Julian Marius Plutz, Gastautor / 30.06.2020 / 06:00 / Foto: Pixabay / 107 / Seite ausdrucken

Schwule Tote stören nur

Von Julian Marius Plutz.

Es war 2 Uhr zur Nacht, als Omar Mateen seinen übrig gebliebenen Rest an Menschlichkeit ablegte. Mit Gewehr, Pistole und einer finsteren Religion ausgestattet, betrat er den Schwulenclub „Pulse“ in Orlando und tötete 49 Menschen. 53 weitere wurden teils schwer verletzt und leiden bis heute an den Folgen. Im Juni 2016 begann das große Schlachten in Florida, was nach 9/11 als der schlimmste islamische Anschlag in den USA gilt.

Für Homosexuelle ist dieser Tag Zäsur und Schmerz zugleich. Orlando ist bis heute Albtraum für die Szene und in seiner Brutalität und Bildhaftigkeit präzedenzlos. In der Nacht beim Feiern mit Freunden oder dem Partner beschließt ein Mensch, ihre Existenzen zu beenden. Einfach so. Weil sie so waren, wie er es nicht ertrug und sie so lebten, wie er es vielleicht nie konnte.

Selbst für mich als emotional eher unmusikalischen Menschen berührt das One-Take-Video von Sia, die in einer unfassbar starken Performance den Anschlag vertont und im Bewegtbild visualisiert. Und mich bewegt Orlando. Es stimmt, ein Angriff auf „die Seinen“ trifft mehr, emotionalisiert mehr, als ich es für möglich gehalten hatte. Und auch wenn ich nicht der krasseste aller krassen Szenegänger bin, so hätte ich dort sein können. Obwohl ich mich eine Zeit lang gewehrt habe, es nutzt nichts: Ich bin auf irgendeine schiefe Art Teil dieser Community, die heterogener ist, als sich das manche vorstellen können.

Am 20. Juni dieses Jahres schlachtete ein Libyer drei Engländer in Reading, einer Stadt in Großbritannien. Sie hörten auf die Namen James Furlong, Joe Ritchie-Bennett und David Wails. Namen, die außerhalb den britischen Medien kaum jemand gehört haben dürfte. Denn neben dem Szenenportal queer.de berichtete lediglich Tichys Einblick über die Tat. Sie wissen schon, das Medium, dessen Betreiber laut Claudia Roth ein „Stichwortgeber für rechte Hetze ist“, die man „benennen müsse“. Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Roth, hat „TE“ James, Joe und David eine Stimme gegeben, wofür ich dem Herausgeber und dem Autor sehr dankbar bin.

Wir leben in einer Zeit, in der Solidarität für eine Randgruppe nur dann durchdringt, wenn sie dem Zeitgeist entspricht. Schwule waren 2017 die nützlichen Idioten, als man die „Ehe für alle“ in einem schmierigen Wahlkampfmanöver in den Vordergrund rückte, während am selben Tag das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verabschiedet wurde, was bis heute der Homoehe einen bitteren Beigeschmack gibt.

Für SPD und Grüne gaben Schwule und Lesben den Steigbügel. Man ließ sich feiern,  heiratete und freute sich einen Ast ab, 15 Minuten goldene Randgruppe zu sein. Traumschön.

„Der momentane Zeitgeist ist gar nicht mal so geistreich“

2020 sind die goldene Randgruppe die Schwarzen. Da geht nix drüber. Die Angehörigen von James, Joe und David haben einfach Pech gehabt, nur ein paar englische Weißbrote als Freunde und Brüder gehabt zu haben und die Pigmentierung der Opfer nicht so weit fortgeschritten ist, dass man sie „People of Color“ nennen dürfte. Was hier stattfindet, ist eine Verhöhnung von Gewalt, die mich – emotional unmusikalischer Mensch – wütend macht und traurig. Sind die Jungs weniger wert, weil sie weiß sind? Zu dem Schluss muss man kommen. Und das, liebe Freunde vom Linksgrünverein, liebe Claudia Roth: Das ist Rassismus.

Alle Solidaritätsbesoffenen springen auf den Zug der Black-Lives-Matter-Bewegung. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn alle einhellig für eine Sache sind, ist das für mich Grund genug, sich skeptisch mit dem Thema auseinanderzusetzen. Und es tut mir leid, aber wenn ein Libyer drei Schwule absticht, weil sie homosexuell sind, dann erwarte ich etwas mehr Aufmerksamkeit für die Gefahren für homosexuelles Leben.

