Manfred Haferburg / 03.10.2024 / 14:00 / Foto: KI / 54 / Seite ausdrucken

Posse: Elektrofähren unter sich – „Missunde III“ grüsst “Welt Ahoi!“

Ein Unglück kommt selten allein. Und so können wir heute schon unserer Solarfährenposse ein neues Kapitel hinzufügen. Es spielt etwa zwei Stunden entfernt von Missunde, nahe Travemünde.

Ei, wer hätte das gedacht. Im Abspann des Achse-Artikels „Solarfähre von Missunde – kein Glück und dann noch Pech” schrieb ich auf der Achse: „Vielleicht können wir ja irgendwann einen sechsten Akt zu dieser Posse hinzufügen“. Oh, göttliche Fügung, genau einen Tag später flattert der sechste Akt direkt auf meine Laptoptastatur. Unsere Missunde-Misere ist nicht mehr einsam. Sie hat eine Leidensgenossin gefunden. Geteiltes Leid ist halbes Leid? Nö, geteiltes Leid sind doppelte Kosten für den Steuerzahler.

Die Priwallfähre gehört zu den ältesten Schiffsverbindungen in Norddeutschland und besteht seit dem 13. Jahrhundert. Zu dieser Zeit wurden ein Kahn zum Übersetzen eingesetzt, der Waren, Vieh und Menschen aus Mecklenburg nach Travemünde und Holstein und retour transportierte. In moderneren Zeiten verrichteten dieselgetriebene Fähren brav ihren Dienst und setzten drei Millionen Passagiere und eine Million Autos über. Wenn etwas schon ein paar hundert Jahre funktioniert, dann kommen ganz plötzlich und ungefragt diverse profilierungssüchtige Gesellschaftsklempner daher und schicken sich an, es zu verbessern.

Eine Hybrid-Fähre für fünf Millionen muss her!

Am 11. Juni 2020 beschloss der Aufsichtsrat der Stadtwerke Lübeck die Anschaffung einer dritten Autofähre mit Hybridantrieb, also mit diesel-elektrischem Antrieb. 

Denn der Lübecker Bürgermeister Jan Lindenau hatte die neue Fähre als wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einem emissionsfreien Fährverkehr zwischen Travemünde und dem Priwall gewürdigt: „Mit der Möglichkeit, künftig auch vollelektrisch zu fahren sei sie zudem ein weiteres Element, um Lübecks Ziele für den Klimaschutz im wichtigen Bereich der Mobilität zu erreichen“, sagte Lindenau, „Klima, Tourismus, Anlieger:innen – alle profitieren von dem jetzt auch seemännisch gesehen klimafreundlichen Kurs, den die Stadtwerke Lübeck Mobil mit diesem Neubau eingeschlagen haben.“ Andreas Ortz, Geschäftsführer Stadtwerke Lübeck Mobil, verkündete: „Jetzt fahren nicht nur E-Busse auf Lübecks Straßen – auch der Einstieg in einen emissionsfreien Schiffsbetrieb ist geschafft. Dies unterstreicht unseren Anspruch, auf allen Feldern Klimaschutz in der Mobilität zu gestalten und voranzutreiben“. 

Den Zuschlag zum Bau erhielt die Stralsunder Werft Ostseestaal, die bereits über Erfahrungen im Bau von Elektroschiffen verfügte. Geschätzte Investitionskosten waren 4,2 Millionen Euro, später wurde laut Stadtwerke ein Festpreis von fünf Millionen Euro vereinbart.  Anfang November 2022 erfolgte die feierliche Kiellegung in der Werft. Im November 2023 war die neue Fähre mit einiger Verspätung fertig.

Weltoffen, modern und zukunftsorientiert wollte sich der Fährbetrieb geben. Daher wurde die neue Hybridfähre am 14. Mai 2024 auf den Namen „Welt Ahoi!“ getauft. Mit Ausrufungszeichen, darunter machen sie es nicht an der Küste. Für die 70 geladenen Gäste bei der Taufe gab es Häppchen und Sekt. Ein paar Wochen später sollte die „Welt ahoi!“ ihren Regelbetrieb aufnehmen, so war der Plan. Doch wie sagte Bertolt Brecht dereinst so weise? „Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ’nen zweiten Plan. Geh’n tun sie beide nicht“.

