Rainer Grell / 22.10.2016 / 11:41 / Foto: Mateussf / 15 / Seite ausdrucken

Sehr geehrte Täterinnen und Täter!

Zugegeben, ich habe nichts übrig für political correctness, weil sie Argumente durch Schlagworte ersetzt und so kritische Stimmen nicht selten im Keim erstickt, selbst wenn das vielleicht gar nicht immer die Absicht gewesen sein sollte. Ich kann aber Frauen gut verstehen, die es satt haben, immer unter männliche Anreden und sonstige maskuline Adressaten subsumiert zu werden.

Dass diese berechtigte Empfindlichkeit manchmal auch Auswüchse gebiert, liegt vermutlich in der Natur der Sache. Fragt ein Freund den anderen: „Warum hast Du Dich eigentlich scheiden lassen?“ „Ach, mir ging dieses feministische Getue schon lange auf den Wecker. Und als sie dann auch noch anfing, den Wasserhahn als Wasserhenne zu bezeichnen, sind bei mir sämtliche Sicherungen durchgebrannt.“

Hahaha! Okay, kann man als Kalauer beiseitelegen. Anders sieht es schon aus, wenn das Spanisch-Lehrbuch, das wir an der VHS benutzten, uns als „Liebe Spanischlernerinnen, liebe Spanischlerner“ begrüßte. Oder wenn die DLRG Ortsgruppe Stuttgart-Ost wegen der Renovierung des Leo-Vetter-Bades an ihre lieben „Mitgliederinnen“ und Mitglieder (wobei Menschen mit und ohne Glied gemeint waren). Und auch der Jagdklub Darmstadt e.V. bediente sich in seinem „Newsletter“ dieser originellen Anrede. Da wollte die Gesellschaft für Entwicklungsbiologie e.V., deren Vorsitzender sogar ein Professor ist, nicht zurückstehen und verwendete diese Anrede ebenfalls. Kein Zweifel, das sollte kein Witz sein, die meinten es ernst, genau wie der Gehörlosen-Sportverein Neuwied 1941 e.V. in seinem Mitteilungsblatt. Jawoll! Ein bisher ungelöstes Problem stellt die Damenmannschaft dar.

„Der Lügner verfährt beinahe wie ein Wissenschaftler" - lügen Frauen nicht?

Doch abgesehen von solchen Verirrungen hat die weibliche Form in aller Regel schon ihren Sinn. Allerdings ist mir aufgefallen, dass sie nur bei neutralem oder gar positivem Zusammenhang praktiziert wird. Oder haben Sie bei der jährlichen Bekanntgabe der Polizeilichen Kriminalstatistik durch den Bundesinnenminister (egal welcher Couleur) schon mal was von Täterinnen und Tätern oder gar Mörderinnen und Mördern gehört?

Und Hannes Stein schrieb in der „Welt“ vom 13. Oktober in einem Leitartikel über das „Zeitalter des ‚Bullshit‘“: „Der Lügner verfährt beinahe wie ein Wissenschaftler ...“ Und: „Der ‚Bullshit‘-Mann ist eher ein Künstler, ein kreativer Geist.“ Wo bleibt da die „Geschlechtergerechtigkeit“? Man könnte ja gerade meinen, Frauen lügen nicht und es gäbe keine Wissenschaftlerinnen oder „Bullshit“-Frauen. Den Vogel aber hat gerade ZeitOnline mit dieser Schlagzeile abgeschossen: Beamte sollen Gesicht nicht mehr verschleiern dürfen." Das Verdecken des Gesichts erschwere die Kommunikation. Die Bundesregierung plant laut einem Bericht deshalb, Beamten die Vollverschleierung zu verbieten.“  Das Wort „Frau“ kommt in dem gesamten Artikel nur in der Bildunterschrift und einmal in der Pluralform in einem Zitat des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil sowie in dem Adjektiv „frauenverachtend“ vor, das Wort „Beamtinnen“ nicht ein einziges Mal. Da wird doch die Hündin in der Pfanne verrückt!