Doch der momentane Zeitgeist – so laut dem Rapper Fatoni – sei gar nicht mal so geistreich. Wie recht er doch hat. Denn es hat den Anschein, dass die Diskussion um Gewalt verhindert werden muss, weil es jetzt doch um Schwarze zu gehen hat. Frei nach dem Motto: „Wer diskriminiert wird und wer nicht, bestimme immer noch ich!“ Und in diesen Zeiten scheint „Die Nacht der langen Messer“ mehr zu sein als ein historischer Begriff, viel mehr eine Alltagsbeschreibung im Plural. Doch dabei gibt es die Gewalterfahrungen. Nicht nur bei mir, von Übergriffen berichten viele, siehe hierhier oder hier.

Und auch hier ergeben sich statistische Schwierigkeiten. Zum einen liegt die Dunkelziffer schwulenfeindlicher Angriffe höher als die Statistik. Wenn ich darüber nachdenke, habe auch ich einen kleineren Fall nicht angezeigt. Eine offensichtlich unter Drogen stehende Frau sprang mich im Bahnhof mit spitzen Schuhen an, nachdem sie uns, Hand in Hand gehend, verfolgt und mit „Schwuchtel“ beschimpft hat. Es war zwar nur eine kleine Platzwunde am Oberschenkel, aber eigentlich hätte ich dies – allein, um die Statistik richtiger zu machen – anzeigen müssen. Etwas, das ich in Zukunft tun werde.

Eine andere Schwierigkeit besteht in einem altbekannten Problem. Nämlich, dass die Herkunft des Täters in vielen Bundesländern nicht in den Statistiken auftaucht. Doch das wäre für Prävention und Strafverfolgung wichtig. Hier geht es nicht um Schuldzuweisungen. Doch ist es für die Polizei wichtig, worauf sie achten muss. Ferner sollte es für die Politik Anlass für Rückschlüsse geben, falls sie auf den naheliegenden Gedanken kommt, Zuwanderung zu steuern.

Den Opfern fehlte das Timing

Ein weiterer Grund ist, warum der Mord der Drei in Deutschland keine Rede wert ist, scheint mir nicht nur die falschen Opfer zu sein, sondern auch der falsche Täter ist das Problem, der nicht ins Narrativ zu passen scheint. Bei #Blacklivesmatter sind Schwarze Opfer. In Reading war jedoch ein Schwarzer Täter. Auch das passt nicht in den Zeitgeist. Die Geschichte des ewigen schwarzen Opfers darf ja keine Risse bekommen, denn sie sind die Bessermenschen, die unter Generalschutz stehen. Eine so brutale Straftat stört da nur.

Ich gehörte 2015 zu den Kritikern der Flüchtlingspolitik. Während Angela Merkel ein fragwürdiges Experiment mit humanitären Gründen erklärte, die meines Erachtens vorgeschoben waren, erklärte ich meine Haltung dazu eben auch mit humanitären Erwägungen. Wollen wir wirklich so viele Menschen unkontrolliert ins Land lassen, die aus Ländern kommen, in denen Homosexualität aufgrund der Religion als Sünde angesehen wird? Haben wir nicht mit dem ansässigen Schwulenhass genug zu tun? So argumentierten viele Randgruppen, meist hinter vorgehaltener Hand, die ihr Dasein als 15-minütige goldene Randgruppe hinter sich hatten, oder nie in das zweifelhafte Vergnügen kamen.

Orlando bleibt für viele Homosexuelle ein emotional schmerzhaftes Erlebnis. Die drei Opfer aus Reading haben das womöglich auch so gesehen. Nun sind sie tot, und kaum ein Medium in Deutschland berichtet. Um Namen zu vergessen, muss man die Namen kennen. George Floyd war für die Solidaritätsbesoffenen das richtige Opfer zur richtigen Zeit. James, Joe und Davids Schlachtung fehlte es am Timing. Der Zeitgeist will schwarze Opfer, für Homos reicht die Empörung nicht.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Neomarius.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Wolfgang Kaufmann / 30.06.2020

Sie müssen schon verstehen, dass es eine Opfer-Hierarchie gibt. Im Kampf gegen das Establishment sind Frauen nur dritte Wahl (weder Verstümmelte noch Gemesserte), Homo-Personen sind immerhin zweite Wahl, aber wirkliche oder vermeintliche People of Colour stechen alle anderen aus. – Wehe einer Person aus einer Einwandererfamilie wird öffentlich Doppelmoral vorgeworfen, wenn sie sich von dem „Müll“, den sie bekämpft, beschützen lässt; da mag sie noch so arisch sein. – Bei dieser Aufführung geht es ja nicht um die Opfer, sondern eine politisch korrekte Clique, intellectually challenged, spielt sich in den Vordergrund, indem sie bei jedem sinnvollen und unsinnigen Einsatz in den immer gleichen Refrain einstimmt: gegen die westliche Gesellschaft und unsere Leitkultur.

