Thilo Sarrazin / 25.04.2018 / 06:20 / Foto: Mickey Bohnacker / 40 / Seite ausdrucken

Seehofer fängt mit dem Scheitern an

Seit dem 14. März ist Horst Seehofer Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat. Das Innenministerium war mit 11 Abteilungen und diversen Stäben schon vorher unübersichtlich gewesen. Mit seinen Zuständigkeiten für die Bundespolizei, die Innere Sicherheit, Einwanderung und Asyl verwaltet es alle jene explosiven Themen, die in den letzten Jahren im Mittelpunkt der Politik standen. Der vormalige Innenminister Thomas de Maiziére wirkte bei seiner Leitung häufig überfordert. Das lag auch daran, dass er offenbar immer wieder schwankte zwischen den Aufgaben seines Amtes und der Loyalität zur Bundeskanzlerin, die ihren abenteuerlichen Kurs in der Einwanderungs- und Asylpolitik gegen den eigenen Innenminister durchsetzte.

Angela Merkel hat de Maiziére für seine Selbstentäußerung nicht belohnt. Im Koalitionspoker um die Verteilung der Ministerien musste er Horst Seehofer weichen. Der hatte als bayerischer Ministerpräsident seit 2015 verschiedentlich den Aufstand gegen die Einwanderungspolitik der Bundeskanzlerin geprobt, aber nach starken Worten niemals Taten folgen lassen. Die bayerischen Wähler bestraften ihn im September 2017 bei der Bundestagswahl für seine Unentschlossenheit: Die CSU sank von 49,3 auf 38.3% der Wählerstimmen, und die AfD holte 12,4%.

Seehofers Fall, Söders Glückfall

Damit war Horst Seehofers Schicksal als bayerischer Ministerpräsident besiegelt. Er musste Markus Söder weichen. Jetzt hat er als Bundesinnenminister sein letztes großes öffentliches Amt angetreten. In Berlin ist er nun in Angela Merkels neuer Regierung für all jene Themen zuständig, wegen denen er seit 2015 mit der Bundeskanzlerin ständig überkreuz lag: Einwanderung, Asyl, Grenzschutz, Innere Sicherheit, Terrorismus, Islam.

Für Horst Seehofer wurde das Innenministerium noch weiter aufgeblasen, indem man es erweiterte um die Zuständigkeiten des ehemaligen Bauministeriums sowie eine neue Zuständigkeit für „Heimat“, die erst noch mit Leben gefüllt werden muss. Sage und schreibe fünf beamtete Staatssekretäre unterstützen den Minister, dazu kommen drei parlamentarische Staatssekretäre.

Rätselhaft ist mir, einem langjährigen erfahrenen Ministerialbeamten, wie das noch vernünftig koordiniert werden kann. Anfang der achtziger Jahre hatte ich unter zwei Ministern das Ministerbüro im Bundesfinanzministerium geleitet. In unserem riesigen Ministerium gab es neun Abteilungen, zwei beamtete und zwei parlamentarische Staatssekretäre. Ich saß regelmäßig bis in die Nachtstunden, damit der Minister den Überblick behalten und den Kopf für das Wesentliche frei halten konnte.

Auch der Sinn einer solchen Zusammenballung von Zuständigkeiten in einem Ministerium erschließt sich nicht. Das Ganze wirkt wie der Versuch einer Nebenregierung im Innenministerium und ist das genaue Gegenteil von Fokussierung.

Das steht an

Dabei könnte es so einfach sein. Horst Seehofer ist nun als Innenminister für alle jene Themen zuständig, die in den letzten Jahren zwischen ihm und Angela Merkel streitig waren. Wenn er seine Arbeit richtig macht, dürfen wir bald konkrete Vorschläge zu folgenden Themen erwarten:

Wirksame Beschleunigung der Asylverfahren

Zügige und vollständige Abschiebung der abgelehnten Asylbewerber

Versorgung und Betreuung von Kriegsflüchtlingen nahe der Heimat

Wirksamer Schutz der deutschen und europäischen Grenzen gegen illegale Einwanderung

Beschränkung der Einwanderung auf eindeutige Fälle politischen Asyls und auf qualifizierte Arbeitskräfte, derer kultureller Hintergrund zu Europa passt.

