Von Eugen Sorg.
„Etwas Seltsames geschieht an den amerikanischen Hochschulen." So beginnt ein längerer Artikel mit dem Titel "Die Verhätschelung der amerikanischen Seele", der vor zwei Jahren im linksliberalen Magazin The Atlantic erschien, starke Beachtung fand und aktueller ist denn je. "Eine studentische Bewegung breitet sich aus", fährt er fort, "die alle Worte, Ideen und Themen von dem Campus verbannen will, welche Unbehagen verursachen oder kränken können." Als Mittel, solcherart gesäuberte Lehrstätten zu schaffen, dienen den hypersensiblen Jungakademikern Begriffe wie "Mikroaggressionen" und "Trigger Warnings" (Auslöser-Warnungen).
Mit Ersteren sind subtile, vielleicht auch unabsichtliche verbale Verletzungen gemeint, die aber trotzdem als Gewalthandlungen gelten und daher unterlassen werden müssen. So gilt die Frage an einen Latino- oder Asienamerikaner: "Wo bist du geboren?", gemäss etlichen Campus-Richtlinien als unstatthafte Mikroaggression. Professoren wiederum sollen "Trigger Warnings" aussprechen, wenn sie in ihren Vorlesungen auf Texte zu sprechen kommen, die bei Studierenden starke emotionale Reaktionen auslösen könnten.
Die Listen der problematischen Bücher und Themen werden dem Professor von den Studenten vorgelegt. Theoretisch könnte jedes Werk der Weltgeschichte auf den Listen landen, da Literatur und Kunst sich bekanntlich auch mit den verstörenden Aspekten des menschlichen Daseins befassen. Als psychologisch potenziell gefährdend wurde zum Beispiel der epochale Roman "Alles zerfällt" des Nigerianers Chinua Achebe beurteilt (beschreibt rassische Gewalt); auch F. Scott Fitzgeralds "Der Grosse Gatsby" (enthält Szenen von Frauenfeindlichkeit und körperlichem Missbrauch); Ovids "Metamorphosen" (sexuelle Übergriffe); Virginia Woolfs "Mrs. Dalloway" (Selbstmordneigungen). Und Rechtsprofessorinnen von Harvard berichten von studentischen Druckversuchen, auf Vorlesungen zum Thema Vergewaltigung zu verzichten. Das Thema, ja, nur schon die Verwendung des Begriffs könnte weibliche Zuhörerinnen in seelische Nöte stürzen.
Eine denkbar schlechte Vorbereitung auf das Berufsleben und die reale Welt
Die beiden Autoren des Atlantic-Artikels bemerkten zu Recht, dass eine teure akademische Ausbildung, die vor unangenehmen Ideen und Worten schützen will, eine denkbar schlechte Vorbereitung ist auf das Berufsleben und die reale Welt. Wenn die Befindlichkeitsmeldung "Ich fühle mich verletzt" mehr gilt als Fachkompetenz und rationales Argumentieren, werden "Infantilisierung und anti-intellektuelle Haltungen" gezüchtet. Und politischer Missbrauch gefördert.
Die Vorlesung des Pädagogik-Professors Val Rust der Universität Los Angeles etwa wurde mit einem Sitzstreik boykottiert. Die Protestierenden warfen ihm Mikroaggressionen gegenüber farbigen Studenten vor. Sein Delikt? Er hatte Grammatik und Rechtschreibung der studentischen Texte korrigiert, unter anderem die fehlerhafte Großschreibung des ersten Buchstabens des Wortes indigenous (einheimisch). Eine rassistisch motivierte Herabsetzung der betreffenden Studentin und ihrer Identität, nach Auffassung der Sitzstreikler.
Wie alle verwöhnten Kinder verwandeln sich auch die ultraempfindlichen und opferseligen Trigger-Warning-Aktivisten in rabiate Zeitgenossen, wenn ihnen ein Wunsch abgeschlagen wird. Val Rust kam noch glimpflich davon. Andere unerwünschte Dozenten wie der Politikwissenschaftler Charles Murray oder die Publizistin Heather Mac Donald wurden niedergebrüllt, körperlich angegriffen und wie Diebe vom Campusgelände gejagt. Aber auch historische Statuen, Denkmäler, Gedenktafeln wurden umgerissen und verwüstet. Deren Anblick war für die feinnervigen Bilderstürmer angeblich nicht zu ertragen.
