Seehofer, der Luftvollzieher

Es gibt mindestens drei Legenden um Horst Seehofer.

Da gibt es den „Drehhofer.“ Der Politiker, der laut poltert und leise einsteckt. Der, der Worte malt und Taten vermissen lässt. Fast hätte Bayern in seiner Regie die unannehmbare Flüchtlingspolitik von Angela M. vor den Richter gebracht. Fast. Und beinahe wäre dadurch die Koalition gescheitert, die sich GroKo nannte. Knapp fühlte es sich an, als gäbe es ein Ende der Ära Mutti. Aber eigentlich sah der Ritt auf der Klinge vom Horst mehr nach Show aus als nach ernst gemeinten Oppositionsgedanken. Es handelte sich um die Kompensation eines Selbstbewusstseins, das eingesperrt war in einem viel zu großen und schweren Korpus. Die Gewissheit, dass Deutschland von dieser Absurdität befreit werden könnte, die auf den Namen Merkel hört, war vielleicht Wunsch, aber nie wirklich Ziel des Oberbayers.

Dann gibt es Horst, den Modelleisenbahner, der am liebsten gar nicht politisch ist und laut Gerüchten während des Lockdowns im Ministerium nächtigte. Ein gelernter Beamter, der aufblüht in der Unsichtbarkeit unter Akten und Sekretärinnen, Pressesprechern und Referenten. Der wie im Roman „Glücksbüro“ in Formulare verliebt ist, weil sie für ihn wie Symphonien sind. Der Verwaltungsinspektor schien im Dorado der Freude zu sein, als Luftvollzieher, der nichts muss, aber alles hat, was man zum medialen Sein noch braucht.

Und dann gibt es einen Horst Seehofer in der real existierenden Politik. Der, der keinen Grund sieht, warum es eine Studie geben soll, ob „racial profiling“ in der Polizei herrsche, aber eine Studie anstrebt, wie stark Gewalt gegen die Polizei ausgeprägt ist. Ein Spagat, der denklogisch im intellektuellen Dammbruch endet. Denn die eine Erhebung ist so korrekt wie die andere. Eine Überprüfung der Polizeiarbeit schafft Klarheit über die moralische Konstitution des Freunds und Helfers. Während eine Studie, inwieweit eben die Einsatzkräfte Gewalt ausgesetzt sind, ebenfalls wichtige Erkenntnisse evoziert. Für Kriminologie und Kriminalistik, für die Politik, die für beide Gesetze schafft.

„Migrationshintergrund“ ist eindeutig vordefiniert

Ich denke darüber nach, was in Stuttgart und nun in Frankfurt geschah. Überrascht bin ich nicht. Gewalt in Verbindung mit Alkohol und Drogen scheint zum festen Bestandteil mancher Feiernder geworden zu sein. Was betrübt, sind die Reflexe der Linksneurotiker. Täter muss man nennen und es muss erlaubt sein, über ihren Hintergrund zu sprechen. Wo sind wir denn, wenn man nicht mehr ohne weiteres – Stichwort Rudolf Augstein – sagen darf, "was ist?“ Was ist das für eine Zeit, wenn man hinter jeder Autobahn einen Neonazi sieht? Wie kaputt ist die Debattenkultur, wenn frei von Extremismen geltende Politiker an den Rand der Rechtsextremismus gestellt werden? Nur, weil sie eben das tun, was das Volk gerne will, nämlich „Sagen was ist“. Ist es wieder so weit, dass der Bote der schlechten Nachricht hingerichtet wird?

Wenn man über „Migrationshintergrund“ spricht, der längst zum Vordergrund mutierte, und wenn es dann um Probleme eben dieser Gruppe geht, wird schnell klar: Die Linksbesaiteten selektieren krude. Denn de facto hat ein Deutscher mit italienischer, oder griechischer oder tschechischer Familie einen „Migrationshintergrund“. Tatsächlich war keiner von dieser Herkunft in Frankfurt dabei, Terror zu verbreiten. Der Begriff „Migrationshintergrund“ betrifft ein bestimmtes Klientel, Spanier und Polen sind selten bis nicht gemeint, sondern Türken und Araber im weitesten Sinne. Von einem „Migrationshintergrund“ habe ich noch nie im Zusammenhang mit Thailändern oder Vietnamesen gehört. Ich habe da so einen Verdacht. Aber den zu äußern, bedeutet, dass man „AfD-nah“ sei, bestenfalls.

„Generalverdacht“ schafft unnötige Opfer

Ich finde, dass sich die Polizei gefallen lassen muss, hinterfragt zu werden. Es muss, wenn es Verdachtsfälle gibt, eine Studie geben, ob rassistische Tendenzen existieren. Vereinzelnd oder in toto. Das Argument „Generalverdacht“ ist hier auf vielen Ebenen falsch.