Die neue Fähre liegt still wie die Missunde III

Seit ihrer Ankunft in Travemünde am 27. November 2023 liegt die „Welt ahoi!“ meist fest vertäut. Von Anfang an gab es Probleme. Zuerst wurde festgestellt, dass die Ladeklappen der Fähre nicht zu den Anlegern passten. Sie wurden von der Werft umgebaut. Später wurde bemängelt, dass Fußgänger und Radfahrer nur eine Seite nutzen können. Bei den beiden älteren Fähren „Travemünde“ und „Pötenitz“ ist für sie Platz auf beiden Seiten vorgesehen. Bei Probefahrten soll sich ein „komplexes Fehlerbild bei der Steuerung“ gezeigt haben. Zudem sollen die Batterie-Packs defekt sein. Alles Ursachen dafür, dass die „Welt ahoi!“ bisher nicht ihren Dienst aufnehmen konnte. 

Bild berichtet: „Werft und Auftraggeber streiten sich jetzt über Ursache und Zusatz- und Reparaturkosten“. Die Umweltbewegten haben sich nämlich zu früh gefreut und zu früh geblecht. Die „Welt Ahoi!“ ist bereits vom Auftraggeber, den Stadtwerken Lübeck, abgenommen und bezahlt worden. Nun wird’s schwierig mit einer Reklamation, ein langer Rechtsstreit steht ins Haus. Immerhin hat das gute Stück ja fünf Millionen Euro gekostet. 

Es tuckern die Diesel über die Trave

Der Bürgermeister und der Geschäftsführer haben sich derweil diskret in die Büsche geschlagen. Jetzt muss der Stadtwerke-Sprecher Lars Hertrampf ran: „Wir bedauern sehr, dass die Welt ahoi! als Aushängeschild eines modernen, emissionsarmen Fährverkehrs aktuell nicht in Betrieb gehen kann. Alle Beteiligten sind sich aber darüber einig, dass es zielführender ist, bis auf Weiteres auf jegliche Fahrten zu verzichten, um jetzt von Grund auf die Behebung aller Fehler anzugehen“. Natürlich wird mit Hochdruck an der Fehlerbeseitigung gearbeitet.

Wenigstens haben die Lübecker ihre alten Dieselfähren nicht an die Dänen verkauft. Die tuckern daher jetzt zuverlässig weiter. 

Noch ein Hinweis für die Öko-Fähren-Betreiber. Liebe Schleswig-Holsteiner, da geht noch was, falls mal die Sonne nicht scheint. Nehmt Euch mal ein Beispiel an Scandlines, die bauen ein Riesenrohr, einen Flettner-Rotor, auf Ihr Deck und nennen das Ungetüm „Rotorsegel“. Das soll vier bis fünf Prozent des Dieseltreibstoffes einsparen, oh la la. Vergesst aber nicht, die Durchfahrtshöhe von Brücken zu messen, durch die ihr eventuell auf eurer Reise in eine bessere Zukunft fahrt.

Bedauerlicherweise wurde in diesem Beitrag nicht auf die Lübecker Nachrichten verwiesen, die eine wesentliche Quelle für diesen Artikel darstellten. Das holen wir hiermit nach. Hier der Link zum Artikel von Thomas Krohn.

Manfred Haferburg wurde 1948 in Querfurt geboren. Er studierte an der TU Dresden Kernenergetik und machte eine Blitzkarriere im damalig größten AKW der DDR in Greifswald. Wegen des frechen Absingens von Biermannliedern sowie einiger unbedachter Äußerungen beim Karneval wurde er zum feindlich-negativen Element der DDR ernannt und verbrachte folgerichtig einige Zeit unter der Obhut der Stasi in Hohenschönhausen. Nach der Wende kümmerte er sich für eine internationale Organisation um die Sicherheitskultur von Atomkraftwerken weltweit und hat so viele AKWs von innen gesehen wie kaum ein anderer. Im KUUUK-Verlag veröffentlichte er seinen auf Tatsachen beruhenden Roman „Wohn-Haft“ mit einem Vorwort von Wolf Biermann.

