerbswidriger Steuerpraktiken in Mitgliedstaaten der EU. Das betraf vor allem Apple in Irland. Der Konzern soll 13 Milliarden Euro Steuernachzahlung leisten. Der FiatChrysler Konzern sollte in einem ähnlichen Fall Steuern in Höhe von 30 Millionen Euro an Luxemburg nachzahlen. Im November dieses Jahres erlitt die Kommission jedoch eine Niederlage im Steuerstreit gegen FiatChrysler vor dem EuGH. Diese wird als Vorzeichen für die Entscheidung im Verfahren gegen Apple gesehen und wirft die Frage auf, ob die Kommission überhaupt mit wettbewerbsrechtlichen Mitteln gegen Steuervereinbarungen von Mitgliedstaaten und Unternehmen vorgehen kann.

Tatsächlich hat die Kommission in letzter Zeit mehrfach bei Kartellstrafen juristische Niederlagen kassiert, was Milliardenrisiken für den EU-Haushalt birgt.

Im Bereich Digitalisierung hat sich Vestager gegen eine Fusion von Telekommunikationsunternehmen gewandt. Damit lehnte sie den Vorschlag des früheren Kommissars für digitale Wirtschaft, Günther Oettinger, ab. Auf den Vorwurf, dass die EU im digitalen Bereich von den USA und China deutlich abgehängt werde, wies sie auf die „europäischen Eigenheiten“ hin, „bei der stets tiefgehende Diskussionen mit anschließenden Kompromissen im Vordergrund stehen.“

Daher sei die EU nicht schnell, würde aber immerhin zunächst einen Rechtsrahmen schaffen. Dies bedeutet, dass die EU zwar nicht mit der Digitalisierung, aber immerhin mit der Bürokratisierung vorankommt.

Wir setzen unsere Reihe fort mit: Wer ist Valdis Dombrovskis?

 

Teil 1 der Reihe finden Sie hier.

Teil 2 der Reihe finden Sie hier.

Foto: European Parliament CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Alexander Seiffer / 07.01.2023

> „Tochter eines Pastorenehepaars“ — manche Klischees erzeugen Schmerzen. Die einzigen Berufsgruppen, die noch mehr radikalen Nachwuchs erziehen, sind Beamten, Lehrkräfte, verbeamtete Lehrkräfte und Familien der oberen 1%.

Thomin Weller / 07.01.2023

Nicht nur Dänemark auch Holland haben eine ganz andere links-rechts Definition als Deutschland. Beeindruckend in der Dodo-Bananenrepublik, hier zahlen viele Angestellte im Jahr mehr Steuern als manch Franchisebetrieb oder bestes Beispiel IKEA. Und diese dümmlich, verrottete Regierung nennt das auch noch sozial und alle glauben das. Ebenso das Thema Selbstständigkeit vs. Franchise. Jeder Freelancer der nur für eine einzige Firma arbeitet ist “freier” als Franchisenehmer. Deren Mutterkonzern bestimmt alles, inklusive Personalplanung. Bei McDoof in Deutschland dürfen z.B. keine US Amerikaner arbeiten(Stand 2018). Ein deutscher Franchisenehmer ist nach Steuerrecht oder GG niemals selbstständig. Solche Ungerechtigkeiten, verbrecherische Steuergesetze, interessieren leider niemanden. Klar die germanische Willkürjustiz ist ein Witzblatt, die Politiker noch mehr. Und die Klima-Kleber Terroristen sind restlos denkbefreit. Toluol schnüffeln ist gefährlich.

Markus Viktor / 07.01.2023

Vestager scheint mir nicht die schlechteste Akteurin in diesem Umfeld zu sein. Jedenfalls sicher besser als die bekannten verlogenen EU-Akteure aus Luxemburg. „Im Dezember 2015 wurde ein weiteres Verfahren gegen den US-Konzern McDonald’s eröffnet, da dieser über die Tochtergesellschaft McDonald’s Europe Franchising in Luxemburg keine Steuern gezahlt haben soll, obwohl allein 2013 ein Gewinn von 250 Mio. Euro erwirtschaftet wurde. Zwischen 2009 und 2013 soll McDonalds … über 1 Milliarde Euro Steuern in der EU hinterzogen haben“ (Wikipedia zu Vestager, mit Link zu Finanzen.net). „Luxemburg hat dem Fastfood-Konzern McDonald’s nach einer Entscheidung der EU-Wettbewerbshüter keine illegalen Steuervergünstigungen gewährt. Das Land habe nicht gegen EU-Beihilferegeln verstoßen, teilte die EU-Kommission am 19.09.2018 in Brüssel mit. Gerecht sei die Praxis trotzdem nicht gewesen. Die Luxemburger Regierung will die entsprechenden Gesetze nun ändern“ (rsw.beck.de). Habe nichts dazu gefunden, dass Luxemburg die fraglichen Regeln geändert hätte. Da müssen wohl die bösen Ungarn oder Polen schuld dran sein. Nebenbei: „McDonald’s zahlt 1,25 Milliarden Euro an die französische Justiz, um Ermittlungen wegen Steuerbetrugs zu entgehen“ (in den Nachrichten vom 16.06.2022). Im Interesse ihrer Bürger sollte nicht alles schlecht sein in der EU.

