Gastautor / 24.04.2025 / 10:00 / Foto: Lu Guang / 24 / Seite ausdrucken

Seltene Erden als Hebel im Handelsstreit

Von Thomas Kolbe.

China zündet im Handelskrieg mit den USA die nächste Eskalationsstufe: Ein Exportstopp für Seltene Erden bringt globale Lieferketten unter Hochspannung. Überschätzt Peking seine wirtschaftliche Resilienz?

Die USA und China zeigen sich im Handelsstreit unerbittlich. Während die Zollsätze der USA auf chinesische Importwaren inzwischen 145 Prozent betragen, hat China seit der Erklärung des Exportverbots am 4. April die Ausfuhr Seltener Erden nahezu zum Erliegen gebracht. Seltene Erden zählen zu den kritischen Mineralien beim Bau von Elektroautos, Windkraftanlagen und Militärtechnologie. Peking schadet mit diesem Schritt seiner eigenen Wirtschaft erheblich.

Ist die politische Führung Chinas tatsächlich bereit, mit dem Exportverbot globale Lieferketten zu destabilisieren und seinen Exportmotor zu beschädigen? Über 150 Millionen der 750 Millionen Erwerbstätigen hängen direkt oder indirekt an Chinas Exportmotor, der inzwischen 19 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Pekings Merkantilismus beschert dem Land einen jährlichen Handelsüberschuss von einer Billion US Dollar – ein Prozent der Weltwirtschaft. China hat diese Beschäftigungsmaschine mit Hilfe von Währungsmanipulation, Kapitalverkehrskontrollen und systematischem Patentraub immer hochtouriger rotieren lassen.

Immobilienkollaps und Interventionismus

Die Kritik am chinesischen Wirtschaftsnationalismus ist kein amerikanischer Exzeptionalismus. Chinas Wirtschaftsnationalismus zielt längst auf den ganzen Westen. Auch andere Wirtschaftsmächte wie Europa sind seit Jahren Ziel merkantiler Offensiven Pekings. Umso bemerkenswerter ist, dass Donald Trumps Handelspoker in Europa als planloser Waffengang beschrieben wird. Es entsteht der Eindruck, die USA seien als Halbstarke in diesen Handelskonflikt gestolpert, während sich die Herren der KP als souveräne Opfer präsentieren – stets Herren der Lage. Dass der Zentralismus Pekings zum Kollaps des heimischen Immobilienmarkts führte, ist längst vergessen.

Der Immobiliensektor diente als Stabilisator – und schuf Millionen leerstehender Wohnungen. In seiner Hochphase machte der Immobiliensektor sieben Prozent der globalen Vermögenswerte aus. Er wurde zum sozialen Stabilitätsfaktor in einem Land mit hoher Jugendarbeitslosigkeit. Sein Crash erhöhte den Druck auf die Regierung, das Exportgeschäft aggressiver anzugehen. Mit dem Absturz fiel der Blick auch auf den Binnenmarkt. 2020 rief die Regierung die Initiative der „Zwei Kreisläufe“ zur Stärkung des Binnenmarktes ins Leben. Diese widersprüchlichen Ziele zu vereinen, wirkt wie die Quadratur des Kreises. Aber im 5-Jahres-Plan der Kommunistischen Partei lässt sich auch dieser Quantensprung der Ökonomie abbilden. Dieser dürfte schon bald von kreativer Buchführung geprägt sein. Im 1. Quartal stieg das Bruttoinlandsprodukt Chinas offiziell um 5,4 Prozent, während das Steueraufkommen um 3,5 Prozent einbrach – Wirtschaftsrechnung „Made in China“.

