Der Verein Pfalzwein beschloss, den Titel der Pfälzischen Weinkönigin so zu ändern, dass in Zukunft auch ein (männlicher) „PfalzWeinBotschafter“ möglich ist. Warum nicht einfach ein „Weinkönig“?
Es gibt Wahlmonarchien, Erbmonarchien, konstitutionelle Monarchien, absolute Monarchien und – Produktmonarchien. Letztere sind keine Schöpfungen von Gottes Gnaden, sondern von schnöden Werbevereinigungen. Es gibt Kartoffelköniginnen, Apfel-, Zwetschgen- und Kirschköniginnen, Spargelköniginnen und – Weinköniginnen.
Dabei handelt es sich um zumindest leidlich hübsche, junge Frauen, die von einem in den jeweiligen Vereinssatzungen festgelegten Gremium alljährlich neu gewählt werden, um dann, angetan mit einem Dirndl und einer Krone oder einem Diadem aus Blech oder Plastik und bunten Glassteinen sowie einer Schärpe, für ein bestimmtes Produkt einer bestimmten Region „über die Dörfer“ zu ziehen und Werbung zu machen.
Meist hält sich der Charme der jeweiligen Damen in Grenzen und die oft gereimten Sprüchlein, die sie zu verkünden haben, erfüllen nicht selten den Tatbestand des Fremdschämens. Auch die einer Winzerfamilie entstammende frühere Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) fungierte einmal als Weinhoheit, zunächst war sie Gebietsweinkönigin der kleinen, aber feinen Weinbauregion Nahe in Rheinland-Pfalz, was gewissermaßen einem mitteldeutschen Duodezfürstentum entsprochen hätte, dann durfte sie ein Jahr – und zwar für die Amtszeit 1994/1995 – als Deutsche Weinkönigin die Rebsaftproduzenten und Weinwerbeorganisationen des gesamten Landes vertreten. Vielleicht ebnete dieses hohe Amt ihr den Weg ins Amt einer Bundeslandwirtschaftsministerin, das sie von März 2018 bis Dezember 2021 versah.
Anstecknadeln statt Kronen
Seither sitzt Frau Klöckner für die CDU im Bundestag; als Beruf gibt sie „Chefredakteurin“ an, was sich auf die Zeit bezieht, als sie in der Tat das im Meininger-Verlag erscheinende „Sommelier-Magazin“ leitete. Als Agrarministerin war ihr politischer impact überschaubar. Einigen Wirbel machte sie 2019 mit der Äußerung, dass man „baden gehe“, wenn man sich auf ein Thema wie die Klimakrise stürze, das gerade „en vogue“ sei, ohne einen „gedanklichen Überbau“ zu haben. Man sei, laut Wikipedia, immer nur zweiter Sieger, wenn man dem Trend hinterherlaufe. Das war mutig und würde heute wohl umgehend die Abdankung zur Folge haben, wenn nicht die Guillotine.
Vielleicht erinnerte sich der Verein Pfalzwein ja an diesen unverzeihlichen Lapsus, als er beschloss, das Reglement für die Wahl der Pfälzischen Weinkönigin an den permissiven Zeitgeist anzupassen. Fortan solle der hoheitliche Titel nicht mehr „Pfälzische Weinkönigin“ lauten, sondern PfalzWeinBotschafterin oder PfalzWeinBotschafter. Statt Kronen solle es nur noch Anstecknadeln geben wie bei jedem x-beliebigen Kaninchenzüchterverein. Binnenversalien wirken mittlerweile zwar etwas antiquiert, doch die Tatsache, dass das Amt künftig auch Männern offenstehen soll, kann im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit durchaus als Fortschritt gewertet werden. Was die „Welt“ übrigens zu der drolligen Überschrift animierte: „Warum künftig auch ein Mann Deutsche Weinkönigin werden kann“.
Von Seiten älterer weißer Männer wie dem Oberbürgermeister von Neustadt an der (pfälzischen) Weinstraße Mark Weigel (Jahrgang 1978) kam umgehend Protest. Die Reform führe zu einer „Entwertung der Marke“, sagte der Politiker des Landesverbandes Freier Wählergruppen (FWG). „Ich bin kein Anhänger der Monarchie, aber das Glamouröse und Märchenhafte gehört zur Figur. Das lässt sich nicht so leicht auf einen Mann übertragen, nur weil man sagt, wir leben in einer gleichberechtigten Gesellschaft und alles muss allen Geschlechtern offenstehen.“
Modernisierung nach Maß
Dass man sich als Befürworter der Institution einer Weinkönigin zunächst ein Bekenntnis zur republikanischen Regierungsform abzulegen gezwungen sieht, mag etwas übertrieben erscheinen, ist deren staatspolitischer Einfluss doch deutlich eingeschränkter als etwa der eines Bundespräsidenten oder sogar eines Karnevalsprinzen, der zumindest für die „närrischen Tage“ das Szepter schwingen darf. Noch irritierender indes und von stupender historischer Unkenntnis zeugend ist die Annahme, dass sich das Amt einer Königin nicht auf einen Mann übertragen ließe. Was Geschlechtergerechtigkeit anbelangt, sind die echten Monarchien schon wesentlich weiter – und das seit Jahrhunderten. Oder handelt es sich bei Herrn Weigel doch wieder nur um einen triebgesteuerten Cis-Mann, der sich gerne neben einem „knaggisch Mädsche“ fotografieren lassen möchte?
Die Posse um die Weinkönig:in bzw. PfalzWeinBotschafter:in zog sich eine Weile hin, bis der Verein Pfalzwein einen Kompromiss verkünden konnte. Bei der nächsten Wahl am 4. Oktober in Neustadt könne entweder eine Königin gekürt werden, die auch eine Krone tragen dürfe, oder im Falle des Sieges eines Mannes, eine „Weinhoheit“, die eine goldene Anstecknadel bekomme. Es gehe darum, „eine Modernisierung nach Maß hinzubekommen und die Tradition ein Stück weit zu erhalten“, hieß es in einer Verlautbarung. Warum ein Mann im Falle seiner Wahl nicht den Titel eines „Weinkönigs“ tragen soll, bleibt unklar.
Georg Etscheit ist Autor und Journalist in München. Fast zehn Jahre arbeitete er für die Agentur dpa, schreibt seit 2000 aber lieber „frei“ über Umweltthemen sowie über Wirtschaft, Feinschmeckerei, Oper und klassische Musik, u.a. für die Süddeutsche Zeitung. Er schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss und auf Achgut.com eine kulinarische Kolumne.