Robert Amsterdam kommt sofort zur Sache. „Gerhard Schröder gefährdet die Demokratie, nicht nur die russische, sondern auch die deutsche“, sagt der 51-Jährige, kaum dass er sich hingesetzt hat. Amsterdam ist ein kleiner, rundlicher Mann, der gemütlich wirkt. Aber wenn es um den Ex-Kanzler geht, redet sich der Londoner Anwalt des russischen Milliardärs Michail Chodorkowski sofort in Rage. Dass der SPD-Politiker massiv Russlands Präsidenten Wladimir Putin verteidigt, findet er obszön. „Wenn er Putin, der die freie Presse unterdrückt und Oppositionelle verfolgt, als lupenreinen Demokraten tituliert, ist das ein Angriff auf die Prinzipien der Meinungsfreiheit.“
Seit Juli 2003 vertritt Amsterdam Chodorkowski, einst einer der russischen Megareichen. Jetzt sitzt der Milliardär unter anderem wegen Steuerhinterziehung und Betrugs im sibirischen Straflager Krasnokamensk. Noch mindestens sechs Jahre liegen vor ihm. Erst am Mittwoch erreichte Amsterdam einen Minisieg vor Gericht: Dass Wärter den Sträfling wegen zweier Zitronen, die in seiner Zelle gefunden wurden, in Isolationshaft gesteckt hatten, erklärten die Richter für ungerechtfertigt. Über Chodorkowskis Lage macht sich sein Anwalt keine Illusionen. „In dieses Lager bringt man Leute nur aus einem Grund: zum Sterben.“
Der Absturz Chodorkowskis vom Freund des Kreml zum Staatsfeind verlief rasant. Als unter Präsident Boris Jelzin in den neunziger Jahren das Staatseigentum an Mitglieder der Nomenklatura - die „roten Manager“ - verschleudert wurde, war Chodorkowski schnell zu Wohlstand gekommen. An der Spitze des Ölgiganten Jukos scheffelte er Milliarden. Dass es in der Ära, die Kritiker mit „Raubrittertum“ vergleichen, nicht immer sauber zuging, leugnet Amsterdam nicht. „Chodorkowski ist sich der damaligen Exzesse bewusst, sie tun ihm leid. Es gibt aber kein relevantes Privateigentum in Russland, das nicht auf dieselbe Weise zustande kam.“ Der Milliardär ist für ihn ein Opfer staatlich gelenkter Justiz.
Nach Ansicht westlicher Beobachter war das Verfahren unfair und politisch motiviert. Der Manager sei verurteilt worden, weil er oppositionelle Medien und Politiker stark unterstützt habe. Zudem spreche für sich, dass das einstige Privatunternehmen Jukos heute wieder größtenteils dem Staat gehört. Amsterdam sieht nicht zuletzt rassistische Motive hinter dem Angriff auf den „Oligarchen“. Schon diesen Begriff lehnt Amsterdam ab. Obwohl es viele russische Megareiche gibt, würden nur wenige so genannt, darunter Chodorkowski, dessen Vater Jude ist. „Oligarch ist eine Umschreibung für Jude“, sagt Amsterdam. Russlands Geheimdienst FSB hält er für „antisemitisch bis zum Kern“.
Die Gefahr, die vom FSB ausgehe, sei aber nicht auf Minderheiten beschränkt. Sie betreffe alle Bürger, auch die Deutschen. Eindringlich warnt Amsterdam davor, dass Deutschland sich vom Energieriesen Gasprom abhängig macht, der vom Sicherheitsapparat kontrolliert werde. Amsterdam hofft auf ein Umdenken in Berlin. „Gegen diesen Schauprozess und seine Folgen muss Deutschland intervenieren.“ Im Gegensatz zum Ex-Kanzler sieht er in Angela Merkel eine Partnerin. „Ich halte sie für absolut integer.“
Wenn Amsterdam die politische Ebene verlassen und beschreiben soll, worin er seine Rolle als Anwalt sieht, dann weicht der aggressive Ton. Leise sagt er: „Mein Ziel ist, Chodorkowski am Leben zu halten. Jedes Wort über ihn trägt dazu bei.“
Kölner Stadt-Anzeiger, 2.2.07