Chinas Achillesferse

Mit chirurgischer Präzision setzt Trumps Regierung das Skalpell am Exportvehikel der Kommunistischen Partei an – ein riskanter, aber überfälliger Eingriff. Er ist sachlogisch, trifft er doch die Achillesferse des Kontrahenten, der immer wieder tief in die Einflusssphäre der USA vorstößt, wie das Beispiel des Panama-Kanals zeigt. Mit seinem säkularen Großprojekt der Neuen Seidenstraße (Belt and Road Initiative) trägt China seinen geopolitischen Angriff vor – ein sanfter Kolonialismus, dem im Streitfalle Repressionen als Nachhut folgen. Tibeter oder Uiguren wissen von den Konsequenzen innenpolitischer Opposition – Menschenrechtsverletzungen sind die Ultima ratio, wenn Widerstand wächst. Moralinsaure Kritik Pekings an der harten Gangart der Amerikaner ist daher wohlfeil. 

Korrektur merkantiler Unwuchten

Man sollte Trumps Zollmauer, die inzwischen eher einem Embargo gleicht, in Peking als ernstzunehmenden Versuch interpretieren, entstandene Unwuchten im geopolitischen Kräfteverhältnis zu korrigieren. Doch der Streit birgt die große Gefahr weltweiter Kollateralschäden. Wie wird die chinesische Führung auf eine Insolvenzwelle mit Massenentlassungen im Exportsektor reagieren, wenn es nicht gelingt, die Flut an Waren in andere Regionen der Welt abströmen zu lassen? Peking sollte nicht davon ausgehen, dass die Europäer ohne Widerstand in die Rolle eines Dumping-Grounds für seine Waren schlüpfen. Die Gefahr eines Imports der chinesischen Beschäftigungskrise ist real. Brüssel war in der Vergangenheit stets in der Lage, rechtzeitig die Brücken hochzuziehen und den eigenen Binnenmarkt vor äußerer Konkurrenz abzuschirmen.

Suche nach Alternative

Während Brüssel sich auf eine mögliche Exportflut vorbereitet, ergreift Washington bereits konkrete Gegenmaßnahmen: Die Regierung von Donald Trump arbeitet daran, den geopolitischen Hebel Chinas zu zersägen. Es ist wahr, dass China etwa 70 Prozent der globalen Produktion Seltener Erden kontrolliert und 80 Prozent selbst verarbeitet. Doch gerade dies dürfte die Erschließung neuer Vorkommen andernorts massiv vorantreiben. Am 20. März unterzeichnete Donald Trump die Executive Order „Immediate Measures to Increase American Mineral Production“, die als „Deklaration der Unabhängigkeit“ von ausländischer Abhängigkeit präsentiert wurde. Die Verordnung, die den Defense Production Act und eine „National Energy Emergency“ (EO 14156, Januar 2025) nutzt, wird regulatorische Hürden im Minengeschäft beseitigen und private Investitionen in diesem Bereich kritischer Infrastruktur beschleunigen. 

In diesen Kontext zählen auch die Verhandlungen über den Ankauf der Seltenen Erden der Ukraine oder der etwas skurril anmutende Grönland-Diskurs der US-Regierung. Grönland soll die achtgrößten Vorkommen Seltener Erden beherbergen – und gerät damit zusehends zwischen die Fronten großer Player wie den USA oder der EU. Grund zur Hoffnung gibt, neben der Förderstrategie der Europäischen Union, das Engagement Australiens, das interessanterweise von den US-Zöllen in diesem Bereich ausgenommen ist. Seine Minenbetreiber könnten als Gewinner der Handelskrise hervorgehen. Australien erhält damit einen enormen Stellenwert als geostrategischer Partner der Trump-Regierung. Im Zusammenspiel mit strategischen Rohstoffallianzen könnten die USA diesen Engpass wenigstens zu einem Teil schließen und das sehr reale Drohpotenzial Pekings teilweise entschärfen.

