Felix Perrefort / 10.07.2019 / 06:03 / Foto: achgut.com / 61 / Seite ausdrucken

Seenotrettung: Deutsche Moralapostel und libysche Sklavenhalter

Eine Umfrage bei „express.de“ bringt das Diskussionsniveau der Debatte um die Seenotrettung im Speziellen und um die Flüchtlingsmigration im Allgemeinen beispielhaft zum Ausdruck. Auf die Frage, ob wir Flüchtlinge in Deutschland mehr unterstützen sollten, erhält man zwei Optionen „Ja, da haben wir Nachholbedarf“ und „Nein. Wir machen ohnehin schon mehr als genug“.

Zu entscheiden habe sich man derart zwischen den neudeutschen Moralaposteln, deren Schuldkomplex von ihrem insgeheimen Sündenstolz nicht zu trennen ist, und den altdeutschen Grantlern, für deren pathetisches Gejammer dasselbe gilt. Diese Frage, die so gestellt ist, dass ihre Beantwortung nur dumm machen kann, verweist auf die politische Kultur Deutschlands, die nämlich auf die Bedürfnisse ihrer Insassen und nicht die Abschaffung unnötigen Leids hin zentriert ist.

Es sollte nicht darum gehen, ob und wie sehr, sondern WIE geholfen wird – im Sinne einer pragmatischen Politik, die simple Ursache- und Wirkungszusammenhänge ebenso reflektiert wie europäische Bevölkerungsinteressen, die Folgeerscheinungen der bisherigen Migrationsströme, gegebenes Interventionspotenzial oder schlichte Kapazitätsgrenzen. Dieses Wie rückt jedoch nicht ins Zentrum der Debatte, da Politposaunen wie Jan Böhmermann und Klaas Heufer diese vereinnahmen, um sie auf ihr Kleinkind-Niveau herunterzubrechen.

Dort unten angekommen, also im Ideenhimmel des geläuterten Deutschlands, meint Böhmermann dann per Video-Ansprache mit betroffenen Kulleraugen und verzerrtem Lächeln klarstellen zu müssen, was von niemandem in Abrede gestellt wird: „Wer ertrinkt, dem wird geholfen. Wer Menschenleben rettet, der wird nicht eingesperrt.“ Und wer zwanghaft gegen imaginierte Gegenstimmen predigt, der hat gewisse zivilisatorische Basisbanalitäten wohl selbst noch nicht verinnerlicht.

Deutschlands moralische Lichtgestalten

Bei Jan Böhmermann handelt es nicht um einen aufgeklärten Journalisten, sondern um einen deutschen Politclown, der nicht mit den Mitteln der Satire – wohl aber mit solchen der GEZ – die Wirklichkeit nicht kritisch aufbereitet, sondern sie für eine neue „Wir-sind-wieder-wer“-Stimmung zurechttrimmt. Daher möchte er genauso wenig wie sein Gesinnungskollege wissen, dass niemand ernsthaft in Erwägung zieht, die Seenotrettung zu kriminalisieren. „Ich hoffe, dass wir mit dieser Unterstützung nicht nur die Moral hochhalten, in diesen schwierigen, anstrengenden Zeiten dort unten, sondern auch Dinge möglich machen, die ohne diese finanzielle Unterstützung dort einfach nicht stattfinden würden.“ Je uninformierter der Deutsche, desto moralischer töst er herum.

Immerhin ist nun bekannt: Jan Böhmermann und Klaas Heufer sind Lichtgestalten in düsterer Epoche. Verschwistert mit der deutschen Zivilgesellschaft, die mit wohl ebenso bewegten Kulleraugen den Belehrungen der Politstöpsel lauscht, zerstören sie schonungslos einen Strohmann und arbeiten damit der Irrationalisierung der Verhältnisse zu: Wenn der zum Faschismus hochgejazzte „Rechtspopulismus“ gerade nicht als Feind im Inneren sein Gift in die Wunden des deutschen Multikulti-Volks träufelt, ersäuft er zuweilen als italienischer Kannibale zum „Menschenfleisch“ erklärte Flüchtlinge. Man kann über den desolaten Zustand der Bundeswehr fast erleichtert sein angesichts des unverhohlen imperialistischen Herrschaftshungers, der sich nicht im Stammtisch-Maul von irgendwelchem Stahlhelmen, sondern von einem Migrationsbeauftragten namens Stefan Schmidt ausspricht, der am liebsten mit Gebirgsjägern in Italien einmarschieren würde.

