Ansgar Neuhof / 20.03.2017 / 06:28 / Foto: Brian Barbutti / 15 / Seite ausdrucken

Schulz und Scholz: Der Tango auf den Steuerinseln

Von Ansgar Neuhof.

Gestern wurde Martin Schulz mit 100 Prozent der Stimmen auch zum Parteivorsitzenden der SPD gekrönt. „Ich bin der Märchenprinz, Ma Ma Ma Märchenprinz“, intonierten die Genossen aber auch schon, als der SPD-Kanzlerkandidat beim politischen Aschermittwoch in das Vilshofener Festzelt einzog. Seit seiner Ernennung zum Märchenprinzen respektive Kanzlerkandidaten und Parteivorsitzenden steht ein Thema ganz oben auf der Agenda für den Bundestagswahlkampf 2017: die Gerechtigkeit. Vor allem für Steuergerechtigkeit und gegen Briefkastenfirmen und Konzerne in Steueroasen wollen Schulz und Genossen streiten. Dabei ist es gerade die SPD, die eine besondere Affinität zu - häufig auf Inseln angesiedelten - Steueroasen besitzt.

So verfügt die SPD mit der Cavete Global Ltd. im Inselstaat Hongkong über ihren Medienkonzern DDVG selbst über eine Briefkastenfirma in einer Steueroase.

Und vor etwa drei Wochen hat auch das Bundesfamilienministerium unter Leitung von SPD-Ministerin Manuela Schwesig einen Groß-Werbeauftrag an eine Berliner Werbeagentur vergeben, deren oberste Muttergesellschaft in Jersey sitzt. Die Agentur "Scholz & Friends Berlin GmbH" ist der Profiteur der Auftragsvergabe, bei der es um eine Kampagne für das Programm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ des Bundesfamilienministeriums geht.

Mit dieser Kampagne „soll vor allem die Mitte der Gesellschaft auf einer emotionalen Ebene angesprochen werden“, wie es in der Auftragsbeschreibung heißt. Das Bundesprogramm selbst hat ein Volumen von mehr als 100 Millionen Euro jährlich. Das Auftragsvolumen für die Kampagne wird offiziell mit einem 1 € angegeben, sprich verschwiegen, soll aber laut Branchendienst "Horizont" im einstelligen Millionenbetrag-Bereich liegen.

Die Auftragsvergabe an "Scholz & Friends" ist insofern interessant, als ein (früherer) Mitarbeiter dieser Werbeagentur kürzlich versucht hatte, mit der Aktion "#keingeldfürrechts“ regierungskritische Medien wie die "Achse des Guten" oder "Tichys Einblick" zu diskreditieren und finanziell zu schädigen.

Die Werbeagentur "Scholz & Friends" gehört zu 100 Prozent der "Scholz & Friends Group GmbH", diese wiederum zu 100 Prozent der Commarco GmbH und die wiederum zu 100 Prozent der WPP Deutschland Holding GmbH & Co KG.

Zu WPP gehört unter anderem auch das für die ARD tätige Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap GmbH, die für die ARD beispielsweise den "Deutschland-Trend" ermittelt und die "Sonntagsfrage" stellt.

Ein sicherer Hafen in Jersey

WPP Deutschland erzielte 2015 einen Umsatz von etwa 1,2 Milliarden Euro. Muttergesellschaft der WPP Deutschland ist die WPP plc. in Jersey mit einem Umsatz von 42 Milliarden Pfund und einem Vorsteuer-Gewinn von 1,62 Milliarden Pfund im Jahre 2015. Jersey liegt im Ärmelkanal vor Großbritannien, ist aber nicht Teil von Großbritannien, sondern direkt der britischen Krone unterstellt und formal auch nicht Teil der EU.

Dieser Sonderstatus ermöglichte es der Insel, sich einen Namen als Steueroase zu machen. Jersey gehört zu den 10 Steuerparadiesen, derer sich die aus den Panama-Papers bekannt gewordene Anwaltskanzlei Mossack Fonseca & Co. am häufigsten für ihre Geschäfte bediente. Siehe hier. Mit einer Steuerquote von 19 Prozent rechnet WPP plc in seinem aktuellen Geschäftsbericht. Damit liegt die Steuerbelastung des Weltkonzerns WPP in Jersey deutlich unter der in Deutschland oder anderen Hochsteuerländern.

Nach Medienberichten sollen die Geschäfte von "Scholz & Friends" zwar nicht überragend, aber doch ganz solide laufen. Aktuelle Zahlen gibt es nicht, da die Agentur keinen eigenen Jahresabschluß offenlegt, sondern mit derzeit 165 anderen Gesellschaften in den Konzernabschluß der WPP Deutschland einbezogen ist. Zudem bestehen jeweils Gewinnabführungsverträge zwischen "Scholz & Friends Berlin" und "Scholz & Friends Group", zwischen "Scholz & Friends Group" und Commarco und zwischen Commarco und WPP Deutschland. Das heißt Gewinne von "Scholz & Friends" werden der WPP Deutschland zugerechnet.

Zumeist sind solche Gewinnabführungsverträge zugleich mit steuerrechtlichen Organschaften verbunden. Wäre dies hier auch so, würde die Besteuerung nicht bei den einzelnen Gesellschaften, sondern bei der WPP Deutschland erfolgen. Dabei würden dann etwaige Gewinne zum Beispiel von "Scholz & Friends" mit Verlusten anderer WPP-Konzerngesellschaften verrechnet.