Erstens, ja, bei einer Untersuchung stehen nun mal alle, die dieser Gruppe gehören, erst mal unter Verdacht. So wie jeder Steuerzahler bei der Prüfung der Einkommenssteuererklärung unter Generalverdacht steht. Deswegen ist weder das Finanzamt rassistisch noch der Arbeitnehmer ein Opfer. Der Generalverdacht gehört zum Geschäft von Strafverfolgung und das ist auch völlig natürlich und in Ordnung. Selbstverständlich werden aufgrund von Erfahrungswerten der Ermittler schwarze Menschen in Hotspots, was Drogen angeht, mehr kontrolliert, wenn es entsprechende Erkenntnisse gibt. Das ist nicht „racial profiling“, das ist das, was gute Ermittler machen: sich auf ihre Erfahrung und Instinkt zu verlassen.

Zweitens schafft das Faktum „Generalverdacht“ einen unnötigen Opferstatus. Es kann gut sein, dass Polizisten Fehler begehen. Mit Sicherheit, sogar. Ich glaube jedoch, dass es keinen strukturellen, wenn, dann partiellen Rassismus gibt. Dagegen muss etwas getan werden, dafür ist die Untersuchung da. Die Polizei kann mit einer solchen Studie nur gewinnen. Einerseits ihren Markenkern, Freund und Helfer zu sein, zu bestätigen. Und andererseits die Rassisten unter der Uniform zu enttarnen und sie zu entfernen. Da ist mir Seehofers Haltung zur Studie fremd. Ich verstehe es nicht. Was hat er zu verlieren? Im Kontext von ausländischer Gewalt ist die Larmoyanz der Berufsmigranten ebenfalls keine Option. Natürlich muss man über die Hintergründe reden, Milieu, Sozialisation, Herkunft, und zwar ohne Scheuklappen. Im Fall der Polizei sollte der Standard gleich bleiben.

Doch der Luftvollzieher bleibt seiner Sache treu. Wenn der Spätherbst der Karriere sich über Jahre hinzieht, muss sich auch die CSU fragen, was in ihrer Kaderplanung schiefläuft. Seehofer hat den Zenit nicht überschritten, er ist noch nicht mal mehr in Sichtweite. Zenit heißt übersetzt übrigens „Richtung des Kopfes“. Die geht bei Seehofer steil nach unten. Und natürlich brauchen wir beides: eine Erhebung über die Gewalt gegen die Beamten, wie auch eine Studie über Rassismus in der Polizei.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Neomarius.

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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Peter Ackermann / 22.07.2020

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass es zu den beiden genannten Themen überhaupt keine Studien braucht. Aus zweierlei Gründen: a) Ich gehe davon aus, dass die Datenlage, die sich aus der Dokumentation von einerseits rassistisch motiviertem Verhalten Polizeibeamter und andererseits Gewalt gegenüber denselben ergibt, bereits ergiebig ist und für eine Einschätzung taugen würde. „Würde“, weil die zu erwartende Bilanz offenbar nicht ins politische Kalkül passt, was sich ja alleine schon durch die lückenhafte bis gänzlich ausbleibende Berichterstattung von Medien und Pressesprechern der Behörde bestätigt. Hier sollen zwei Studien modelliert werden, die zum einen dramatisieren, zum anderen marginalisieren sollen. b) wenn man demnächst keine Studie zu beauftragen gedenkt, die sich mit dem Vorkommen eingewachsener Fußnägel bei Beamten beschäftigt, um damit den hohen Krankenstand und eine gewisse Unzufriedenheit in der Truppe zu untersuchen, erscheint es sinnvoll, zunächst einen plausiblen und dokumentierten (siehe a)) Anfangsverdacht (vs. Generalverdacht) zu ermitteln, der in seiner Existenz und Intensität auch die Notwendigkeit einer expliziten Studie würdigt. Solange die Hausaufgaben a) und b) nicht innerhalb der Behörde mit den dort bereits installierten und dafür vorgesehenen Ermittlern erledigt sind bzw. die bisherigen Ergebnisse nicht die von Politikern erwartete Wirkung zeigen, ist jede der genannten Studien populistischer Mumpitz. Dass der Autor dennoch den Versuch einer Rechtfertigung unternimmt, ist zur Kenntnis genommen.

Frank Dom / 22.07.2020

Äh, nein, leider völliger Widerspruch. (1.) Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Studie bzgl Rassismus bei der Polizei zu einem objektiven Ergebnis kommt, dürfte nahe Null sein. (2.) Die Studie bejahen, würde als Vorveruteilung bzw Bestätigung eines Problems verstanden werden. (3.) Die Gewalt vom Goldstückemob wird systematisch geleugnet, und bei der Polizei soll es ein entsprechendes Problem geben? Dies wäre die Anerkennung des Lügenäthers, den Politik und Medien verbreiten. (4.) Was angemessen wäre: “So wenig, wie es einen strukturellen Rassismus in ‘schland gibt, gibt es diesen bei der Polizei. Einzelfälle wird es geben, diese können angezeigt werden und werden dann geahndet. Was es gibt, sind anmassende und dauerbeleidigte Aktivisten, insbesondere mit Migrantionsvordergrund, die auf Kosten der übrigen leistungslos Vorteile, Einfluss und Macht wollen und die offensichtliche Gewalt gegen Einheimische leugnen, relativieren und rechtfertigen. Dem treten wir entschieden entgegen.”