Eine wichtige Rolle bei der Entstehung dieser verschärften neulinken Form von Political Correctness spielte die Obama-Administration. 2013 erweiterten Justiz- und Erziehungsdepartement die Definition von sexueller Belästigung. Bis dahin waren noch "objektive" Kriterien nötig gewesen, um einen Übergriff als solchen zu anerkennen. Gemäß den neuen Gesetzesvorschriften genügt es, dass eine Aussage oder Handlung subjektiv als "unerwünscht" empfunden wird, um als juristische Klage wegen sexueller, aber auch rassistischer, religiöser oder sonstiger Belästigung akzeptiert zu werden. Geradezu eine Aufforderung an professionelle Opferaktivisten jeglicher Provenienz.
Ein Ende des akademischen Kulturkampfes ist nicht in Sicht. Eher ist ein Überschwappen des anti-aufklärerischen und totalitären Trends auf Europa zu befürchten.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung

@Gabriele Kremmel Ich glaube, dass das H. G. Wells in seinem SF-Roman "Die Zeitmaschine" mit den "Eloi" bereits sehr treffend dargestellt hat.
Frage mich, wie die wattebällchen, die harte berufspraxis überstehen wollen: nicht angebrüllt, ist genug gelobt;)
Meinen Sie wirklich, dass es sich dabei um "Mimöschen" handelt? Auf mich wirkt das ganz anders. Der gezielte Abbau von offener Diskussion und freiem Denken schafft eine Basis für vorgeschriebenes, gelenktes Denken und das führt in eine ganz andere Richtung.
Jede Unverschämtheit, jeder Regelbruch werden inzwischen auch an hiesigen Universitäten von Studentengruppen für "politisch korrekt" also notwendig gehalten. Die systematisch gesuchte oder konstruierte Begründung für Angriffe auf Veranstaltungen und Dozenten muss nur etwas mit den Reizworten Gender, Nazi, Rasse zu tun haben, schon herrscht der außergesetzliche Notstand. Selbst die ahistorische Denkmalstürmerei schafft sich auch hierzulande Bahn, denn der Kampf gegen den Namen Ernst Moritz Arndt der Greifswalder Universität geht von Studenten aus, die den Kämpfer gegen die napoleonische Fremdherrschaft heute als puren Nationalisten denunzieren. Fatal ist, dass die Professoren vor derartigen Aggressionen einknicken und nur in Einzelfällen wagen, sich gegen diesen studentischen Totalitarismus zu wehren.
Darüber muss man sich keine Gedanken machen.Wenn erst der Islam in Europa flächendeckend das Sagen hat,ist Schluss mit solchem Unsinn; desgleichen mit Feminismus, Gendergeschwurbel etc.
Eine gruselige Tendenz! Paßt auch zu der latenten Aggressivität von Ķunden in Bioläden und Reformhäusern z. B. Gender-Irrsinn, Erfinden von neuen Opfer-Gruppen usw. sind vielleicht auch Ausgeburten von Langeweile. In der Tat, eine solche "Kultur" kann wohl leichter durch sich vitaler gerierende "heimsuchende" Gruppen püriert werden.
Unglaublich - aber inzwischen ja auch "bei uns" wohl schon angekommen. Wer hält diesen "Schneeflöckchen" eigentlich die Hand - oder die Hand über sie? Wer diesen Unsinn unterstützt, müßte sich - wenn er halbwegs verantwortlich handelt - doch überlegen: Und was kommt am Ende dabei heraus? NIchts Gutes. - In der "Achse" wird ja über alle möglichen (oder unmöglichen) Tendenzen usw. berichtet. Wenn man all dieses einmal in eine Szenario "packt": so werden diejenigen, "die schon länger hier leben", eine verweichlichte, sich oder andere "diskriminiert fühlende", nicht mehr zur Wehr fähige Masse sein. Andere werden (gerne) das Ruder übernehmen.