Von Peter Winnemöller.
Ein Interview mit einem AfD-Politiker zu zensieren und mit Faktenchecks zu versehen, wie bei der Lippischen Landes-Zeitung geschehen, zerstört ein journalistisches Genre.
Ein Bonmot, das dem Künstler Andy Warhol zugeschrieben wird, prophezeite, jeder Mensch in der Zukunft werde einmal für 15 Minuten weltberühmt sein. Nicht nur Personen, auch Organisationen kommen für die weltbekannten 15 Minuten infrage. Es ist anzunehmen, dass kaum jemand, der nicht in der früheren Grafschaft Lippe wohnt, die Lippische Landes-Zeitung (LZ) kennt. Diese hat augenblicklich ihre 15 Minuten. Es ist eine traurige Berühmtheit dafür, möglicherweise der Totengräber des Interviews als journalistisches Format geworden zu sein. Es handelt sich bei der Zeitung um ein Provinzblatt, wie es sie in Deutschland noch immer zu hunderten gibt. Die LZ führt ihre Existenz zurück auf die im Jahr 1767 gegründeten Lippischen Intelligenzblätter. An dieser Stelle fällt es schwer, keinen Witz darüber zu reißen, dass „Intelligenz“ aus dem Namen des Blattes verschwunden ist.
Der Mantelteil kommt – wie in den meisten Lokalzeitungen – von einer Zentralredaktion, die in diesem Falle ein Produkt der Redaktionsgemeinschaft der ostwestfälisch-lippischen Verlage ist. Das Blatt kooperiert seit 2024 mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die bedauernswerte Austauschbarkeit dieser Art Zeitungen, welche nicht zuletzt auf die zahlreichen Fusionen und Kooperationen zurückzuführen ist, erklärt die zunehmende Irrelevanz. Seit 1998 hat sich die Auflage der Lippischen Landes-Zeitung ungefähr halbiert und liegt damit voll im Trend. Der Boomer hält sich sein Lokalblatt für die Todesanzeigen und um zu erfahren, wer im Nachbardorf Schützenkönig geworden ist. Jüngere Menschen ignorieren diese Blätter zumeist vollkommen. Auf Instagram erfährt man in Echtzeit, wer Schützenkönig geworden ist. Der Lokalteil solcher Zeitungen wird in der Regel von einer mehr oder weniger ambitionierten Lokalredaktion hergestellt. Schützenvereine, Taubenzüchter und Kirchengemeinden dominieren neben der Lokalpolitik die meist ein bis zwei Seiten pro Ortschaft.
Es ist ein trauriger Anlass, der dieser Zeitung nun bundesweite Aufmerksamkeit beschert. Die Lippische Landes-Zeitung rühmt sich der Heldentat, das Interview mit dem AfD-Bürgermeisterkandidaten von Extertal (Liebe Leserin, lieber Leser, Sie müssen nicht wissen, wo das liegt.) zum einen nur Auszugsweise und zum anderen nur kommentiert veröffentlicht zu haben. Das gesamte Interview, auch die nicht veröffentlichten Teile hat man an die verantwortlichen Behörden gemeldet. Damit hat die Redaktion der Lippischen Landes-Zeitung nicht nur ein medienethisches Tabu gebrochen, vielmehr haben sie sich selbst zu einem banalen Denunziantentum verzwergt.
Mit dieser vermeintlichen Großtat geben sie sicher anderen haltungsorientierten Lokaljournalisten ein exzellentes Beispiel. Sollte dies geschehen, wird man sich in naher Zukunft bei Landes- und Bundesbehörden über eine Vielzahl informeller Mitarbeiter aus den Redaktionsstuben in der Provinz freuen dürfen. Bedauerlicherweise wird dann vermutlich kein nichtlinker Politiker mehr ein Interview geben oder sich – so er die finanziellen Möglichkeiten dafür hat – zuerst mit anwaltlich gestalteten Vertragswerken bei Verhängung hoher Vertragsstrafen gegen Indiskretionen und unangemessene Kommentierungen absichern. Der Pressefreiheit erweisen solche als Journalisten verkleidete 007-Amateure einen wahren Bärendienst.
Dilettantismus hat viele Gesichter
Das Interview lebt davon, dass der Interviewer unter Aufrechterhaltung einer professionellen Distanz eine nicht minder professionelle angenehme Gesprächsatmosphäre anbietet. Selbst der Interviewpartner, der „gegrillt“ werden soll, sollte sich dabei wenigstens fair behandelt fühlen. Es ist zudem ein journalistischer Dilettantismus erster Güte, ein Interview haltungsjournalistisch kommentiert zu veröffentlichen. Der Interviewpartner hat, selbst wenn er ein echtes Scheusal ist, das Recht darauf, seine Aussagen authentisch und unkommentiert im Interview veröffentlicht zu bekommen. Es ist jedem Journalisten unbenommen, in einem eigenen Artikel die Aussagen des Interviewten in klarer räumlicher Trennung und namentlich gezeichnet zu kommentieren. Wieso der interviewte Kandidat sich nicht vorbehalten hat, das Interview zu autorisieren, steht auf einem anderen Blatt. Dilettantismus hat viele Gesichter. Wurde jedoch ein autorisiertes Interview nachträglich verändert, ist das Foul nur umso größer.