Die USA versuchen, ihre Zollstrategie in den groß angelegten Wiederaufbau amerikanischer Industrie einzubetten. Ein prominentes Beispiel ist Apples Ankündigung einer Investition von 500 Milliarden US-Dollar in den Heimatstandort, die das Weiße Haus direkt den Zollmaßnahmen zuschreibt. Auch andere große Unternehmen, darunter TSMC und Stellantis, haben signifikante neue Investitionen in den USA zugesagt, was auf eine Welle der Rückverlagerung von Industrietätigkeit als Reaktion auf diese Handelsmaßnahmen deutet.

Vorteil USA

Das geopolitische Schachbrett ist gerade besonders schwer zu lesen. Selbst eine strategische Rohstoffallianz zwischen den USA und Russland sollte zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden – der Dialogfaden zwischen Washington und Moskau ist längst geknüpft und der Rückzug der Amerikaner aus der europäischen Konfliktzone Ukraine erfolgt schrittweise. Das eröffnet neue Verhandlungsspielräume zwischen beiden Parteien. Sollte es dem Team um Donald Trump gelingen, tragende Rohstoffpartnerschaften zu schließen und gar Russland ins Boot zu holen, verlöre China sein Drohpotenzial. Der Preis, den Moskau zu zahlen hätte, wäre hoch: seine enge Bindung an China wäre gefährdet. Allerdings hat sich China in den vergangenen Jahren in die Hände russischer Energie- und Rohstofflieferanten begeben.

Das Spiel der Kräfte ist komplex, die Verflechtungen und Abhängigkeiten wechselseitig, was kurze Lösungswege ausschließt. Die Frage lautet also: Welche der Supermächte ist bereit, seinen Bürgern den größeren Anpassungsschmerz im Handelsstreit zuzumuten? Oder entscheidet letztlich die Robustheit der inneren Ordnung. Sind die westlichen Demokratien trotz aller Krisen Chinas autoritärem Modell überlegen und kapitulieren nicht vor dem Reiz von Macht und Kontrolle? Letzten Endes ist es wahrscheinlich, dass Trumps Druck auf Chinas Schwachstellen Peking zu Zugeständnissen zwingen wird. Eine tiefe ökonomische Krise, die sich mit der deflatorischen Tendenz der chinesischen Ökonomie vereinte, kann man sich in Peking nicht leisten.

 

Thomas Kolbe, Jahrgang 1978 aus Neuss, ist studierter Volkswirt. Seit über 25 Jahren arbeitet er als freiberuflicher Autor sowie als Medienmacher für Kunden aus verschiedenen Branchen und Wirtschaftsverbänden. Als freier Publizist widmet er sich schwerpunktmäßig ökonomischen Prozessen und beobachtet geopolitische Ereignisse aus dem Blickwinkel der Kapitalmärkte. Seine Publikationen folgen den Prinzipien libertären Denkens und einer Philosophie, die das Individuum und seine Selbstbestimmungsrechte in den Mittelpunkt rückt.

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Rudi Knoth / 24.04.2025

@Ostrovsky Das mit dem Lithium habe ich im Chemieunterricht.

Sam Lowry / 24.04.2025

Nachtrag: Temu brummt.. und DHL darf Millionen Pakete pro Tag kostenlos liefern… ab 25 Euro… lol

Sam Lowry / 24.04.2025

“Peking schadet mit diesem Schritt seiner eigenen Wirtschaft erheblich.” Sorry. Totaler Schwachsinn…

Walter Weimar / 24.04.2025

@Rudi Knoth, danke Herr Schulmeister

Christian Träber / 24.04.2025

Das Grundproblem ist das riesige Handels und Leistungsbilanzdefizit. Trump hat das schon lange erkannt.Wenn sich in den USA nichts ändert ,scheitert irgendwann der Dollar,dann gibt es eine weltweite Wirtschaftskrise,wie es die Welt noch nie erlebt hat.Was soll die Bemerkung die Chinesen haben sich ind die Hände der Russen begeben ,wegen billiger Energie.In D machen bekloppte Politiker das Gegenteil “Zitat: wir kaufen nie wieder Öl von Russland” Immer weiter so mit dem wohlstandsverwahrlosten Westen.