Beschränkung des Familiennachzugs auf anerkannte Asylbewerber

Verhinderung von Betrug und Sozialmissbrauch durch illegale Einwanderer

Vollständige Erfassung von und wirksamer Schutz vor islamistischen Gefährdern

Angebote für bessere Integration und Sanktionen für jene, die sich nicht integrieren und der europäischen Kultur und Lebensart ablehnend gegenüber stehen.

Um auf diesen Gebieten Erfolg zu haben, müsste Horst Seehofer energiegeladen, extrem fokussiert und bereit zum persönlichen Risiko sein, denn das Kanzleramt und das SPD-geführte Justizministerium werden ihm Steine in den Weg legen, wo es nur geht, und für Gesetzesänderungen braucht man sowieso die Stimmen aller drei Koalitionspartner im Bundestag.

Alle Geräusche des neuen Innenministers in den Medien werden sich je länger umso hohler anhören, je mehr Zeit ohne wirkliche Taten und Erfolge verstreicht.

Seinen ersten großen Aufschlag in den Medien machte der neue Innenminister mit der Äußerung, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört – eine Feststellung, die ungefähr so intelligent und weiterführend ist wie die gegenteilige Feststellung des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff im Jahr 2010, dass der Islam zu Deutschland gehört.

Unordnung als Ausweg

Die Vermischung von Norm und Wirklichkeit kann immer nur zu geistiger Unordnung führen. Richtig ist, dass in Deutschland einige Millionen Muslime leben. Richtig ist auch, dass die Art, wie viele Muslime sich von der Kultur der europäischen Aufnahmeländer abgrenzen und diese ablehnen, zu gesellschaftlichen Spannungen führt. Dafür sorgen auch unterdurchschnittliche Bildungsbereitschaft, überdurchschnittliche Kriminalität und die Bekleidungsvorschriften für das weibliche Geschlecht mitsamt seiner Unterdrückung. 

Horst Seehofer sollte Vorschläge machen, wie man solche Integrationsdefizite beheben kann, und er sollte seine undurchdachte Obergrenzenpolitik überprüfen. Die Wirtschaftsflüchtlinge und Asylbewerber, die nach Deutschland kommen, sind weit überwiegend Muslime, so dass sich das Problem, das Horst Seehofer zu bekämpfen vorgibt, durch seine Einwanderungspolitik ständig verschärft.

Angela Merkel wird alles tun, damit Horst Seehofer im Innenministerium über die eigenen Füße stolpert. Sie will ihn in seiner Ohnmacht vorführen. Für die einen wird er dann lächerlich wirken – als kläffender Hofhund, der seine Kette nicht abschütteln kann. Für die anderen wird er eine tragische Figur sein – als gefesselter Prometheus. Gescheitert wäre er in beiden Rollen. Als stolzer Adler, der über den Niederungen kreist, wird er jedenfalls nicht in die Geschichte eingehen, wenn er als Bundesinnenminister so weitermacht.

Zuerst erschienen auch in der Schweizer Weltwoche.

Foto: Mickey Bohnacker via Wikimedia Commons

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Chr. Kühn / 25.04.2018

Hoeflich kann man den Herrn aus Ingolstadt einen Dampfplauderer mit guten Absichten nennen. Unhoeflich einen Dummschwaetzer mit keinerlei Durchsetzungsvermoegen. Er steht also de Maiziere in nichts nach…und es wird von ihm ausser dem ewig gleichen Gebell wie in den letzten 2.5 Jahren nichts anderes kommen.

M. Wolf / 25.04.2018

“...als kläffender Hofhund, der seine Kette nicht abschütteln kann” - diese Formulierung gefällt mir! Ich fürchte auch, so wird er enden. Lieder hat das auch für D Konsequenzen.

