Schon vergessen? Beispiele vergangener Panikmache

In diesen Wochen werden wir durch die Medien mit statistischen Daten überschüttet. Im Gegensatz zu den meisten Zahlen, die wir sonst zu hören bekommen, betreffen uns diese ganz persönlich. Können wir darauf vertrauen, dass man uns die Wahrheit sagt? Zu diesem Thema hat sich schon einmal ein sehr erfolgreicher Schriftsteller den Kopf zerbrochen.

Michael Crichton (1942–2008) hat in seinem Leben viele Bücher geschrieben und davon über hundert Millionen verkauft. Am bekanntesten ist sein “Jurassic Park“, das Drama einer Familie im neu eröffneten Erlebnispark, wo Flora und Fauna aus der Zeit des Jura wiederbelebt worden waren. Da lief dann einiges aus dem Ruder, denn „…das Leben findet seinen Weg.“

Seine enormen Erfolge hielten ihn nicht davon ab, nach dem Stoff für weitere Romane zu suchen. Einer sollte die größte Katastrophe aus Menschenhand schildern. Da kam ihm Tschernobyl in den Sinn.

Erste Recherchen erstaunten ihn. Da waren Berichte von UPI aus 1986, dem Jahr des Unglücks, mit 2.000 Todesopfern, während die NY Post von 15.000 sprach. Wie kann so etwas kommen? Es ging hier um Menschenleben, nicht um Säcke voll Reis in China!

Was für eine groteske Fehlmeldung

Die Diskrepanzen verschwanden nicht, obwohl die Jahre doch Klarheit bringen sollten. Die NY Times berichtet 2002, 18 Jahre später, immer noch von 15.000 Toten – im krassen Gegensatz zur Untersuchung durch die UN Atombehörde: es gab in Wirklichkeit nicht mehr als 56 Opfer. Was für eine groteske Fehlmeldung: 15.000 statt 56, das ist ein Faktor von 250, das kann kein Versehen sein. Aber welche Absicht steckt dahinter?

Nicht anders war es bei den Prognosen für die langfristige Wirkung der Strahlung. CNN erwartete 3,5 Millionen Opfer, AFP sprach von einer halben Million und die erwähnte UN Analyse von 2005 ergab 4.000 Fälle. CNN und die UN lagen also um den Faktor 1.000 auseinander! Woher nehmen die Medien diese Zahlen und woher die Dreistigkeit, sie zu veröffentlichen? Unter den Empfängern der Nachricht sind ja Betroffene, die da lesen, dass sie krank werden, dass sie sterben müssen und ihre Kinder missgestaltet sein werden. 3,5 Millionen in der Region Tschernobyl waren von diesem Schicksal betroffen – gemäß CNN! 

Welches Trauma wird sie für den Rest ihres Lebens begleiten, und wie viele werden an dem psychologischen Stress zugrunde gehen! Über diesen Mord durch falsche Zahlen werden wir nie etwas erfahren. Crichton war zutiefst erschüttert, und er gab dem neuen Roman ein anderes Thema: Korruption von Wissenschaft durch die Politik. Sehen Sie sich seinen Vortrag von 2005 dazu an. 

Ein Vierteljahrhundert nach Tschernobyl kam Fukushima; es wurde medial noch widerlicher ausgeschlachtet. Das Video mit der explodierenden Halle lief alle fünf Minuten über die Bildschirme, Tag und Nacht. Wem wurde damit geholfen? 

„Die Toten werden schon noch kommen"

Als in einer der endlosen Talkshows der Einwand gemacht wurde, es hätte doch noch gar keine Toten gegeben, entgegnete Maybrit Illner mit der sehr taktvollen Prognose: „Die werden schon noch kommen, das ist es ja.“ Der Bildschirm zeigte dann japanische Babys mit Gasmasken und titelte schadenfroh: „Fukushima: schlimmer als Tschernobyl“. 

Zwei Tage nach dem Unglück hatte mich ein südafrikanischer News Channel für ein Statement in eine Sendung zugeschaltet. Der Moderator von eNEWS, Jeremy Maggs, fragte, mit wie vielen Opfern in Fukushima zu rechnen sei. Da ich Reaktoren dieses Typs in Deutschland schon von innen gesehen hatte, äußerte ich vorsichtig, dass außer im Reaktor selbst wohl niemand zu Schaden gekommen wäre.

Die Aussage wurde von den anderen Teilnehmern mit Kopfschütteln quittiert, aber die Experten der Vereinten Nationen kamen zu keinem anderen Ergebnis. Im Mai 2013 veröffentlichte UNSCEAR (United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation) einen Bericht über die Folgen des Unfalls. Hier die zentrale Aussage:

3. Health implications

38. No radiation-related deaths or acute diseases have been observed among the workers and general public exposed to radiation from the accident.

