Peter Grimm / 02.02.2023 / 17:45 / Foto: Imago / 47 / Seite ausdrucken

Schwedische Tränen bei den Grünen?

Erinnern Sie sich noch an 2015? Damals verkündete die grüne Vize-Regierungschefin in Schweden unter Tränen eine Kehrtwende in der Zuwanderungspolitik. Ist so etwas hier auch möglich, wenn die Wirklichkeit bei grünen Verantwortungsträgern ankommt?

Es war ein bewegender Moment Ende November 2015. Schweden, geführt von einer rot-grünen Regierung, erklärte ganz offiziell seinen Abschied von der bisherigen Politik der Aufnahme aller Migranten, die es ins Land geschafft hatten und einen Asylantrag stellten. Die Welt berichtete seinerzeit:

Mit Tränen in den Augen verkündet die stellvertretende Regierungschefin Åsa Romson die Verschärfung der Asylgesetze. Es fällt ihr sichtlich schwer. Gerade sie muss es sagen. Sie, die Grünen-Politikerin. Sie, die sich noch im Sommer so sehr für Flüchtlinge einsetzte. Sie, die damals sogar die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer mit Auschwitz verglich.

Sie sagt nun: 'Der beste Weg, den Gemeinderäten meiner Partei zu helfen, ist, etwas zu tun.' Die letzten Worte sind kaum mehr zu verstehen, sie beginnt zu weinen. Ministerpräsident Stefan Löfven muss einspringen, während Romson versucht, die Tränen zurückzuhalten.

Auch Regierungschef Löfven fällt der Schritt sichtbar schwer: 'Es schmerzt mich, dass Schweden nicht in der Lage ist, auf diesem Niveau weitere Asylsuchende aufzunehmen', sagt er."

Deutschland ist bekanntlich bei einer Zuwanderungspolitik geblieben, die allen Zuwanderern, die es nach Deutschland schaffen und einen Asylantrag stellen, gute Sozialleistungen verheißt, während auch im Falle einer Ablehnung des Antrags nur in Ausnahmefällen mit einer Ausweisung bzw. Abschiebung zu rechnen ist. Mit den Schlagworten wie „Willkommenskultur“, „Wir bekommen Menschen geschenkt“ und „Wir schaffen das“ wurde diese Politik mit einem moralischen Gütesiegel versehen, das jeden Kritiker dieser Politik in den Ruch des Unmoralischen stellte. Gerade bei den Grünen hatte diese Art der Hochmoral ihre Hochburgen.

Inzwischen schlagen immer mehr Bürgermeister und Landräte verzweifelt Alarm, weil sie keinen Zuwanderer mehr unterbringen können und ihre Bürger unruhig werden. Und diese Wirklichkeit kommt nun auch bei den Grünen an. Dort wo sie vor Ort ganz konkret Verantwortung tragen, wiegt diese Wirklichkeit plötzlich so schwer, dass die ideologischen Grundüberzeugungen an ihre Belastbarkeitsgrenze stoßen. Beispielsweise bei Jens Marco Scherf, grüner Landrat im bayerischen Miltenberg. Schon vor einigen Tagen konnte man von ihm lesen:

„'Wir sind am Ende der Leistungsfähigkeit, es geht nicht mehr!' Er findet drastische Worte angesichts der erneuten Mammutaufgabe für den Landkreis Miltenberg, weitere Geflüchtete aus Kriegsgebieten aufnehmen zu müssen. In einem Schreiben an Bundeskanzler Olaf Scholz und die Grünen-Spitze im Bundestag klagt der Landrat: 'Wir haben die Ressourcen nicht mehr, weder Wohnraum für Unterbringung noch bei der Versorgung, Betreuung und Integration der Menschen. So sind die Kommunen dauerhaft überfordert'“.

Nicht in die Tasche lügen

Diese Konfrontation eines Grünen mit einer nur schwer mit dem grünen Weltbild kompatiblen Wirklichkeit sorgte natürlich für Medieninteresse. Ein Interview, das Scherf der FAZ gegeben hat, enthält bemerkenswerte Einsichten, auch wenn er offenbar grundsätzlich gern am grünen Weltbild festhalten möchte:

Ich stehe hinter meiner Bundesregierung und hinter der werteorientierten Außenpolitik der grünen Außenministerin. Aber ich sehe es trotzdem als meine Aufgabe an, nicht einfach zu sagen: Leute, das mit der Flüchtlingspolitik funktioniert so weiter. Da würden wir uns in die Tasche lügen."

Und jemandem in die Tasche lügen, das will der Landrat nun auch um des besseren Weltbildes willen nicht tun, wenn er sagt:

„Wir haben 2022 mehr Flüchtlinge aufgenommen als während der großen Krisenjahre 2015, 2016 und 2017. Wir können diese große Zahl geflüchteter Menschen nicht mehr unterbringen, nicht mehr versorgen. [...]