In diesem Wahn agiert Carola Rackete als maritimer Arm eines neudeutschen Gegensouveräns, der nationalstaatliche und damit demokratische Souveränität für ewiggestrigen Zivilisationsballast hält, welcher sich dem keinerlei Grenzen kennenden Sendungsbewusstsein der neuen Deutschen einfach nicht beugen will. Der anmaßende Wille, italienische Gesetze genauso wenig beachten zu müssen wie den Willen der dortigen Bevölkerung, legitimiert sich als „antifaschistischer“ Kampf gegen den „Rechtspopulismus“, den der tapsig-vorsichtige und auf seinen guten Ruf bedachte Deutsche nun überall wittert: Ihn im Inland wie im Ausland zu bekämpfen, schweißt derzeit von Antifa über den sozialdemokratischen Außenminister bis hin zur CSU zusammen: „Die tatsächliche Opposition der Bundesregierung sitzt nicht mehr im Bundestag sondern im Ausland“, wie Dirk Maxeiner es treffend formulierte.

Die Duldung libyscher Sklaverei ist ein Armutszeugnis

Würde es statt um die Projektionen, Bedürfnisse und Befindlichkeiten der neuen Deutschen darum gehen, wie der menschenverachtende Kreislauf aus Schleppertum und Seenotrettung als erster Schritt zu einer humanen Migrationspolitik zu durchbrechen wäre – das Sterben im Mittelmeer könnte ein Ende haben. Dessen Verewigung ist jedoch heimlicher Zweck jenes Moralismus, der das schlechte Weltgewissen, in der „Festung Europa“ zu hocken, derweil es anderen schlechter geht, beruhigen möge. Und zwar indem die Rettung von Flüchtlingen als „Humanitätsproduktion“ betrachtet wird, anstatt sie überflüssig zu machen. Deshalb steht nicht zu erwarten, dass die Migrationsströme unter die ausschließliche Kontrolle souveräner Staaten gebracht werden – anstatt sie in den Händen krimineller Banden und privater Akteure zu belassen –, was das erste Anliegen der Migrationsbefürworter sein müsste. 

Dass es mit dem Willen, das Elend der Migranten zu beenden, nicht weit her ist, sondern im Zweifel der eigene zutiefst egoistische Konformismus Priorität genießt, zeigt sich nicht nur an der Feigheit, die islamische Sklaverei in Libyen als solche zu benennen, sondern auch an dem antiimperialistischen Unwillen, sie per militanter Intervention zu beenden. Weil es nie eine islamische Massenbewegung zur Beendigung der Sklaverei gegeben hat und diesbezügliche Fatwas nur postulierten, sie sei bis auf Weiteres nicht praktizierbar, herrschen in Libyen Zustände fort, denen bis zu einer Million Sklaven unterworfen sind: Von der Kritik der Sklaverei zur abolitionistische Praxis fortschreiten hieße, die libyischen Sklaven-Camps zu schließen und sie durch Asylzentren unter internationaler Aufsicht zu ersetzen. Das wäre zudem ein entscheidender Schritt gegen die Schlepperindustrie.

Doch so viel ist sicher: Keinem der zur Tat schreitenden Flüchtlingsretter wird der Begriff „islamische Sklaverei“ über die Lippen gehen, weil deren Aktionismus nicht auf die Kritik und damit Überwindung solcher menschenverachtender Zustände zielt, sondern auf moralisches Erpressertum, camoufliert als heroisches Selbstopfer: „Ich bin weiß, Deutsche, in einem reichen Land geboren und habe den richtigen Pass. Ich fühle die moralische Pflicht, denen zu helfen, die nicht die gleichen Chancen haben“, so Rackete zu ihrer Motivation.

Der blinde Fleck rechter Migrationskritik

Zwar ist Sebastian Kurz zuzustimmen, wenn er sagt: „Solange die Rettung im Mittelmeer mit dem Ticket nach Mitteleuropa verbunden ist, machen sich immer mehr Menschen auf den Weg“ (weshalb er fordert, gerettete Migranten in ihre Herkunftsländer oder Transitländer zurückzubringen). Doch ist dies nur ein Teil der Wahrheit: Während die Flüchtlingsideologie von den destruktiven Folgeerscheinungen bestimmter Migrationsbewegungen schweigt, vermeidet deren rechte Kritik die Rechtlosigkeit afrikanischer Migranten in Libyen. Sie dorthin zurückzuschicken, wäre tatsächlich inhuman, weshalb Sea-Watch-Kritik auch deren Dilemma benennen müsste: Langfristig wäre diese Art Bevölkerungspolitik nur um den Preis kultureller und ökonomischer Selbstzerstörung zu haben, während man Migranten nicht guten Gewissens in Zustände zurückbringen kann, die deutlich zu benennen auch die Flüchtlingsideologen zu feige sind.

