Claudio Casula / 02.05.2022 / 06:15 / Foto: Frankie Fouganthin / 50 / Seite ausdrucken

Schwedens richtiger Corona-Sonderweg

In seinem Buch „The Herd“ beschreibt der Journalist Johan Anderberg, warum Schweden anders als der Rest der Welt keine drakonischen Corona-Maßnahmen verhängte. Hochinteressant und spannend wie ein Thriller!

Der schwedische Sonderweg in der Corona-Zeit hat sich, obwohl gerade in den deutschen Medien entweder kritisiert oder lieber gleich ganz ignoriert, als der richtige erwiesen: Das Land ist mit seinem besonnenen Kurs unterm Strich besser gefahren als die allermeisten anderen Länder – und zwar ohne wirtschaftliche Verheerungen und menschliche Tragödien, ohne zerstörte Kindheiten und Stilllegung des sozialen und gesellschaftlichen Lebens, ohne den Abbau von Grundrechten und eine bösartige Spaltung der Gesellschaft, kurz: ohne all die schädlichen und absurden Maßnahmen, mit denen die Menschen in Deutschland – und nicht nur hier – traktiert wurden. Was ja der Grund dafür war, warum man das Phänomen Schweden entweder kritisierte oder ignorierte, denn lange galt die Corona-Politik, wie sie außerhalb Schwedens praktiziert wurde, als alternativlos. Also musste der schwedische Weg heruntergeschrieben werden (ein Beispiel hier).

Warum ist das skandinavische Land diesen Sonderweg gegangen und wie verlief er? Das arbeitet der schwedische Journalist Johan Anderberg in seinem Buch „The Herd. How Sweden Chose Its Own Path Through the Worst Pandemic in 100 Years” ebenso kenntnisreich wie spannend heraus. Er beschreibt darin das erste Jahr der „Pandemie” seit März 2020 in einem packenden Reportagestil, Robin Alexanders „Die Getriebenen“ nicht unähnlich, schildert die Charaktere der Protagonisten (insbesondere den Staatsepidemiologen Anders Tegnell und seinen Mentor Johan Giesecke) farbig und detailliert, etwa indem er E-Mail-Diskussionen und Gespräche rekonstruiert, aber auch die „Gegenspieler“ der beiden, die das allgemeine Narrativ von der großen tödlichen Seuche teilten und auf mehr Maßnahmen drängten.

Denn auch in Schweden war der Kurs, den Giesecke und Tegnell einschlugen und beibehielten, nicht unumstritten: Der öffentliche Druck war durchaus hoch, die Presse und teils auch die Politik waren sehr kritisch, insbesondere was die recht hohen Sterbezahlen im Frühling 2020 in den Alten- und Pflegeheimen betraf. Aber auch da verloren die Experten nicht die Nerven. Ebenso wenig, wenn vermeintliche Verbündete wie Boris Johnsons Großbritannien erst eine ähnliche Strategie ankündigten, um dann doch umzufallen. Die schwedischen Experten behielten einfach kühlen Kopf, als man in anderen Ländern schon durchdrehte, machten sich ständig kundig über Ansteckungspotenziale und Sterblichkeitsraten des „neuartigen“ Virus. Frühzeitig fassten sie tendenziell eine Immunität ins Auge, wofür sich jeder zweite Schwede hätte anstecken müssen. Strategie: möglichst schnelles Erreichen der Herdenimmunität mittels Durchseuchung und – gegebenenfalls – Impfung.