Und mit mehr Wohnraum allein ist es ja nicht getan. Die Zahl der Geflüchteten muss reduziert werden. [...]

Migration ist ein Thema, das mit großer Verantwortung verbunden ist, bei dem es aber auch den Willen zur Differenzierung braucht. Ich sage nicht: Macht einfach die Grenze zu und nach mir die Sintflut. Aber die Bundesregierung muss anerkennen, dass die Flüchtlingshilfe, wie sie derzeit abläuft, humanitären Ansprüchen nicht genügt. [...]

Im Moment verleiten wir Menschen, extrem gefährliche Fluchtwege zu gehen. Und wer dabei nicht ums Leben gekommen ist oder versklavt wurde, der bekommt als Prämie einen Aufenthaltsstatus in Deutschland. Das ist doch nicht menschenwürdig.“

„Wir schaffen das nicht“

Er bleibt eine konkrete Antwort noch schuldig, welche Lösungen es für das Problem geben könnte. Eine wäre beispielsweise ein Abbau der materiellen Anreize zur Zuwanderung ins Asylsystem. Aber das klare Benennen von Problemen ist bekanntlich ein notwendiger Schritt zu einer Lösung:

Wir können nicht jedes Jahr mehr Geflüchtete aufnehmen. 2021 waren es 190.000 Asylanträge, 2022 um die 240.000. Wir schaffen das nicht.“

Könnte es ein Umdenken geben, wenn die „Wir schaffen das nicht“-Erkenntnis auch bei den rot-grünen Spitzen der gegenwärtigen deutschen Bundesregierung ankommt? Ob mit oder ohne Tränen, aber vielleicht könnten sich die Grünen an dieser Stelle für den damaligen schwedischen Weg entscheiden. Wer weiß schon so genau, von welchen Bausteinen der eigenen Ideologie sich grüne Politiker trennen können und von welchen nicht. Bei Rüstungsexporten und Panzerlieferungen ins Kriegsgebiet haben sie es getan, bei der Atomkraft nicht. Wie wird es nun bei der Migrationspolitik sein?

Foto: Imago

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Leserpost

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Elias Schwarz / 03.02.2023

Die in Miltenberg haben einen grünen Landrat? Haben die Leute dort tatsächlich einen grünen Landrat gewählt? Haben sie so ein schönes Leben ohne jegleiche Probleme? Wie wäre es mit Stromkabel durchtrennen?

Sam Lowry / 02.02.2023

Das ehemals schöne Schweden ist zu einem kriminellen Shithole verkommen. Dort regiert die absolute Unterschicht. Mit Waffen und Bomben. Und diese Leute werden sie genausowenig los wie wir in Deutschland. Der Zug ist abgefahren, für immer…

I. Hegner / 02.02.2023

Bei der ganzen Asyldabatte, werden die wirklichen Hintergründe hinter Gutmenschentum oder Ideologien verschwiegen. Sollte man nicht lieber an die “Nationen” denken, die durch ihr globales Handeln, solche Asylströme verursachen und die zur Rechenschaft ziehen? Aus dem stand fallen gebildeten Menschen schon ein paar solcher Administrationen ein!

Gerhard Schweickhardt / 02.02.2023

Der Migrationspakt von Merkel war die Grundlage aber verfassungswidrig. Die illegale Zuwanderung ist gewollt und auch die Zerstõrrung des Sozialstaates. Das war’s.

Ebs Werner / 02.02.2023

Was für eine Scheinheiligkeit! Es wird nur dann verbal - und keineswegs in der Realität, siehe Schließung des Abschiebeterminals Berlin - ein Umdenken simuliert, wo der gut dotierte Posten in Gefahr ist. Die Roberts, Annalenas und Nancys, die an der “Spitze” und damit am sicherer Ende der “Postenkette” stehen, denken nicht einmal an Umkehr. Sie sprechen unverblümt die Wahrheit aus, weil die Apportierpresse sie weiterhin unangefochten gewähren lässt.