Markus Viktor / 07.01.2023

Die Verhinderung von Monopolen und Kartellen ist ja grundsätzlich richtig in einer freien und sozialen Marktwirtschaft. Wettbewerb fördert Qualität, Konkurrenz treibt an, belebt das Geschäft, so die unwiderlegte Lehre. Ein Europa, in dem intern Kartelle dominieren, wäre genausowenig im Interesse der Bevölkerung wie die wuchernde Eurokratie. Die Überwindung wettbewerbswidriger Steuerpraktiken in Mitgliedstaaten der EU ist wieder ein anderes Thema. Wobei beides verknüpft sein kann durch Oligopole und Monopole zugleich mit Begünstigung durch solche Praktiken. Bleibt die Frage: wie Europa sich gegen Nordamerika und China behaupten kann, ohne Monopolisierungen zu unterliegen, die dann meist mit Staats und EU-Strukturen verfilzt wären. Gibt es dafür noch genügend Intelligenz und politischen und ökonomischen Willen für intelligente Lösungen in Europa? Vestager scheint mir nicht die schlechteste Akteurin in diesem Umfeld zu sein.

N.Lehmann / 07.01.2023

“Linke Pfarrertochter” ?!, ist wahrscheinlich von Klon IM Erika. Eutopia, die Hure und zugleich Wohlfühloase für korrupte Ökolinke- Steuergeldparasiten.

finn waidjuk / 07.01.2023

Was die Digitalisierung betrifft, ist Dänemark führend in Europa. Ich denke, das reicht Frau Vestager. Im Gegensatz zu den Deutschen ist sie nicht der Ansicht, dass die Welt am “dänischen Wesen genesen kann”. Sie steht eher für ein Europa der nationalen Eigenheiten (siehe auch die Währung) als für das totalitäre Europa von der Leyens.

Gunther Laudahn / 07.01.2023

Was passiert eigentlich mit den Milliarden Strafzahlungen, die Sie verhängt hat? Wurden die bezahlt? An wen? Wofür wurde das Geld eingesetzt?

Heiko Stadler / 07.01.2023

Die Kartelljägerin Vestager sollte endlich das schädlichste Kartell in Europa zerschlagen, das Europa in einen nie dagewesenen Totalitarismus führt, nämlich das Staatenkartell, kurz die EU.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Annette Heinisch / 19.03.2024 / 06:00 / 150

Schrödern mit Scholz?

Von Annette Heinisch und Gunter Weißgerber. Die Kriegsgefahr wird in den nächsten Jahren eher größer als kleiner. Wir leben nicht in Zeiten, die Fehler verzeiht. …/ mehr

Annette Heinisch / 04.03.2024 / 06:15 / 90

Correctiv:  Das Kartenhaus fällt, der Fake wirkt weiter

Kartenhäuser neigen dazu, instabil zu sein. Ein kräftiger Windstoß, und schon fallen sie zusammen. So ist es der „Recherche“ von Correctiv ergangen, sie entpuppte sich…/ mehr

Annette Heinisch / 29.01.2024 / 16:00 / 18

Ganz großes Kino!

Sind sie nicht putzig, unsere Mächtigen? Ich finde sie dermaßen drollig, dass ich für deren Theater Popcorn besorge. Ansonsten hilft ein Gesetz von Isaac Newton…/ mehr

Annette Heinisch / 08.01.2024 / 06:15 / 166

Mein kleiner Wutanfall zur Protest-Woche

Normalerweise bin ich ja ein freundlicher und gemütlicher Mensch, stets um Sachlichkeit bemüht (ja, ich weiß, was das heißt!). Aber momentan bin ich einfach nur…/ mehr

Annette Heinisch / 05.01.2024 / 06:20 / 93

Kanzlertausch und Kompromat

Übergibt Olaf Scholz bald an Boris Pistorius? Der Kanzler hat nicht nur die Cum-Ex-Affäre am Hals sondern auch „Wirecard“, den größten Skandal in Deutschlands Wirtschaftsgeschichte.…/ mehr

Annette Heinisch / 03.01.2024 / 14:00 / 40

Gibt es ein Recht auf Fahnenflucht?

Die Ukraine will auch im Ausland lebende wehrfähige Männer einziehen. Während Justizminister Buschmann sich gegen die Ausweisung solcher Personen ausgesprochen hat, finden andere, sie hätten…/ mehr

Annette Heinisch / 14.12.2023 / 14:00 / 91

Braucht Deutschland neue Parteien? Und wenn ja – welche?

Wie also soll in Deutschland ein Politikwechsel gelingen? Anders ausgedrückt: Warum soll derjenige, der einen Wechsel möchte, die Union wählen? Sie hat praktisch alle Chancen…/ mehr

Annette Heinisch / 24.11.2023 / 06:15 / 33

Mit weniger Steuern mehr soziale Gerechtigkeit?

Meistens werden Steuersenkungen als Vorteil für die Reichen denunziert. Tatsächlich sind nicht die Armen die Verlierer, denn alle Bürger profitieren von einer blühenden Wirtschaft und…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com