Fatale Folgen der Maßnahmen rechtzeitig erkannt

Die Frage war: Wie konnte man den Menschen ermöglichen, ihr normales Leben in Zeiten der Corona-Krise fortzuführen, Lebensqualität und Freiheit zu bewahren, ohne unkalkulierbare Risiken einzugehen? Anderberg beschreibt, welche Erfahrungen mit früheren „Pandemien“ von der Spanischen Grippe über Schweinegrippe und SARS bis hin zu Ebola gemacht wurden, Erfahrungen, aus denen Tegnell den Schluss zog, keinesfalls überzureagieren. Dabei erfährt der Leser viel Wissenswertes über Seuchen, die die Menschheit in den vergangenen hundert Jahren heimgesucht haben, und so auch über Tegnells Denken und Handeln. Dieser hatte etwa seinerzeit die Schweinegrippegefahr überschätzt und so viele Leute impfen lassen wie nirgendwo sonst, was im Fall des Impfstoffs „Pandemrix“ zu hunderten Narkolepsiefällen geführt hatte. Denselben Fehler wollte er nicht noch einmal machen.

Tegnell und Giesecke waren sich bald einig, dass die Sterblichkeit von Covid im Rahmen bleiben würde, dass Kinder nicht ansteckend seien und dass drakonische Maßnahmen, wie andere Länder sie ergriffen, mehr Schaden als Nutzen bringen würden. Ende 2020 führte die schwedische Politik zwar teilweise Restriktionen wie Kontaktbeschränkungen ein, aber weder wurden in großem Stil Schulen geschlossen, noch wurden Lockdowns, Maskenzwang oder ähnliche Grausamkeiten angeordnet. Denn anders als manche geltungsbedürftige Experten in Deutschland, die der Regierung willfährig zuarbeiteten und mögliche Schäden der Maßnahmen komplett ausblendeten, hatten sich die beiden Epidemiologen rechtzeitig überlegt, welche fatalen Nebenwirkungen drakonische Maßnahmen zeitigen würden: Depressionen durch Angst und Entfremdung, ein geschwächtes Immunsystem aufgrund sozialer Isolation, schwerwiegende Erkrankungen, deren Behandlung von einem Gesundheitssystem, das von der „Pandemie“ hypnotisiert ist, an die Wand gefahren wird, Verarmung. So blieb den Schweden fast alles erspart, was den Menschen in anderen Industrieländern das Leben so schwer machte.

Anderbergs Buch, das in seinem Heimatland unter dem Titel „Flocken“ (Die Herde) erschien und zum Bestseller avancierte, ist fast uneingeschränkt zu empfehlen. Es gibt lediglich zwei kleine Haken: Zum einen deckt es nur den Zeitraum eines Jahres nach Beginn der Krise im März 2020 ab, ist also letztlich nicht aktuell – tatsächlich hat die weitere Entwicklung ja erst recht gezeigt, dass der „schwedische Weg“ der richtige war. Und: Zur Zeit des Abschlusses des Buches war für den Autor noch nicht absehbar, dass eben nicht die Impfung der „Gamechanger“ sein würde, der die Pandemie beendet, sondern tatsächlich die Herdenimmunität. Neben der Ungnade des „zu frühen“ Erscheinens mag außerdem für manche potenzielle Leser eine Rolle spielen, dass das Buch bisher nur ins Englische übersetzt wurde (es erschien im April). Wer wissen möchte, wie es auch bei uns hätte laufen können, kommt um Johan Anderbergs Werk nicht herum.

 

Johan Anderberg: „The Herd. How Sweden Chose Its Own Path Through the Worst Pandemic in 100 Years”, erhältlich etwa hier als Taschenbuch für 20,21 Euro.

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A. Ostrovsky / 02.05.2022

@Emma W. in Broakulla, Schweden : “Bei Einführung der Corona-Massnahmen war Loefven Regierungschef in Schweden also mit Merkel vergleichbar und nicht Carl XVI Gustav, König von Schweden.” Da muss ich Ihnen zustimmen. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass wir gar keinen König haben und Sie keine Bundeskanzlerin. Da muss man mit einem Regierungschef auskommen. Das beantwortet aber noch nicht meine Frage, warum Sie sich so einen teuren König leisten, wenn der gar nichts über Corona weiß. Unsere Bundeskanzlerin weiß auch nichts und der neue Nachfolger weiß nicht nur nichts, er sagt auch nichts. Aber unsere Kanzlerin hat uns trotzdem alles erklären können, was sie nicht wusste. Deshalb mein Vorschlag an Ihren König, dass er das doch bei unserer Kanlerin a.D. lernen könnte, jetzt wo sie eigentlich beide gar nichts anderes zu tun haben. Ich meine es doch nur gut.