Von den Verteidigern von Carola „Captain Europe“ Rackete wäre eine Hinwendung zur Realität zu verlangen und die Beendigung ihres nötigenden Moralismus, von den Migrationskritikern eine Skandalisierung – nicht nur, doch insbesondere – der libyschen Zustände, und von allen Europäern, in denen ein Funken westlichen Selbstbewusstseins die weit verbreitete Zivilisationsmüdigkeit überlebt hat, ein Plädoyer für das längst überfällige, durchaus auch militante Vorgehen gegen Sklavenhalter und Menschenschleuser.

Die Abschaffung der Sklaverei ist ein westliches Projekt

Dass die Geschichte des Westens nicht nur aus Kolonialismus und Schuld besteht, ist in der Flüchtlingsideologie nicht präsent. „Die vollständige Abschaffung der Sklaverei war eine westliche Idee, die durch Konflikte im 18. Jahrhundert und die Ausdehnung des Kapitalismus geboren wurde“, zitiert Bahamas-Autor Philippe Witzmann aus dem 1988 von Suzanne Miers und Richard Robert veröffentlichten „The End of Slavery in Africa“. Und schließt mit einem aktuellen Kritiker der Sklaverei an:

„Auch für [Tidiane] N’Diaye ist die Abschaffung der Sklaverei ein dezidiert westliches Projekt gewesen: ‚Überall in der westlichen Welt protestierten Humanisten und Philantropen gegen das Schicksal der ihrer Heimat beraubten afrikanischer Völker [...] Entstanden im Westen nach und nach Bewegungen für die Abschaffung des transatlantischen Sklavenhandels und später gegen die transsaharische Sklaverei, so wurden in der arabo-muslimischen Welt weder vergleichbare Initiativen noch – bis heute – irgendwelche Zeichen von Reue gezeigt.’“

Anstatt mit Deutschlands moralischen Lichtgestalten den Italienern auf die Nerven zu fallen wäre an die westliche Tradition des Abolitionismus als Voraussetzung migrationspolitischer Humanität anzuknüpfen. Die libyschen Sklavencamps müssen endlich geschlossen werden.

Ich danke Philippe Witzmann für seinen emphatischen Abolitionismus. Sein so pointierter wie empirisch gesättigter Text „Die unkultivierte Aneignung – Über die verdrängte Geschichte der islamischen Sklaverei“ wurde als Quelle herangezogen und ist in Bahamas Nr. 79 erschienen.

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Frank Holdergrün / 10.07.2019

Vielen Dank für diese zutreffende Analyse. Ich empfehle in diesem Kontext das Buch “Weltgeschichte der Sklaverei” von Egon Flaig. Angefangen von der Dhimmi-Steuer für Ungläubige über die Knabenlese in Europa oder umfassender Versklavung in Afrika inkl. Handel mit Menschen bis hin zur Unterdrückung der Frau – das repressive System des Islams gründet auf der umfassenden Bandbreite milder und umfassend brutaler Sklavensysteme. Wer dies ändern will, muss den Islam kritisieren können und frontal angreifen. Dazu aber hat das Oberkommando Weltmoral insb. in Deutschland weder die Kraft noch die intellektuelle Einsicht. Ihre romantisch-faschistische Verblendung ist umfassend und typisch deutsch. Sie sitzen wieder an der Wurzel von Problemen, die sie aber selber sind: der aufrecht ideologisierte Deutsche, es ist die peinlichste Figur der Weltgeschichte.

Karin Brandl / 10.07.2019

Ich lese immer Sklaverei und Verkauf von Menschen in die Sklaverei. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das in der heutigen Zeit aussehen soll. Wer sind denn die Sklavenhalter. Leute , die darüber schreiben, wie z. B. Der Autor hier werden es wissen!?