Anders Dairie / 25.04.2018

Bei höchster Wertschätzung für Herrn Sarrazin:  Herr deMaiziere begleitete Frau Merkel seit 25 Jahren. Wie ein politischer Bodygard,  zugleich Berater in den Zeiten ihrer (noch) politischen Unbedarftheit.  Sie hätte ihn auch im Neuen Innenministerium untergebracht. Anscheinend war deMaiziere verbraucht.  Bayern bestehnt m.E. aus Religion,  Achtung der Traditionen und typisch deutschen Sekundärtugenden.  So, wie sie kaum ein Bundesland,  außer BaWü, noch aufweist. In der 200.000-er Frage hätte sich Seehofer und die CSU von der Koalition abspalten müssen.  Was als Indifferenz aussah, und medial ausgeschlachtet wurde, war in Wahrheit polit. Disziplin. Die hat ihm nicht mal geschadet.  Herr Söder war ohnehin der (allerdings ungemochte) Kronprinz.  Ob Frau Merkel nach dem Brexit, dem diplomatischen Desaster im Fall Trump und der Verdrängung durch Macron, nebst Euro-Fragen, noch “durchregieren”  kann, ist mehr als fraglich. Ein Politiker ohne Machtsicherung für den Apparat wird gewöhnlich “abgesägt”.

Peter Schmidt / 25.04.2018

Sehr geehrter Herr Sarrazin, bei allem Zuspruch für die von Ihnen aufgeführten Handlungsfelder: Wir wissen doch alle was passieren / umgesetzt wird!? ... Nichts. Es darf weiter um die Wette gedampfplaudert werden. Ankündigungspolitik: 120% Sollerfüllung; Umsetzung: 0%.

Stefan Bley / 25.04.2018

Niemand hat die Absicht in diesem Land noch irgendwelche Probleme lösen zu wollen. Also verwaltet man sein Amt bis zum Ausscheiden. Alles andere wäre schlichtweg zu komplex und würde in unserer linksgrünen Demokratie blockiert und damit des politische Ende derer besiegeln, die Reformen anzugehen tatsächlich bereit wären. Also schaffen wir uns weiter ab.

Fritz Kolb / 25.04.2018

Inhaltlich nach wie vor aktuell ist die Tatsache, die von der AfD schon anlässlich der BTW 2017 plakatiert wurde: „ Wer CSU wählt, bekommt Merkel“. Daran hat sich nichts geändert, die Konsequenz daraus haben Sie sehr richtig in Ihrem Beitrag beschrieben, Herr Sarrazin. Deshalb wird bei den anstehenden Landtagswahlen in Bayern in diesem Jahr wohl Ähnliches von Seiten der AfD ins Feld geführt werden, zurecht wie ich finde. Herr Seehofer hat vor ca. 2 Jahren einmal die richtigen Schlüsse gezogen, unterlegt mit einem Gutachten von Prof. Di Fabio. Aus Angst vor der eigenen Courage aber den Schwanz eingezogen, wie man so schön sagt. Spätestens von da an wurde er das Bild eines Bettvorlegers der Kanzlerin nicht mehr los. Und solange wie der Mann politisch aktiv ist, solange wird ihm das auch Image-gebend bleiben. Daran wird auch sein Kronprinz Söder in Bayern nichts ändern können, Landtagswahlen werden in den letzten Jahren eher mit bundespolitischen Themen entschieden.

Wilfried Cremer / 25.04.2018

Eine tragische und zugleich prophetische Figur, dieser Seehofer. Er betreibt gezwungenermaßen die politische Dreiteilung Bayerns (notvereinigte Linke, opportunistische Altkonservative, obskure Neurechte) nach der Vorlage Österreichs, als Modell für Deutschland.

Rainer Zangs / 25.04.2018

Meine Einschätzung? Herr Seehofer macht mit seinen Ankündigungen als Innenminister lediglich Wahlkampf für die CSU; d.h. nach der Wahl in Bayern rudert er an allen Fronten zurück und genießt die Ausrede, dass er in der großen Koalition die verlautbarten Pläne nicht umsetzen kann. Der Rückzug ist schon längst eingepreist; um die Umsetzung des Angekündigten geht es nicht, es geht um Bayern, genauer das Wahlergebnis der CSU dort.

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