Von Ansgar Neuhof.
Gestern wurde Martin Schulz mit 100 Prozent der Stimmen auch zum Parteivorsitzenden der SPD gekrönt. „Ich bin der Märchenprinz, Ma Ma Ma Märchenprinz“, intonierten die Genossen aber auch schon, als der SPD-Kanzlerkandidat beim politischen Aschermittwoch in das Vilshofener Festzelt einzog. Seit seiner Ernennung zum Märchenprinzen respektive Kanzlerkandidaten und Parteivorsitzenden steht ein Thema ganz oben auf der Agenda für den Bundestagswahlkampf 2017: die Gerechtigkeit. Vor allem für Steuergerechtigkeit und gegen Briefkastenfirmen und Konzerne in Steueroasen wollen Schulz und Genossen streiten. Dabei ist es gerade die SPD, die eine besondere Affinität zu - häufig auf Inseln angesiedelten - Steueroasen besitzt.
So verfügt die SPD mit der Cavete Global Ltd. im Inselstaat Hongkong über ihren Medienkonzern DDVG selbst über eine Briefkastenfirma in einer Steueroase.
Und vor etwa drei Wochen hat auch das Bundesfamilienministerium unter Leitung von SPD-Ministerin Manuela Schwesig einen Groß-Werbeauftrag an eine Berliner Werbeagentur vergeben, deren oberste Muttergesellschaft in Jersey sitzt. Die Agentur "Scholz & Friends Berlin GmbH" ist der Profiteur der Auftragsvergabe, bei der es um eine Kampagne für das Programm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ des Bundesfamilienministeriums geht.
Mit dieser Kampagne „soll vor allem die Mitte der Gesellschaft auf einer emotionalen Ebene angesprochen werden“, wie es in der Auftragsbeschreibung heißt. Das Bundesprogramm selbst hat ein Volumen von mehr als 100 Millionen Euro jährlich. Das Auftragsvolumen für die Kampagne wird offiziell mit einem 1 € angegeben, sprich verschwiegen, soll aber laut Branchendienst "Horizont" im einstelligen Millionenbetrag-Bereich liegen.
Die Auftragsvergabe an "Scholz & Friends" ist insofern interessant, als ein (früherer) Mitarbeiter dieser Werbeagentur kürzlich versucht hatte, mit der Aktion "#keingeldfürrechts“ regierungskritische Medien wie die "Achse des Guten" oder "Tichys Einblick" zu diskreditieren und finanziell zu schädigen.
Die Werbeagentur "Scholz & Friends" gehört zu 100 Prozent der "Scholz & Friends Group GmbH", diese wiederum zu 100 Prozent der Commarco GmbH und die wiederum zu 100 Prozent der WPP Deutschland Holding GmbH & Co KG.
Zu WPP gehört unter anderem auch das für die ARD tätige Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap GmbH, die für die ARD beispielsweise den "Deutschland-Trend" ermittelt und die "Sonntagsfrage" stellt.
Ein sicherer Hafen in Jersey
WPP Deutschland erzielte 2015 einen Umsatz von etwa 1,2 Milliarden Euro. Muttergesellschaft der WPP Deutschland ist die WPP plc. in Jersey mit einem Umsatz von 42 Milliarden Pfund und einem Vorsteuer-Gewinn von 1,62 Milliarden Pfund im Jahre 2015. Jersey liegt im Ärmelkanal vor Großbritannien, ist aber nicht Teil von Großbritannien, sondern direkt der britischen Krone unterstellt und formal auch nicht Teil der EU.
Dieser Sonderstatus ermöglichte es der Insel, sich einen Namen als Steueroase zu machen. Jersey gehört zu den 10 Steuerparadiesen, derer sich die aus den Panama-Papers bekannt gewordene Anwaltskanzlei Mossack Fonseca & Co. am häufigsten für ihre Geschäfte bediente. Siehe hier. Mit einer Steuerquote von 19 Prozent rechnet WPP plc in seinem aktuellen Geschäftsbericht. Damit liegt die Steuerbelastung des Weltkonzerns WPP in Jersey deutlich unter der in Deutschland oder anderen Hochsteuerländern.
Nach Medienberichten sollen die Geschäfte von "Scholz & Friends" zwar nicht überragend, aber doch ganz solide laufen. Aktuelle Zahlen gibt es nicht, da die Agentur keinen eigenen Jahresabschluß offenlegt, sondern mit derzeit 165 anderen Gesellschaften in den Konzernabschluß der WPP Deutschland einbezogen ist. Zudem bestehen jeweils Gewinnabführungsverträge zwischen "Scholz & Friends Berlin" und "Scholz & Friends Group", zwischen "Scholz & Friends Group" und Commarco und zwischen Commarco und WPP Deutschland. Das heißt Gewinne von "Scholz & Friends" werden der WPP Deutschland zugerechnet.
Zumeist sind solche Gewinnabführungsverträge zugleich mit steuerrechtlichen Organschaften verbunden. Wäre dies hier auch so, würde die Besteuerung nicht bei den einzelnen Gesellschaften, sondern bei der WPP Deutschland erfolgen. Dabei würden dann etwaige Gewinne zum Beispiel von "Scholz & Friends" mit Verlusten anderer WPP-Konzerngesellschaften verrechnet.
WPP Deutschland schreibt seit 2011 jedes Jahr Verluste
Da WPP Deutschland seit 2011 jedes Jahr Verluste erzielt hat, ist es somit gut möglich, dass auf die Gewinne von "Scholz & Friends" keine Steuern gezahlt worden sind. Das wäre legal, bringt aber erhebliche Wettbewerbsvorteile gegenüber Gesellschaften, die in voller Höhe Steuern zahlen müssen, weil sie nicht Teil eines Konzerns sind und nicht über diese Verlustverrechnungsmöglichkeit verfügen. Vielleicht sollte der Bund bei der Ausschreibung und Vergabe von Aufträgen weniger darauf achten, ob potentielle Auftragnehmer eine gender-„gerechte“ Sprache verwenden, sondern mehr darauf, ob sie in Deutschland Gewinne versteuern.
Aber damit ist die Affinität der SPD zu Steueroasen und -Inseln keineswegs zu Ende. Mit der Cavete Global Ltd. im Inselstaat Hongkong besitzt die SPD, wie bereits erwähnt, selbst eine Briefkastenfirma in einer Steueroase. Und der von der SPD-geführten Landesregierung Niedersachsen aufgrund Sperrminoriät mitbestimmte Volkswagen-Konzern, in deren Aufsichtsrat unter anderem Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stefan Weil und Niedersachsens SPD-Wirtschaftsminister Olaf Lies sitzen, hält sich eine Flugzeugfirma im Steuerparadies Cayman-Inseln. Siehe hier oder hier.
Auch SPD-Kanzlerkandidat Schulz tat sich in seiner Zeit als EU-Parlamentspräsident nicht gerade in der Bekämpfung der EU-eigenen Steuerparadiese wie Madeira oder Luxemburg hervor. Luxemburg, zwar keine Insel, gewährte aber dennoch Konzernen paradiesische Sonderkonditionen, durch die die Steuerlast auf unter 1 Prozent gedrückt werden konnte. Schulz wird vorgeworfen, als EU-Parlamentspräsident die Aufklärung der Steueraffäre „LuxLeaks“ blockiert zu haben (oder auch hier).
Ansgar Neuhof ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit eigener Kanzlei in Berlin