39. The doses to the general public, both those incurred during the first year and estimated for their lifetimes, are generally low or very low. No discernible increased incidence of radiation-related health effects are expected among exposed members of the public or their descendants.

3. Auswirkungen auf die Gesundheit

38. Bei den Arbeitnehmern und der Öffentlichkeit, die der Strahlung des Unfalls ausgesetzt waren, wurden keine strahlenbedingten Todesfälle oder akuten Krankheiten beobachtet.

39. Die Dosen für die breite Öffentlichkeit, sowohl die im ersten Jahr angefallenen als auch die für ihre Lebensdauer geschätzten, sind im Allgemeinen niedrig oder sehr niedrig. Bei exponierten Mitgliedern der Öffentlichkeit oder ihren Nachkommen ist keine erkennbare erhöhte Inzidenz strahlenbedingter gesundheitlicher Auswirkungen zu erwarten.

Die richtige Zahl wäre Null gewesen

Ein paar Monate vor dem UN Bericht und 24 Monate nach dem Unglück gab es doch sicherlich schon aktuellere Informationen, und man sollte annehmen, dass die finanziell gut ausgestattete Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands in der Lage gewesen wäre, sich mit dem elementarsten Zahlenmaterial zu versorgen. Dennoch sprach man in der Tagesschau am 11.3.2013 von 16.000 Toten durch das Reaktorunglück. Die richtige Zahl wäre Null gewesen.

Hat die ARD denn kein Geld für die elementarste Qualitätskontrolle? Nicht nur die deutschen Medien übertrieben in solch unverantwortlicher Weise. Die japanischen Behörden mussten auf öffentlichen Druck hin die Bevölkerung aus dem Umkreis des Kraftwerks evakuieren. Die Strahlendosis lag hier nicht über der natürlichen Radioaktivität mancher Gebiete der Erde, es bestand also keine Gefahr. Dennoch wurde evakuiert. Weil nun die Infrastruktur vom Tsunami total zerstört war, wurde der Abtransport zu einer riskanten Expedition, bei der viele, insbesondere ältere Menschen, ums Leben kamen – sie waren Opfer der Medien und derer Falschmeldungen geworden. 

Wären es zufällige Fehler, dann würden nicht alle in die gleiche Richtung von der Wahrheit abweichen. Durch Falschmeldungen wird die Bevölkerung in eine Richtung gelenkt, die sie nicht wählen würde, wenn sie Zugang zur Wahrheit hätte. Dabei sind Medien doch eigentlich dazu da, uns objektive Grundlagen für unsere Entscheidungsfindung zu geben, damit wir das persönliche Wohl optimieren können. 

In der jetzigen Situation mit der Corona-Pandemie ist das kein gutes Gefühl. Kann man den offiziellen Zahlen und Statistiken diesmal trauen? Jetzt geht es nicht um die Bevölkerung in der Ukraine oder Japan, jetzt geht es um uns. Vielleicht sollte man während der Tagesschau immer noch einen zweiten Bildschirm vor dem geistigen Auge haben, auf dem ein perfekt gekleideter und gekämmter Sprecher der ARD mit ernster Miene von 16.000 Toten in Fukushima erzählt.

Michael Crichton ist bei seiner Suche nach der größten von Menschen gemachten Katastrophe anscheinend doch fündig geworden: es ist die Fütterung der Informationsgesellschaft mit vergifteter Nahrung. Das dramatisiert er in seinem Roman „State of Fear“ – „Welt in Angst“. 

 

Dr. Hans Hofmann-Reinecke studierte Physik in München und arbeitete danach 15 Jahre in kernphysikalischer Forschung. In den 1980er Jahren war er für die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien als Safeguards Inspektor tätig. Er lebt heute in Kapstadt.

Dieser Artikel erschien zuerst bei www.think-again.org und im Buch „Grün und Dumm“.

Foto: Tim Maxeiner

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Paul Diehl / 21.04.2020

Seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 ist im ÖR-Rundfunk nicht ein Tag vergangen, an dem nicht Propaganda, Aktivismus und regierungstreue Berichterstattung, das Bild prägen. Neuerdings hat man sich in puncto Gesundheit auf Angst- und Panikmache spezialisiert. Zum kotzen!