Andreas Rühl / 30.06.2020

Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen, im Randgebiet zwar, aber auch dort waren die einheimischen noch in der Überzahl. Dort gab es 2 Schwule. Mich erstaunt heute, dass das von Calvinismus geprägte Dorf kein Problem mit ihnen hatte. Eher damit, dass der eine ein Tunichtgut und Faulenzer war, mit Anfang dreißig Frührentner, das war der Makel schlechthin. Klar machte man sich lustig. Aber Gewalt? Unvorstellbar. Es stellt sich mir die Frage, ob nicht die Fixierung staatlicher Politik auf Gleichstellung, der Kampf gegen Homophobie diese Gewalt erzeugt hat. Der Druck, nicht homophob erscheinen zu duerfen, erzeugt eben auch Gegendruck. Dasselbe gilt für den Rassismus. Hier müssen die Zusammenhänge endlich ausgeleuchtet werden.

Carlos Redder / 30.06.2020

Gut. Momentan also der edle Schwatte. Egal wie. Diese in immer atemloseren Abständen aufblubbernden Massenempörungen erinnern fatal an das “finstere” Mittelalter. Die menschliche Ratio hat nicht mit der rasanten Entwicklung von Wissenschaft und Technik Schritt gehalten, da klafft eine Bresche von 500 Jahren. Sozusagen: Smartphone am Ohr - aber nur zwei Zentimeter daneben dümpelt unter der Fontanelle das emotionale Niveau von Wiedertäufern und Geißlern. Apropos, meine Lieblingsempörung ist immer noch die völlig ausgelutschte Pussyhat-Nummer. Die hat so eine urweibliche haut goût Note…einfach schön.

Wolfgang Nirada / 30.06.2020

Zwischen der ehemaligen Nazipresse, der widerlichen ekelerregenden aktuellen deutschen Propagandalügenpresse, der Nordkoreanischen Presse und der Propagandaabteilung des IS besteht für mich nicht der kleinste Unterschied. Verlogen dreckig mies selbstbesoffen und natürlich trotzdem immer auf der RICHTIGEN SEITE!!! Dass über die drei ERMORDETEN Schwulen nicht berichtet wurde wundert mich doch etwas - sitzen doch in den Redaktionen der Haltungspresse überwiegend ähnlich orientierte herum… Aber es ist wirklich so: beim falschen Täter wird fein die sonst überlaute Fresse gehalten. Von den schwerverletzten Kindern vom Faschingsumzug in Volkmarsen hat man z. B. NIE WIEDER WAS GEHÖRT…

W.Rademacher / 30.06.2020

Sehr gut geschrieben. Stimme dem voll zu. Leider wird es kaum jemanden in unserer Gesellschaft interessieren. Und die wenigen die es interessiert und ihre Stimme erheben werden rigoros von den anderen niedergemacht. Das erlebe ich aber seit Jahren und es wird immer schlimmer. Aber so ist das wenn man Politiker hat die sich nur noch in eine Richtung bewegen und die mehrheitlich außer Politik studieren nichts anderes gelernt oder gearbeitet haben. Aber wie immer. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Jörg Plath / 30.06.2020

Diese Medien unterscheiden sich nur noch selten von denen der “DDR”. Lügen, weglassen, diffamieren, Propaganda verbreiten. Der Berliner CSD will jetzt übrigens seine Themen “erweitern”. Klimaschutz und Black lives mater würden nun auch dazugehören…

Maria Ritter / 30.06.2020

Homosexuelle haben wenigstens (noch) eine “Statistik”. Die massenhaften Angriffe auf Frauen, weil sie Frauen sind, gelten nicht mal als Hassverbrechen. Inzwischen laufen Kampagnen, Frauen nicht einmal mehr als solche bezeichnen zu können, da als “transphob” verortet. Homosexualität übrigens auch. Selbst Schwarzen wird erzählt, dass “Trans Black Lives Matter” und Transsexuelle die wahren Opfer sind. Darüber berichtet erst recht niemand. Das “Gute” heutzutage wird immer hässlicher.

Lutz Herrmann / 30.06.2020

Irgendwann trifft migrantische Gewalt auch mal einen wie z. B. Helge Lindh. Und dann werden solch wackere Kämpfer gegen Rechts auch mal ihre 15 schwulen Minuten der Erkenntnis haben. Sofern man überlebt, versteht sich.

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