Der mündige Journalist, sollte seinen Leser als mindestens ebenso mündig ansehen und behandeln. Völlig unabhängig davon, ob ein Interviewpartner grausige Unsäglichkeiten äußert. Umso wichtiger ist es, diese ungeschönt zu drucken. Sind die Äußerungen am Ende doch strafrechtlich relevant, so liegt die Aufgabe Strafverfolgung in unserem Land immer noch in den Händen der zuständigen Behörden und Gerichte. Zur klaren Abgrenzung sei deutlich gesagt, auch bei Interviews gibt es immer redaktionelle Abwägungen. Man kann auch darauf verzichten, ein geführtes Interview zu drucken, wenn es einem angezeigt erscheint. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Ein Bürgermeisterkandidat in der Provinz sollte seine – und seien sie noch so krude – Ansichten in der Lokalzeitung frei äußern dürfen. In einem Faktencheck, das sollte man sich bewusst machen, wird bestenfalls eine Meinung einer anderen gegenüber gestellt. Wer will sich anmaßen, in politischen, ökonomischen oder ökologischen Fragen absolute Wahrheiten zu kennen?
Nun mag diese lippische Skandälchen ein Sturm im Wasserglas sein. Dem konkreten Fall sollte man auch keine höhere Bedeutung beimessen. Die 15 Minuten sich gleich vorbei. Ein viel bedeutenderer Aspekt ist die mit Wiederholungen und Nachahmungen verbundene Gefahr. Welcher Kandidat einer von der örtlichen Presse nicht geliebten Partei (das ist in vielen Fälle auch die CDU oder die SPD) wird einer solchen Zeitung noch ein Interview geben? Da greift man doch lieber auf die eigene Website, verbunden mit Sozialen Medien zurück und imitiert dort Interviews. Hat man ambitionierte Mitarbeiter, so ist die Reichweite dort ohnehin ungleich höher als die einer Provinzpostille. Diese Versuchung hat einen entscheidenden Nachteil. Sie ersetzt die möglichst unabhängige Presse durch die reine Propaganda.
Gute Interviewer brauchen keinen Faktencheck
Ausgerechnet die journalistische Form des Interviews zu beschädigen, ist ein solcher Frevel am Handwerk, dass die Schelte für die Kollegen nicht hart genug sein kann. In einem gut geführten Interview gibt ein Gesprächspartner vieles preis, was man unter anderen Umständen nicht aus ihm herausbekommt. Mehr noch, im Interview kann es dem Journalisten gelingen, den Menschen hinter der Funktion oder dem Amt sichtbar zu machen. Denn eines ist klar, auch der wichtigste Politiker, der mächtigste Industriemagnat oder der fanatischste Parteiideologe ist ein Mensch. Die Chancen und Grenzen eines Menschen zu zeigen, sagt oft weitaus mehr über den Träger einer Funktion, als es die Funktion als solche jemals erlaubt. Nehmen wir dem Journalismus durch solches Foulspiel das Interview, dann nehmen wir den Menschen die Möglichkeit, den Bürgermeisterkandidaten, die Fußballspieler, den Bundeskanzler oder wen auch immer von Seiten zu zeigen, die einen Blick hinter die Maske erlauben.
Es ist nachvollziehbar, dass ein Kandidat, egal welcher Partei, für den Posten eines Bürgermeisters in der Provinz jede Menge krudes Zeug abzusondern vermag. Gerade im Interview ist es bei guter Gesprächsführung möglich, durch Nachfragen und in Gesagtes einhaken wirklich zu entlarven und offenzulegen. Gute Interviewer brauchen keinen Faktencheck. Damit kann man den Menschen ermöglichen, diese Offenlegung auch im O-Ton zu lesen, damit sich der mündige Bürger und Souverän bei der Wahl maximal objektiv entscheiden kann. Die für den journalistischen Fauxpas verantwortlichen Kollegen der Lippischen Landes-Zeitung haben sich selbst ein mittelmäßiges Zeugnis ausgestellt, das sie allenfalls noch für die Mitarbeit im örtlichen Kindergarten qualifiziert. Da und nur da ist so eine Erklärnummer erlaubt und erwünscht. Allerdings, darauf sei vorsorglich hingewiesen, auch im Kindergarten gilt Petzen als Tabu.
Peter Winnemöller, studierte Elektrotechnik und Theologie, seit 2005 Autor, Blogger und Journalist, 2019 bis 2024 Onlineredakteur bei der Wochenzeitung „Die Tagespost“.
Beitragsbild: Felice Beato Digitale Bibliothek Gallica via Wikimedia Commons
Wahnsinn. Widerlich. Welche selbstherrliche Unanständigkeit des Journalisten! Die AfD sollte einen Mustervertrag herausgeben, den jeder AfD-Politiker sich vor einem Interview vom Interviewer unterschreiben lässt. Mit Freigabevorbehalt und saftigen Vertragsstrafen für Fehlverhalten (u.a. auch für Denunziation), und zwar nicht nur für den Journalisten persönlich, sondern auch für den Verleger der Publikation.