Ludwig Luhmann / 02.05.2022

@Emma W. in Broakulla / 02.05.2022 - “Der König ist kein Epidemiologe! Er weiss und wusste nicht mehr ueber Corona als Sie und ich ! Sein Statement zur Coronasituation war einzig und allein dem Umstand geschuldet das ein guter Freund von ihm an Corona verstorben war. Das hat ihn verständlicherweise beruehrt und in aus ganz persönlichen Gruenden an den Massnahmen zweifeln lassen.”—- Ist des Königs “guter Freund” an oder mit Corona gestorben? Oder ist er vielleicht an den Impfungen oder an einer Kombination aus Corona und Impfungen gestorben? Wissen Sie da Näheres?

Ludwig Luhmann / 02.05.2022

@Paul Siemons / 02.05.2022 - “Hatte man in Schweden vielleicht einfach nur Angst, dass bei rigoroseren staatlichen Corona-Maßnahmen die (Vor)städte in Flammen aufgehen?”—- DAS halte ich für sehr wahrscheinlich!

Jan Henrik Holst / 02.05.2022

Danke für den Bericht. Lediglich kleine Korrektur: Das Original-Buch heißt nicht Flokken, sondern Flocken - kk ist norwegische, dänische und niederländische Rechtschreibung, ck schwedische, englische und deutsche.

Ludwig Luhmann / 02.05.2022

“Die Herde” ist ein passendes Wort für die Schweden, denn als “normales Leben” haben die Schweden sich seit Olof Palme ihr eigenes Shithole gegraben. Die Führer Schwedens wissen, wie man “die Herde” zum Trog führt und zum Saufen und Fressen animiert. Die Impfquote Schwedens ist für die ersten drei “Impfungen” ähnlich hoch wie in Deutschland - angeblich ganz ohne Zwang. Ganz ohne Zwang haben sie sich auch ihre halalen Todfeinde in ihr Lönneberga geholt. An ihrem Olof-Palme-Smörebröd werden auch sie ungemütlich - genau wie wir Zwanghaften - untergehen. - - - Mai 2021:  “Göran Karlström, Chefarzt am Hauptkrankenhaus in Karlstad, sagte, dass im Prinzip jeder Schwede über 65 mindestens eine Impfung erhalten hat und es daher „nicht überraschend“ ist, dass die Mehrheit der über 65-Jährigen, die auf der Intensivstation landen, geimpft wurden.” - - -  Juni 2021:“Multikulti-Terror in Schweden: Bullerbü ist zur Bandenhölle verkommen.”

Gregor Erkelenz / 02.05.2022

Das “Game” brauchte niemals “gechanged” zu werden. Denn das Coronavirus war und ist nicht besonders gefährlich. “Herdenimmunität” musste überhaupt nicht aktiv hergestellt oder herbeigesehnt werden. Die Menschen waren durch Kreuzimmunität von vornherein gut genug immunisiert, was schon ganz zu Beginn klar war. Viel Lärm also um nichts, der in den Hohlköpfen aller Länder weiterhallen wird, bis kein Stein mehr auf dem anderen steht.

Paul Siemons / 02.05.2022

Hatte man in Schweden vielleicht einfach nur Angst, dass bei rigoroseren staatlichen Corona-Maßnahmen die (Vor)städte in Flammen aufgehen?

Emma W. in Broakulla, Schweden / 02.05.2022

@P.Schulze- Nochmal zum Mitschreiben: Die schwedische Coronapolitik hat NICHTS, REIN GAR NICHTS mit der schwedischen Migrationspolitik zu tun!! Einzig und allein mit einem SINNVOLLEN Umgang mit Corona!! Mit NICHTS anderem!! Diese Argumention ist abwegig!

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