Erik Lommatzsch, Gastautor / 18.06.2018 / 13:35 / Foto: Pixabay / 14 / Seite ausdrucken

Seehofer-Bühne verlängert Gastspiel

Könnte es bitte einmal jemand klar aussprechen? Der Wechsel von der Position des bayerischen Ministerpräsidenten auf den Sessel des Bundesministers des Inneren ist ein veritabler Abstieg. In einem Alter, in dem man sich in den Ruhestand und eine Reihe von Ämtern begeben könnte, die mit „Ehren…“ beginnen, ist es eine Peinlichkeit sondersgleichen. Sofern Lebensleistung vorhanden, wird diese massiv beschädigt. Die Bundesrepublik ist keine Modelleisenbahnplatte, an deren verschiedenen Ecken man nach Lust und Laune werkelt. Sollte man denken. Eigentlich.

Was treibt die CSU gerade jetzt zur… gut, nennen wir es Opposition in der… gut, nennen wir es Asylpolitik? Auf die Verfassungsklage war seinerzeit verzichtet worden. An den vollmundigen Bayernplan erinnern sich wahrscheinlich nicht einmal mehr die Archivare der CSU. Ist dem Parteivorsitzenden erst jetzt aufgefallen, dass der Kanzlerin im Unterschied zur nicht mehr ganz so großen Koalition der letzten Legislatur Stimmen fehlen würden, würde die Schwesterpartei sich lossagen und die Fraktion auseinanderbrechen lassen? Gut, auch andere Anreize gibt es genug, zum Beispiel, eine sich gern volkstümlich äußernde SPD-Frau, die dazu aufruft, die Unionsparteien sollten doch ihren Streit beilegen. War da noch etwas? Ach ja, die Sache mit dem Iraker, der in das Land, aus dem er geflohen war, zurückgeflohen war, nachdem er, hierzulande eher unüblich, ein wenig gemordet hatte. Gar nicht gut. Und das schlimmste für die Bundesregierung: Die schlechte Presse! Was ja bekanntlich das Allerwichtigste ist. Dagegen muss schon etwas getan werden. Zum Beispiel eben ein kleiner Aufstand des aus Kanzlerinnenperspektive gerade noch mit dem Demokratieetikett versehenen äußeren rechten Randes des „demokratischen Spektrums“.

Vielleicht wird der bayerische Rentner ausgetauscht

Ob im Hinterzimmer geprobt wird? Andererseits wurde das Stück schon so oft aufgeführt, dass die Texte bekannt sein sollten. Die Passage mit „Kreuth“ (Anspielung auf die unter Franz Josef Strauß avisierte und dann abgeblasene Trennung der CSU von der CDU) ist dabei eine besonders schöne Stelle des mehrfachverwendungsgeeigneten Drehbuchs. Horst Seehofer, der in Bayern und mittelbarer politischer Zukunft entbehrlich ist, hat die Hauptrolle bekommen (oder eher: er hat sie sich genommen). Da ist sie nun ganz schön in der Bredouille, die Chefin. Was sie sich nicht alles anhören muss. Aber, aber… nein, wir regeln das „europäisch“, denn wir wissen: „Europa zerbricht“ sonst!

Praktisch ist es auch, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können. (Das ist übrigens kein Gewaltaufruf, sondern ein Sprichwort.) In Bayern steht eine Landtagswahl bevor, und die „undemokratische“ Rechte (da laut Strauß rechts von der CSU nur die Wand kommt, sitzt diese dann wahlweise in oder hinter der Wand) schickt sich doch tatsächlich an, ihren Hut in den Ring zu werfen. Denen kann man es verbal zeigen. Vor allem aber: Die große Galavorstellung auf der Bundesregierungsbühne läuft wieder mal perfekt ab. Ganz klar wird gesagt, dass es „mit uns“ ein „weiter so“ nicht gibt. Nicht mit der CSU! Wenn das alle gehört haben, findet man, nach harten Verhandlungen, einen Kompromiss, „mit dem wir alle leben können“ und mit dem „wir es uns alle nicht leicht gemacht haben“. Die Darsteller dieses Theaterstücks werden auch in Zukunft Gelegenheit haben, sich dem zwar mitunter irritiert, aber mehrheitlich irgendwie doch Beifall spendenden und weiter Eintrittskarten kaufenden Publikum zu präsentieren.  Lediglich der bayerische Rentner könnte demnächst ausgetauscht werden. Aber so etwas ist, wie auch bei großen Wagnerschen Heldentenören, allein eine Frage des Alters und der nachdrängenden Jungehrgeizlinge.

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Leserpost

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Rolf Menzen / 18.06.2018

Gerade Merkel gehört. Es wird wohl doch ein Schrecken ohne Ende werden.

Erika Eschweiler / 18.06.2018

Sehr geehrter Herr Dr. Lommatzsch, wenn ich Ihren Kommentar lese ist mir nur übel, nicht wegen Ihrer wahren Worte, sondern weil dieses “Theaterstück” seit Jahren erfolgreich aufgeführt wird. Freundliche Grüsse Erika Eschweiler

Markus Hahn / 18.06.2018

Die Kanzleramtsmitarbeiter grübeln zusammen mit den Staatssekretären des Innenministers sowie den Spezis aus der bayerischen CSU-Zentrale über eine atmende Formulierung, die in 14 Tagen so viel Hoffnung auf eine baldige “europäische Lösung” suggeriert, dass man auf den Vollzug der Grenzkontrollen in Eigenregie verzichten könne. So viel Wählerverdummung war selten. Vermutlich waren die “Leit"medien von vornherein mit einbezogen und sorgten für ein bißchen Theaterdonner und Rauch aus der Requisite. Aber nun lässt man knallhart die “Flüchtlinge” nicht mehr einreisen, die “Einreiseverbot” haben. Das ist ein Fall für die UN-Menschenrechtskomission.

Axel Berger / 18.06.2018

Die Quittung für dieses unsägliche Theater folgt im Oktober. Das ist zumindest meine Hoffnung - und diese stirbt bekanntlich zuletzt.

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