Mit überparteilichem und unabhängigem Journalismus haben diese Vorgänge rein gar nichts mehr zu tun. Egal was eine „Quelle“ während der Recherche sagt, oder von dieser übergeben wird: Die Quelle ist unter allen Umständen zu schützen und geheim zu halten! Dieser Grundsatz war bis vor kurzem so heilig wie das Beichtgeheimnis, ein Ehrenkodex! Das bei so einem Käseblatt eine journalistische Ausbildungs-, Wissens- und Qualitätslücke vorliegt ist wohl offensichtlich. Oder aber man hat grundsätzlich den Beruf verfehlt, egal welcher politischen Couleur oder Überzeugung man angehört. Nun muss jeder davon ausgehen, dass jetzt auch bei anderen „seriösen Qualitätsmedien“ jede Quelle, jeder Informant oder neudeutsch „Whistleblower“, der Missstände aufdeckt und belegt damit rechnen muss nicht mehr geschützt zu sein. Vielmehr kann er damit rechnen, postwendend bei seinem Arbeitgeber, Ermittlungsbehörden o.ä. denunziert und in eine Falle gelockt zu werden. Eine Schande und Tiefpunkt für „unsere Demokratie“ und die vierte Gewalt in diesem Staat. Nun ja, die Verantwortlichen von Verfehlungen und Verbrechen wird es freuen, sie können sich nun deutlich sicherer fühlen!
“Wer will sich anmaßen, in politischen, ökonomischen oder ökologischen Fragen absolute Wahrheiten zu kennen?” Ziemlich viele Leute, die ganze Zeit. -Covid -Klimawandel -Migration -Gender Sind nur die bekanntesten Beispiele davon, die mir zwangsläufig über die hirnrinde laufen wenn ich diese rhetorische frage lese. Und sie tun es überdies, in einem Brustton der Überzeugung und Rechtschaffenheit, dass man irgendwo zwischen Unglauben und Fassungslosigkeit zurück bleibt, ob der nicht vorhandenen Kenntnisse die dahinter stehen. Mein Lieblingsbeispiel hierfür ist ein Freund, der mir vor einiger Zeit weismachen wollte, man müsse nur genug pumpspeicher bauen, dann sei die energiewende ja kein Problem. Und hält sich dann für aufgeklärt.
Kopie: “Es genügt, sich die Eigentümer dieses Käseblättchens anzuschauen. Auch dort ist das Medienimperium der baldigen Splitterpartei SPD vertreten. Vorauseilender Gehorsam scheint da Pflicht zu sein, nur nutzt das immer weniger. Bisher gingen besonders grössere Kampagnen gegen die letzte, verbliebene, echte Opposition in die Hosen.” Was ich von solchen Käseblättchen halte, ist bereits strafrechtlich relevant…
Sehr geehrter Herr Winnemöller, als ich von dieser journalistischen Heldentat gelesen habe, war ich sehr erstaunt. Die Helden von der Zeitung müssen bei unserer Regierung bitte, bitte die gleichen Maßstäbe ansetzen. Merz: Lügen, falsche Versprechungen und Tricksereien. Klingbeil: Lügen und Antifa finanzieren. Baerbock: Gefälschter Lebenslauf und Kobold. Habeck: Keine Ahnung von nix, sieben Staatssekretäre mit keiner Ahnung von nix und die ganze Familie plus Freunde versorgt. Und jetzt kommt die AFD mit Schwefelgeruch und Bockhuf. Haben diese Zeitungsleute noch alle Latten am Zaun? Mfg Nico Schmidt
Seppuku ( s.Foto ) ist seit Ende 1970 ( Yukio Mishima ) doch etwas aus der Mode gekommen ! Letzter Ausweg für jeden Dummkopf oder Versager ! Geeignet auch für Mitglieder der gesamten glorreichen Journallie !
Diese hinterhältige Denunziation hat den Beigeschmack des journalistischen Blochwartes. Sowas hatten wir im letzten Jahrhundert gleich zweimal in Deutschland….. Ich denke, man geht zum einer neuen Angriffs- und Ausgrenzungsdmethode gegenüber der AfD über. Die duesbezüglichen Schemata zu Lufwigshafen oder auch Aachener Zeitung oder auch dieser Fall sind ähnlich…..... Totale politische und gesellschaftliche Ausgrenzung von operativer Teilhabe…...Es ist ein totalitäres Aufbäumen, weil die AfD die Probleme immer mehr sichtbar in den öffentlichen Raum stellt. Diese Leute haben Angst vor der Demokratie. Sie wollen die linksgrüne Halbdemokratie , “Unsere Demokrratie, als Standardmäßig. Auch beim zurechthestutzen Rechtsstaat…Darum auch Zensur und Einschränkung der Meinungsfreiheit unter dem Banner, man verteidigen damit die Demokratie. Gemeint ist natürlich “Unsere Demokratie”, die linksgrüne Gesinnungsdemokratie..