Chr. Kühn / 02.02.2023

Ach, in Schweden wurde eine Wende in der Migrationspolitik gemacht, und das schon vor Jahren? Hm. Sind nicht die Raube, Schießereien, Explosionen etc. nicht auf dem höchsten Stand aller Zeiten? Soviel gewendet, wahlweise auch geendet, kann da gar nicht haben. Auch mit Blick auf einen Artikel heute bei Tichys Einblick über die Lage in Freiburg, und den Kommentaren dort…in dieser Causa wirklich etwas zu ändern, Leute auch gegen ihren Willen zurückzuführen etc. Je nun, das würde eine Anwendung von Gewalt bedingen und benötigen, in Qualität und Quantität, für die nicht einmal der Holocaust als Präzedenz dienen kann. Bei den Zahlen, um die es geht, und die sich nicht aus gewaltlosen, eingeschüchterten Familien aus zivilisierten Ländern wie damals zusammensetzen…soviel Munition hätten wir in Europa doch gar nicht. Und auch nicht den Willen und den “stabilen Magen”, das zu veranstalten. Durch das “Laufenlassen”, welches gewollt war oder zumindest in Kauf genommen wurde, hat sich die Sache so verstetigt, daß der Umkehrpunkt schon vor Jahren überschritten worden ist. Gerne hätte ich ein Geschichtswerk von, na, 2050 in der Hand, welches auf die erste Hälfte des Jahrhunderts zurückblickt. Ich frage mich, was darin zu diesem Thema stehen würde…und ob es das auf Deutsch, wahlweise Englisch, oder auf Kanakisch tut.

R. Reiger / 02.02.2023

Tränen über was? Darüber, dass sie so gut sind und die Welt draußen und drinnen so böse? Tränen sind in der Politik prinzipiell abstrus, verworren, abwegig, unangebracht, absurd, lächerlich, widersinnig, so wie im Januar bei Ardern (sie ist bei Umfragen durchgerauscht, wäre nicht mehr gewählt worden), so wie 2015 bei Romson (wohl analog). Tränen stehen alleine dem Volk zu, meist hinterher.

Wolfgang Richter / 02.02.2023

Der von Herrn Dr. Maaßen kritisierte deutsche Schlepper-Zuarbeiter im Mittelmeer mit seiner Äußerung bezüglich der Motivation für sein Handeln sagte doch alles, in etwa “so lange so viele Migranten gen Deutschland schippern, bis die hier lebenden Weißbrote endlich in der Masse zur Bedeutungslosigkeit entschwinden”. Das läuft auf die Erfahrungen der Indigenen der damaligen Neuen Welt hinaus. Dazu kann jeder für sich entscheiden, ob es ihm wurscht ist oder doch noch ein Gegensteuern auf die Beine gestellt werden sollte. Letzteres ist allerdings mit fast dem gesamten politischen Angebot, das aktuell zur Verfügung steht, nicht machbar, mit den EUrokraten ohnehin nicht.

S. Marek / 02.02.2023

Gefahr im Verzug !  Nach dem russischen Einmarsch am 24. Februar strömten die Ukrainer nach Europa. Inzwischen sind es etwa 8 Millionen, ein erheblicher Teil der ukrainischen Bevölkerung. Und als sie ankamen, waren sie begeistert. “Wir haben alles, wirklich alles, sogar zu viel Zeug. Die Menschen hier sind unglaublich, so großzügig. Wir haben nicht mit so viel Sympathie gerechnet.” “Es ist unglaublich, wie sehr sie helfen. Sie haben uns alles gegeben, was sie haben.”  Das ist doch wunderbar. Die Tatsache, daß die Europäische Union beschlossen hat, ihnen einen neuen Status zu geben, einen so genannten vorübergehenden Schutzmechanismus, der es ihnen ermöglicht, bis zu drei Jahre in den 27 Mitgliedsstaaten Europas zu leben, ist wunderbar. Sie erhielten medizinische Versorgung, Unterkunft und Bildung. Sie bekamen Bargeld, sie bekamen - sie bekamen alles. Das ist großartig. Ich denke, das ist großartig. Wir [Amerikaner] haben auch beigetragen. Wir haben mehr Geld beigetragen als zu jeder anderen Flüchtlingskrise seit 1939-45, seit dem Zweiten Weltkrieg.  Aber es gibt hier eine Gefahr. Befürworter des Multikulturalismus und offener Grenzen haben das ukrainische Beispiel aufgegriffen, um zu argumentieren, dass jede weniger großzügige Reaktion auf Migranten aus Afrika, dem Nahen Osten und Südasien Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und sogenannte Islamophobie darstellt. Die intensive Beschäftigung mit den Ukrainern nach dem Ende der gegenwärtigen Krise wird wahrscheinlich zu einer Argumentation führen, die im Moment zwar noch wenig beachtet wird, die aber mit Sicherheit in den Vordergrund treten und sich durchsetzen wird. Ich denke, es ist jetzt an der Zeit, dies zu erkennen und zu bekämpfen.  Zunächst einmal beobachteten nicht-westliche Migranten die Flüchtlinge, die vor allem nach Europa, aber auch in die Vereinigten Staaten kamen, und beschwerten sich. So sagte ein Afghane in Deutschland: “Die Ukrainer sind Flüchtlinge erster Klasse und wir sind nur zweiter Klasse.”

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