Bernhard Büter / 22.07.2020

..wie ist es möglich sich noch ernsthaft mit Versagern wie Seehofer zu beschäftigen? Wo kein Inhalt da ist Leere. Und die politische wie menschliche Leere von Seehofer ist doch das Qualifikationssiegel der gesamten Merkelbande. Deutschland im Zerstörungsgriff einer sozialistischen Polit- Mafia. Da ist sogar die gleichgenannte Organisation in Italien neidisch. Das Nuller- Thema Rassismus mit seinen ganzen dummen Nebenthemen beleidigt doch nur intelligentes Denken. Ein Misstrauensvotum wäre ein wirklich hilfreicher Beitrag zur Schadensbegrenzung

Rainer Niersberger / 22.07.2020

Nachtrag : Zu Seehofer, zutreffend beschrieben, erübrigt sich jeder Kommentar. Fuer Politamoeben waere jede Zeile verschwendet.

Rainer Niersberger / 22.07.2020

Wir brauchen keine Studie ueber die Gewaltbereitschaft der Polizei gegen wen auch immer, sondern eine Studie darüber, wie PolizistInnen, das “innen betone ich hier aus Erfahrung sehr bewusst, mit ihrer Funktion umgehen, Bekanntlich gab und gibt es auch Ausraster und” Uebertreibungen"gegenüber Weissen anlässlich der Ausuebung von Grundrechten bei Demonstrationen, es gibt, aehnlich wie in den USA, durchaus auch Übergriffe gegenueber Autochtone aus nichtigen Anlässen, erlebt zum Beispiel bei einer Grenzkontrolle deutscher! GrenzueberwacherInnen an der schweizerisch/deutschen Grenze. Es sind zuviele, die charakterlich/geistig dieser Aufgabe mit hoheitlichen Machtbefugnissen nicht gewachsen sind oder damit kompensieren, und das trifft keineswegs nur Migranten. Diese Konzentration geht an der Sache vorbei und dient lediglich linksgruenen IdeologInnen, die hier ganz andere Ziele verfolgen. Ob z. B. die Verhängung von 500 euro Geldbuße pro Person! gegen drei 15 jährige, nicht migrantischer Herkunft, wegen eines angeblichen Coronaverstosses, sie trafen sich auf dem Fahrrad sitzend und unterhielten sich ohne maske, rechtsstaatlich angemessen ist, darf man bezweifeln. Eine qualitative Untersuchung des Personals ja, eine Verbesserung der Rekrutierung ja, eine Beschränkung auf (vermeintlichen) Rassismus nein.

Claudius Pappe / 22.07.2020

Ich widerspreche dem Autor. Wir brauchen keine Studie über Rassismus in der Polizei oder sonstwo. Wir brauchen eine Studie über die unsägliche Asylpolitik-was macht es aus unseren ehemals friedlichen und erfolgreichen Land . Wir brauchen eine Studie über den Rassismus der Asylanten gegenüber Deutschen.

Gudrun Meyer / 22.07.2020

Eine Studie über Rassismus in der Polizei wäre nur dann sinnvoll, wenn die echte Definition von Rassismus zugrunde gelegt würde: Rassismus ist die unkorrigierbare Überzeugung, Menschen einer bestimmten Gruppe oder mehrerer Gruppen wären von Natur aus oder gottgewollt minderwertig bis bösartig. Im D der Gegenwart ist dieses echte Kriterium kaum bekannt, dafür gilt es schon als “rassistisch”, die Tatsache zu benennen, dass es relativ mehr gewalttätige junge, männliche Muslime als gewalttätige junge Männer anderer Gruppen gibt. Gerade die erwähnten Migranten aus kulturell europäischen und ostasiatischen Ländern, die nicht häufiger als die ethnisch Dt kriminell werden (zum Teil sogar seltener), werden aus Debatten völlig herausgehalten. Eine “Studie über Rassismus”, ob in der Polizei, der Schwefelpartei oder auch in kulturell schwer bereicherten Stadtvierteln, wo ein paar böse Eingeborene und muslimische Abweichler leben (müssen), ist vollkommen überflüssig, solange der Rassismus identitätslinks definiert wird.

Heinz Becker / 22.07.2020

Meine Vermutung, wie die Sache ausgeht: Eine Rassismus-Studie wird erstellt, Ergebnis: Einzelfaelle gibt es, die hat man aber - mit aller Haerte des Gesetzes - im Griff. Die Gewalt-Studie kommt nicht - das Ergebnis muesste stark manipuliert werden, sonst wuerde es womoeglich verunsichern. Meine Meinung: Keine der beiden Studien ist erfordelich, da die Zahlen zu beiden Themen vorliegen und nur VERNUENFTIG interpretiert werden muessten, und da liegt der Hase im Pfeffer…Lustig waere aber mal eine Studie zur Motivation der vom Steuerzahler insgesamt recht ueppig - jedenfalls im Verhaeltnis zum Outcome - alimentierten Buerger in Uniform…Meine Forderung daher: Die Zahl der Polizeistellen halbieren - es kommt sowieso nichts Vernuenftiges dabei heraus - und das gesparte Geld dem Weissen Ring zur Verfuegung stellen.

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