WPP Deutschland schreibt seit 2011 jedes Jahr Verluste

Da WPP Deutschland seit 2011 jedes Jahr Verluste erzielt hat, ist es somit gut möglich, dass auf die Gewinne von "Scholz & Friends" keine Steuern gezahlt worden sind. Das wäre legal, bringt aber erhebliche Wettbewerbsvorteile gegenüber Gesellschaften, die in voller Höhe Steuern zahlen müssen, weil sie nicht Teil eines Konzerns sind und nicht über diese Verlustverrechnungsmöglichkeit verfügen. Vielleicht sollte der Bund bei der Ausschreibung und Vergabe von Aufträgen weniger darauf achten, ob potentielle Auftragnehmer eine gender-„gerechte“ Sprache verwenden, sondern mehr darauf, ob sie in Deutschland Gewinne versteuern.

Aber damit ist die Affinität der SPD zu Steueroasen und -Inseln keineswegs zu Ende. Mit der Cavete Global Ltd. im Inselstaat Hongkong besitzt die SPD, wie bereits erwähnt, selbst eine Briefkastenfirma in einer Steueroase. Und der von der SPD-geführten Landesregierung Niedersachsen aufgrund Sperrminoriät mitbestimmte Volkswagen-Konzern, in deren Aufsichtsrat unter anderem Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stefan Weil und Niedersachsens SPD-Wirtschaftsminister Olaf Lies sitzen, hält sich eine Flugzeugfirma im Steuerparadies Cayman-Inseln. Siehe hier  oder hier.

Auch SPD-Kanzlerkandidat Schulz tat sich in seiner Zeit als EU-Parlamentspräsident nicht gerade in der Bekämpfung der EU-eigenen Steuerparadiese wie Madeira oder Luxemburg hervor. Luxemburg, zwar keine Insel, gewährte aber dennoch Konzernen paradiesische Sonderkonditionen, durch die die Steuerlast auf unter 1 Prozent gedrückt werden konnte. Schulz wird vorgeworfen, als EU-Parlamentspräsident die Aufklärung der Steueraffäre „LuxLeaks“ blockiert zu haben (oder auch hier).

Ansgar Neuhof ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit eigener Kanzlei in Berlin

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Leserpost

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Wolfgang Richter / 20.03.2017

Wenn der neue Messias der SpezialDemokraten das wüßte, würde er sicher sofort im Rahmen seiner Gerechtigkeitskampagne eingreifen. Aber er kann ja nicht überall sein und alles wissen. Gleiches gilt für die seiner Partei zugehörige “Küsten-Barbie” als Auftragsvergebende.

Thomas Wentingmann / 20.03.2017

Wieder ein guter Artikel von Herrn Ansgar Neuhof. Nach seinem Artikel vom 24.02.2017: “Steuerpläne DIE LINKE - Armut für Alle” zu den Vermögensteuer-Plänen der LINKEN. Die Märchenprinz-Beklatscher werden das nicht lesen. Aber man muss viele von denen dazu bringen.

Karla Kuhn / 20.03.2017

Herr Neuhof, man kann ihnen gar nicht genug danken für Ihre unermüdlichen Recherchen.  Ja, so sieht es mit der “Gerechtigkeit” von Schulz aus. 100%  von der eigenen Kaste sagt doch Null aus.  Bisher hat Schulz zum Teil sich selber hochgejubelt (Martin, Martin ) oder viele Sprüche geklopft aber wie er das alles umsetzen will, vor allem wie er die Wirtschaft dazu bringen will, daß sie freiwillig diese Ankündigungen umsetzt, hat er mit keinem Wort erwähnt. Schulz würde sich als “Märchenonkel” prima machen, als Kanzler für Deutschland möchte ich ihn auf keinem Fall sehen. Und wer glaubt, daß Schulz die Steueroasen trocken legen will und kann, der glaubt auch noch an den Klapperstorch. Also nichts als heiße Luft. Hat man eigentlich schon mal etwas von den Juristen in der SPD gehört, daß sie diese Steueroasen bekämpfen wollen ? Da gründet man doch lieber ein “Abwehrzentrum.”

Christoph Kaiser / 20.03.2017

Na, Hauptsache die Fassade ist poliert und glänzt!!!

Michael Leuschtner / 20.03.2017

Unter Schulz wurde die Anhebung der Steuern der Mittelklasse von 45% auf 48% bereits angekündigt, für alles Einkommen über 4.000,- im Monat. Da werden die Gelder für die Wohlfühlkampagne sicher für eine gute Stimmung sorgen trotzdem die Steuererhöhungspartei nicht auszuwählen.

Lars Bäcker / 20.03.2017

Alles schön und gut. Aber wie bringt man dieses Thema in die Mainstream-Presse (am besten in die Bild-Zeitung), so dass sich auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen einer Berichterstattung nicht mehr entziehen kann. Solange das Gros der Wählerschaft über diese Machenschaften nicht Bescheid weiß, wird ihm auch die Diskrepanz zwischen veröffentlichtem Anspruch und Wirklichkeit des Messias Schulz nicht auffallen. Es hat mich ohnehin nicht gewundert, dass im Zuge der Steuer-CD-Debatte auch die Steueroptimierungsnummer (Briefkastenfirma in Takka-Tukka-Land)  der SPD nicht weiter groß thematisiert wurde und letztlich eingeschlafen ist. Eigentlich ein Armutszeugnis für hiesige Medien (Mainstream-Medien wohlgemerkt) und somit auch der Demokratie, in der die Medien eigentlich die Politik kontrollieren und sie nicht hofieren sollen.

Thomas Striebel / 20.03.2017

Schön herausgearbeitet. Immer wieder interessant zu lesen, wie hart der heere Anspruch an der rauhen Wirklichkeit zerschellt…

Martin Lederer / 20.03.2017

Vielen Dank für diesen Artikel.

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