Tobias Kaufmann / 24.06.2007 / 19:13 / 0 / Seite ausdrucken

Schon wieder beleidigt?

Man hätte drauf wetten können. Nach und nach dringt die Meldung in die islamische Welt durch, dass der Schriftsteller Salman Rushdie von der britischen Queen zum Ritter geschlagen werden soll. Nun setzt sich ächzend die Protestmaschine in Gang.

In Pakistan brennen Fahnen und eine Rushdie-Puppe. Pakistan und der Iran bestellen die britischen Botschafter ein und geißeln, anderthalb Milliarden Muslime würden durch diese Entscheidung beleidigt. Indonesiens Außenminister sagt, die Ehrung widerspreche einer “guten Atmosphäre für gegenseitiges Verständnis”.

Diese Herren lügen. Wenn anderthalb Milliarden Muslime weltweit ein paar Tausend Demonstranten auf die Straße bringen, kann die Beleidigung kaum allgemeiner Natur sein. Die meisten Muslime haben andere Probleme. Die Proteste sind gesteuert. Und das eigentlich schockierende an den Bildern von brennenden Fahnen ist, dass sie niemanden mehr schockieren - geschweige denn überraschen. Man hat sie so oft gesehen. Sie stumpfen ab und verführen dazu, alles mit coolem Zynismus abzutun: “Der Moslem erregt sich leicht, und dann verbrennt er Fahnen.”

Aber die Sache ist nicht witzig. Denn wo die Fahnen brennen, da werden Publizisten zu Tausenden unterdrückt, deren Namen wir nicht kennen. Für sie steht Rushdie als Symbol. Wenn einem Politiker, dessen Land gerade nach einem Tsunami von westlichen Spenden wieder aufgebaut wird, zum Thema “gegenseitiges Verständnis” nichts anderes einfällt als Kritik an “Sir” Rushdie, dann wäre eine deutliche Antwort angebracht. Schweigen ist cool, hilft aber keinem.

“Kulturschock der Woche”, Kölner Stadt-Anzeiger, 24.6.07
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