Rolf Lindner / 10.07.2019

Der Tagesspiegel, die Berliner Speerspitze der “seriösen”  Berichterstattung, meldet heute morgen die Seenotrettung von 44 Flüchtlingen. Da der Tagesspiegel meine Kommentare nur Ausnahmsweise veröffentlicht, wieder einmal an dieser Stelle: Alle Beteiligten, inklusive der Tagesspiegel wissen, dass es sich nicht um Seenotrettung, sondern um Seenotbetrug und Menschenschmuggel handelt. Und so einer Berichterstattung soll man vertrauen. Ergänzend: Die Flüchtlinge geraten in die libysche Sklaverei u.a. durch den in Deutschland erzeugten Zugfaktor.

Andreas Rühl / 10.07.2019

Nun weiß ich nicht, ob die afrikanischen Migranten tatsächlich davor fliehen, dass sie in Libyen als Sklaven gehalten werden. Von wem? Auf welchen Plantagen? Wurden sie aus ihren heimatlaendern dorthin verkauft? Sklaverei hatte ihre Ursache zumeist darin, dass die Sieger kriegerischer Auseinandersetzungen die unterlegenen bevoelkerungen in die Sklaverei führten. Beim kreolischen dreieckshandel waren es schwarze westafrikaner, die Afrikaner verkauften, meistens arme Bauern, die sich verschuldet hatten. Uebrigens mußten auch Europäer sich mitunter verkaufen, um dem schuldturm zu entgehen. Die Migranten, die heute von Afrika nach Europa und zuvor nach Libyen kommen, sind keine Sklaven. Nach Libyen kommen sie doch gerade, weil es ein failed state ist und keine wirksame Kontrolle von zu und Abwanderung stattfindet. Diese Menschen sind keine Sklaven, sondern Kunden von Logistikunternehmen. Sie sind nicht unfrei. Ihr Schicksal ist selbstgewaehlt. Wir retten Menschen, die sich bewusst selbst in Gefahr bringen, um gerettet zu werden und setzen damit die Ursache fuer die Gefahr. Mit Sklaverei hat das nichts zu tun.

Eugen Richter / 10.07.2019

Das deutsche Volk soll und muss mit allen Mitteln vernichtet werden. So lautet das Credo des Ex-Aussenministers Joschka weit vor seinem Amtsantritt, während seiner Amtszeit und auch auf seinen Welttourneen zur Werbung seiner Agenda bei reichen und gelangweilten Salonsozialisten. Er ist davon überzeugt, dass die Welt eine bessere wird, wenn das deutsche Volk von der Erdoberfläche verschwindet. Mittlerweile sehe auch ich das ähnlich und fordere daher bei den grünversifften Brandstiftern anzufangen.

B. Rilling / 10.07.2019

Als “anerkannte” Pragmatikerin nur eine kleine Bemerkung von mir: Wir alle wissen ob der Zustände in Libyen, auch die “Flüchtlinge” aus Zentralafrika, welche bewusst dort hinwandern. Denn sie wissen auch, selbst wenn Frau Rackete sie aus dem Wasser pflückt, wenn sie nur knietief am libyschen Strand stehen, ist ihnen damit eine Überfahrt nach Europa gewiss, weil es ja so desolat in Libyen zugeht. Und was ein Glück! Darum kann die Dame weiter den gut finanzierten Shuttleservice für vorwiegend junge Mittelstandsburschen aus dem ehemals von Europa unterdrücktem Kontinent betreiben. Ich bin absolut für Asylzentren unter internationaler Aufsicht. Damit fiele der Grund für die Überfahrt weg. Doch das wird nie passieren, da es nicht gewollt ist. Mich lässt diese schiere verlogene Unmenschlichkeit traurig und ratlos zurück. Und ich bin mir mittlerweile sicher: Wir werden alle einen hohen Preis zahlen müssen! Denn es wird demnächst heftig krachen! Denn hier sind diese Geretteten doch völlig chancenlos auf dem Arbeitsmarkt. NOCH können wir sie in unserem schon viel zu überdehnten Sozialnetz parken. Doch in absehbarer Zeit, wenn uns die ganze Misswirtschaft um die Ohren fliegt, wird kein Geld mehr da sein für solche Wohltaten. Es wird heftige Umverteilungskämpfe geben. Und ich fürchte, ich werde das noch miterleben müssen.

Klaus Schmid / 10.07.2019

Viele Worte aber wenig Rat: Gewünscht ist wohl eine militärische Intervention des “Werte-Westens” im libyschen Bürgerkrieg. Prost Mahlzeit.

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