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Andreas Rochow / 22.10.2016

Die Stilblüten, die der Kampf um eine gendergerechte Sprache unentwegt generiert, sind nicht nur zum Lachen, sondern Symptom einer besorgniserregenden Krise des Denkens und des kritischen Verstandes. Dass dies keine Übertreibung ist, mag die Regelung beweisen, dass sich die gefühlt männlichen Professoren der Uni Leipzig als “Herr Professorin” anreden lassen müssen und es nicht wagen, widerständig darauf zu reagieren. Dabei hat keine Minderheit, nicht einmal eine Mehrheit, ein Recht darauf, die Sprache zur politischen Karikatur zu verbiegen! Und ein demokratischer Staat hat sich gefälligst mit Sprachregelungen zurückzuhalten. Es ist geradezu grotesk, mit welchem hypermoralischen Eifer uns linksgrüne Aktivisten und Aktivistinnen mit Sprachkorrekturen indoktrinieren wollen, die ausgerechnet aus elitären US-amerikanischen Universitätskreisen stammen. Nun bewirbt sich Deutschland gewiss um den Titel “Weltmeister und Weltmeisterin der gendergerechten Sprache”. Es steht noch nicht fest, wann die Weltmeister- und Weltmeisterinnenschaften stattfinden werden. Das Repräsentanten- und Repräsentantinnenhaus in Washington DC und das Bundeskanzler- und Bundeskanzlerinnenamt hüllen sich noch in Schweigen…

Christoph Horst / 22.10.2016

Diese Geisteshaltung hat auch schon in die Gesetzessprache Einzug gehalten. Das Mindestlohngesetz zum Beispiel regelt die Rechte von “Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern”; diese Ausdrucksweise wird im ganzen Gesetz gnadenlos durchgezogen. “Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber” gibt es dagegen nicht,  sondern nur den Arbeitgeber. Männlich. Arbeitgeber stehen also in der Gunst des Gesetzgebers mittlerweile auf einer Stufe mit den Tätern aus der Kriminalstatistik.

Anja Pyrek / 22.10.2016

Dieser Zustand ist mir ein stetes Ärgernis. Wenn ich im Kreis meiner Kolleginnen (ich arbeite im erzieherischen Bereich) von Kindsmörderinnen, Sexistinnen, Prüglerinnen oder Mißbraucherinnen rede, schlägt mir ein eiskalter Wind der Missbilligung entgegen. Die Taten der Verbrecherinnen werden nicht einmal bezweifelt, aber mir wird immer wieder von den Damen vorgeworfen, dass ich mit meinen Worten ein schlechtes Arbeitsklima schaffe. Solche Vorwürfe kommen dann von Frauen, die aber auf Helferinnen, Heldinnen und Retterinnen im Sprachalltag bestehen. Das Erhöhen von Weiblichkeit an sich, ist seit Jahrzehnten in sozialen Berufen Usus, aber durch die Lebens-und Arbeitsrealität überhaupt nicht gerechtfertigt.

Jürgen Seeger / 22.10.2016

Bei diesem Thema war die deutsche Filmindustrie schon vor über 10 Jahren weiter. Deren Lobby-Verband “Initiative Zukunft Kino Marketing” hat zum Weltfrauentag 2005 einen Spot mit dem Slogan “Raubkopiererinnen sind Verbrecherinnen” geschaltet.

Dr. Harald Streck / 22.10.2016

Solche Verschlimmbesserungen an der deutschen Sprache sind nur möglich, weil dem Normaldeutschen jeder Sprachverstand, jedes Sprachbewusstsein abgeht. Was ist an dem Wort “das Mitglied” männlich und bedarf eines weiblichen Gegenstücks? Wird man künftig dem Löffel seine Löffelin zur Seite stellen, womöglich auch der Gabel den Gablerich? Nur die Satire kann solchem Schwachsinn noch beikommen. Die Tatsache, dass noch keine Gleichstellungsbeauftragte gefordert hat, in Polizeiberichten künftig korrekt die “Kinderschänderinnen und Kinderschänder, Trickbetrügerinnen und Trickbetrüger, Bankräuberinnen und Bankräuber” gendergerecht aufzulisten, hat den Kabarettisten Dieter Nuhr zu dem mahnenden Hinweis veranlasst, dass in einem saudiarabischen Inserat “Henker” gesucht werden und nicht korrekt “Henkerinnen/ Henker)” oder geschlechtsneutral “Henkende”! Und für solchen Unfug werden an unseren Universitäten zuhauf Steuergelder verbraten!

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