Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 01.04.2007 / 10:11 / 0 / Seite ausdrucken

Seen the lights go out in Sydney

Energiesparen ist eine sinnvolle Sache, gar keine Frage. Ein Blick auf die Landkarte der Öl und Gas exportierenden Länder ist eigentlich schon Grund genug dafür, den Konsum fossiler Brennstoffe zu mäßigen. Um mich von der Sinnhaftigkeit eines vorsichtigen Umgangs mit Ressourcen zu überzeugen, braucht es jedenfalls keine apokalyptischen Klimawandelszenarios.

Andererseits bin ich fest davon überzeugt, dass unser modernes Leben ohne den Zugang zu verlässlicher und preiswerter Energie kaum funktionieren wird. Eine drastische Einschränkung des Energieverbrauchs dürfte auf absehbare Zeit kaum ohne Einbußen an Lebensqualität und Wohlstand zu bewerkstelligen sein. Die Frage lautet daher, woher die Energie kommen soll, wenn wir - aus welchen Gründen auch immer - versuchen, uns von fossilen Brennstoffen schrittweise zu lösen.

In diesem Sinne fand ich die Aktion, die gestern Abend in Sydney stattfand, sehr erhellend, was die Denkstrukturen der Umweltbewegung betrifft. Obwohl das genau das Gegenteil von dem war, was sie erreichen wollte, denn für eine Stunde wurde die Innenstadt der australischen Metropole verdunkelt. Die Lichter an Opernhaus und Harbour Bridge wurden abgeschaltet, und auch in den Cafés, Restaurants und Wolkenkratzern wurde es dunkel. Damit sollte ein Zeichen gegen den Klimawandel und gegen den australischen Energiekonsum gesetzt werden.

Ist das also die Vorstellung der Ökobewegung von unserem Leben in einer umweltfreundlichen Zukunft? Wenn dem so ist, dann möchte ich dort lieber nicht leben. Ich kenne Sydney ganz gut, weil ich eine Weile in Darling Harbour, mitten in der Stadt, gewohnt habe. Wenn man Sydney wirklich erleben möchte, sollte man einen nächtlichen Spaziergang durch seine hell erleuchteten Straßen machen. Da ist an jeder Ecke etwas los, da gibt es die Straßenkünstler am Circular Quay, die Restaurants in historischen Stadtteil The Rocks, den Blick auf den Hafen mit seinen Wahrzeichen Oper und Hafenbrücke, die lauten Pubs und Bars entlang der Oxford Street. Das einzige, was ich immer etwas bedauerlich fand, war die kümmerliche Beleuchtung des Fernsehturms, der tagsüber die Skyline dominiert und nachts beinahe verschwunden ist. Wenn man dann auf einer Bank an Darling Harbour sitzt und die vielfarbigen Reflexionen des Nachtlebens von Sydney im ruhigen Wasser von Cockle Bay sieht, dann ist das fast wie im Traum.

Den Sydneysidern geht es übrigens offenbar ganz ähnlich wie mir. Sie bevorzugen das Wohnen mit Blick auf Hafen und Innenstadt, was sich in den Preisen für Wohnungen mit entsprechender Aussicht niederschlägt. Selbst das IBIS-Hotel in Darling Harbour verlangt für Zimmer mit Hafenblick einen Aufschlag von 20 Dollar pro Nacht.

Für eine Stunde haben gestern die Sydneysider das Spiel der Umweltbewegung mitgespielt und ihre Lichter ausgeschaltet - ein symbolischer Akt, der wahrscheinlich gerade noch zu verkraften war. Ich würde jedoch ein Monatsgehalt dagegen verwetten, dass die Einwohner meiner Lieblingsstadt dem Vorschlag zustimmen würden, aus der nächtlichen Verdunkelung einen Dauerzustand zu machen. Lebensqualität ist wahrscheinlich das Letzte, worauf der gemeine Sydneysider zu verzichten bereit ist.

Die Umweltaktivisten haben die eigentliche Ironie ihres Tuns wahrscheinlich übersehen, dass nämlich ihre Vorschläge direkt in eine im wahrsten Sinne des Wortes dunkle Zukunft führen - eine Zukunft, in der wahrscheinlich kaum jemand leben möchte.

Die Herausforderung für die Umweltbewegung besteht nicht darin, Städten wie Sydney den Strom abzudrehen. Das wäre ein fantasieloser und kaum sinnvoller Aktionismus. Die eigentliche Herausforderung ist es, die Lichter von Sydney brennen zu lassen und dabei gleichzeitig unsere energiepolitischen Hausaufgaben zu machen. Ob wir von Ökoaktivisten dazu einmal praktikable und kostengünstige Vorschläge hören werden?

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