Foto: KI

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A. Ostrovsky / 03.10.2024

@Andreas Rochow : >>Es geht allenfalls “hybrid” also mit doppelter Energieversorgung - ganz wie zu Lande. Der woke Antrieb funktioniert nämlich nicht. Das sollten gerade die Stadtwerke Lübeck wissen. Auch linksgrün-woke Propaganda bewegt nichts und wenn doch, dann ist das konventionellen, fossilen Brennstoffen zu verdanken. Man muss es sich nur leisten können. Einzig wer für die Panne mit der Fähre zahlen soll, steht felsenfest.<< ## Jetzt machen Sie mal halblang. Dieselelektrische Antriebe gibt es seit Jahrzehnten, das heißt der Antrieb selbst ist ein Elektromotor! Funktioniert nicht ... Was für ein Unsinn!!! Und “linksgrün-woke” muss sein, wo es doch offensichtlich die Unfähigkeit von Leuten ist, die linksgrün nur als Feigenblatt tragen und “woke” nur, damit faschistiode Chaoten ihnen nicht an die Rathauswand urinieren. es ist ANPASSUNG. An welchen Druck? Wer macht diesen Druck? Sind es vielleicht die, die heute so hetzen und morgen andersrum. Dieses Natterngezücht muss trockengelegt werden, weil das der Grund allen Übels ist. Nuklearfähren sind doch längst in der Planung! Können Sie es gar nicht abwarten? Die arbeiten dann mit vier Fluids. Eins unten drunter und eins fließt direkt in den Geldbeutel. Vierte Generation der Fähren. Nur die Bürokraten werfen noch Knüppel zwischen die Rollstuhlräder! Aber die werden auch noch bezwungen, oder totgequasselt.

S.Buch / 03.10.2024

Hier ist auch schon der siebte Akt: „Die Wasserstoffzüge stehen in der Werkstatt, stattdessen fahren Busse, mal wieder: Seit fast zwei Jahren fallen im Taunus ständig Bahnen aus. Auch andere Regionen verzweifeln an der Technik. Jetzt setzen sie auf eine Alternative. Die Hoffnungen waren groß, als im Dezember 2022 die ersten Wasserstoffzüge im hessischen Taunus in Betrieb gingen. Auf Strecken, die über keine Oberleitungen verfügen, soll Wasserstoff den Zugverkehr klimafreundlicher machen – gleich 27 solcher Züge sollten dort fahren und Dieselfahrzeuge ablösen.“ Nachzulesen im SPON-Artikel „Blamage für die Brennstoffzelle“. Ja, richtig gelesen: für die Brennstoffzelle, nicht für die Verantwortlichen.

T. Murx / 03.10.2024

Die “Durchfahrtshöhe von Brücken” braucht nicht gemessen zu werden, da diese in D-Land termingerecht einstürzen, oder, falls alle Stricke reißen, nach dem Vorbild der Kraftwerke gesprengt werden können.

Albert Martini / 03.10.2024

Die Verlautbarungen von Bürgermeister und Geschäftsführer sind von Sil und Inhalt her astreine DDR-Jubelmeldungen, auch die Lücke zwischen Plan und anschließender Produktion passt perfekt. Es ist schaurig und traurig, auf welches Niveau die Deutschen ihr Land heruntergewählt haben

Irene Luh / 03.10.2024

“[...] und verbrachte [..] einige Zeit unter der Obhut der Stasi in Hohenschönhausen. [...]” (Zitat) ++ War das nicht der Knast, das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen, wo die Wärter mit Pantoffeln herumliefen, damit sie die Gefangenen jederzeit “überraschen” konnten? Diese terrorisierten? Und Ampeln, Verkehrsampeln im Inneren des Gefängnisses, in den Fluren, aufgestellt, damit ein Gefangener den anderen nicht sehen konnte, damit es keine Begegnung gab? Und wo es mindestens einen Gummiraum gab, ohne Bett, ohne etwas drin? ++ Grausam. So ticken diese kranken Linken, diese Faschisten. ++ Das muß man den Leuten klar sagen. ++ Sie sind ein Held, verehrter Autor. ++ Danke auch für diesen erhellenden Artikel.

Birgit Hofmann / 03.10.2024

Och gottchen, betrifft ja nicht nur Fähren, hier vor Ort an der Küste verkehren Wasserstoffzüge, in letzter Zeit allerdings öfters mal nicht, kein Wasserstoff lieferbar….super, wenn man dringend mal wo hin muss, z.b zur Arbeit. Es ist alles nur noch lächerlich und monströs., Unfähigkeit, soweit das Auge blickt.

Jürgen Rhode / 03.10.2024

Schilda ist ein “Fliegenschiß” im Vergleich zu dem, was in Deutschland passiert.

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