P. Bruder / 24.04.2025

Die Geister die ich rief..: Die Händlerkaste in Washington hat mit China ihren Meister gefunden bzw. erschaffen. Wer seinen Feind nicht besiegen kann, der sollte ihn umarmen. Oder ausrotten, wie die amerikanischen Ureinwohner. What goes around, comes around. Auf die Masche mit dem Opium fallen die Chinesen nicht mehr rein, dafür gibt es die Retourkutsche via Fentanyl. Karma is a Bitch. Sollen es geniessen, solange sie es mit ihrer Leitwährung noch können. BRICS formiert sich als Antwort.

Rudi Knoth / 24.04.2025

@A. Ostrovsky Sorry aber Lithium gehört nicht zu den “Seltenen Erden”. Dieses Alkalimetall ist zwar selten, gehört aber nicht zu diesen Metallen, die weiter unten im Periodensystem angesiedelt sind.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Gastautor / 12.05.2025 / 14:00 / 0

Harvard – das Flaggschiff des Antisemitismus unter den US-Universitäten

Von Shimon Nebrat. Auch an renommierten amerikanischen Universitäten breitet sich Antisemitismus aus, befeuert ausgerechnet von einem Massenmord an Juden. Einer der Hot-Spots des aktuellen Judenhasses…/ mehr

Gastautor / 10.05.2025 / 16:00 / 15

Indien-Pakistan-Konflikt: Ein über 1000-jähriger Krieg

Von Werner Reichel. Pakistanische Islamisten haben im indischen Bundesstaat Kaschmir ein Blutbad angerichtet. 26 Touristen sind bei einem Anschlag ums Leben gekommen. Der konservative indische…/ mehr

Gastautor / 10.05.2025 / 06:00 / 82

Schluss mit den Märchen: Kapitalismus sichert unser Überleben

Von Peter Holzer. Stellen Sie sich eine Welt vor ohne Smartphones, ohne bezahlbaren Urlaub, ohne moderne Medizin: Willkommen in einer Welt ohne Kapitalismus! Doch manch…/ mehr

Gastautor / 10.05.2025 / 05:55 / 13

Die Maulheldin am Samstag: avem habemus – wir haben einen Vogel

Die Maulheldin blickt in ihrer anteilnehmenden Art auf eine aufregende Mai-, pardon, Merz-Woche zurück und kommt nach sorgfältiger Überlegung zu dem Schluss: avem habemus – wir haben…/ mehr

Gastautor / 04.05.2025 / 16:00 / 30

Wie Michael Lüders falsch informiert

Von Hans-Peter Büttner. Michael Lüders formuliert in seinem Buch „Krieg ohne Ende?“ eine radikale Ablehnung des Zionismus sowie des gesamten israelischen Staatsgründungsprojektes. Michael Lüders, Bremer…/ mehr

Gastautor / 03.05.2025 / 05:55 / 15

Die Maulheldin am Samstag – Blackout im Gruselkabinett

Die Maulheldin blickt auf den Blackout in Spanien und seine unbequeme Ursache sowie Nancy Faeser, die ihrem Nachfolger eine Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextrem"…/ mehr

Gastautor / 02.05.2025 / 06:00 / 64

Kein Pflichtsterben für diesen Staat

Von Max Leonard Remke. Ich gehöre mit 34 Jahren zu den Letzten, die noch nach der alten Wehrpflicht eingezogen wurden und dann verweigert haben. Hier…/ mehr

Gastautor / 30.04.2025 / 14:00 / 3

Eine explosive Lage für das Mullah-Regime

Von Faezeh Alavi. Die Schockwellen der Explosion in Bandar Abbas sind für das iranische Regime gefährlich. Der Hafen Shahid Rajaee ist ein wichtiges Handelszentrum, in…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com