Lutz Gütter / 21.04.2020

Seltsam, diese Corona-Opferzahlen. Süd-, Südwest- und Westeuropa haben pro 100.000 Einwohner nicht nur die höchsten Fallzahlen innerhalb Europas, sondern auch die meisten Toten. Nun gehe ich mal nicht davon aus, daß jeder mutmaßliche Corona-Tote obduziert wurde und deshalb auch viele Verstorbene in der Corona-Statistik erfaßt wurden, bei denen die Todesursache eine andere Krankheit oder auch altersbedingt war. Auf diese Art können die Regierungen dieser Staaten allerdings auf einen hohen Leidensdruck hinweisen, um von Deutschland Solidarität in Form von Corona-Euro-Bonds einzufordern. Daß das Median-Vermögen pro Person nach Wikipedia (2019) in D ca. 35.000$ (sogar Griechen und Slowaken haben da mehr), in Italien ca. 92.000$, inSpanien ca. 95.000$ und in Frankreich sogar ca. 102.000$ beträgt, wird der Begehrlichkeit vermutlich nicht im Wege stehen. Ich hoffe, ich habe mit meinen Befürchtungen unrecht.

Helge Grimme / 21.04.2020

Auch Hypochonder sterben irgendwann. Und selbst unsere unfehlbare Regierung liegt nicht immer ganz falsch. Ich glaube, jeder der wegen den milden Maßnahmen zur Bekämpfung einer mitteltäglichen Seuche hier ausrastet, hat noch nie, nie, nie etwas Schlimmeres erlebt als einen Napfklau im Sandkasten. Aber gut, Deutschland scheint links und nichtlinks vor unterreflektierenden Weichlingen zu bersten. Schade, ich dachte wir hätten noch eine Chance.

alma Ruth / 21.04.2020

Ganz kurz gesagt, es ist Unverantwortlichkeit pur, was (die) Medien betreiben. Worte wirken, ob man es will oder nicht. Ob man dessen bewußt ist oder nicht. Von Menschen deren Broterwerb das Schreiben ist, erwarte ich, daß sie darüber nachdenken, bevor sie einen Text absetzen. Sie könnten u.U. auch Mörder werden, ohne den Ermordeten je gesehen zu haben. Gedankenlosigkeit—eine schlimme Krankheit. Die andere Seite oder möglicherweise einer der Verursacher der Verantwortungslosigkeit. Bin weder Psychologe noch Philosoph. Beide oder einer der beiden könnte vielleicht diesen Menschen helfen, damit sie das Problem überhaupt einmal wahrnehmen. lg alma Ruth

Bernhard Idler / 21.04.2020

@ Michael Dost: Frau Merkel macht also “Panik”. Gut möglich, als Erklärungmodell für weltweite Corona-Zahlen und -Maßnahmen jedoch untauglich. Und es ist sehr wohl ein Unterschied, ob Zahlen nicht genau sind, nicht sein können, oder ob man tausende von Todesopfern ohne jede Basis behauptet, wie hinsichtlich der Reaktorunglücke. Übrigens kann ich Sie beruhigen, die Corona-Sterblichkeit ist Gegenstand von Schätzungen und Diskussionen, niemand nimmt die getesteten Fälle als Basis dafür. Man weiß nur, wieviel der getesteten “closed cases” ungefähr gestorben sind, in Deutschland 5 Prozent und weltweit 21 Prozent (worldometers). Es sind aber sicher viele unbekannt infiziert, und auch nicht alle Todesfälle bekannt oder gemeldet.

Sabine Schönfelder / 21.04.2020

T.@ Taterka, Sie sind ein Poet! Karla@ Kuhn, schätze wir beide werden auch die einzigen Überlebenden sein!

Dov Nesher / 21.04.2020

@Karla Kuhn: Die Lage in Italien ist also nur halb so schlimm, weil nicht obduziert wurde? Was ist das für eine Logik? Die spanischen, französischen und US-amerikanischen Toten kommen wegen des schlechten italienischen Gesundheitssystem? Die Patienten wurden teilweise vom Norden in den Süden transportiert, weil das Gesundheitssystem im Süden besser ist? Klar. Ich weiß nicht wie alt diese Studie ist, aber die Ergebnisse zeigen klar, dass die Zahlen von zweiten und dritten “Wellen” in verschiedenen Ländern nicht berücksichtigt wurden.

E Ekat / 21.04.2020

Herr Dr. Reinicke, Zitat: “Dabei sind Medien doch eigentlich dazu da, uns objektive Grundlagen für unsere Entscheidungsfindung zu geben, damit wir das persönliche Wohl optimieren können. ” Zitatende. Sie haben nicht verstanden, auf welche Weise Medien für eine Gesellschaft wirksam werden können. Eine Forderung auf “objektive Grundlagen” erscheint bei ihnen stark verkürzt.  Es ist die Medienvielfalt,  das Vorhandensein vieler Quellen, auf die man zurückgreifen können müßte, um sich daraus selber ein Bild machen zu können. Erst wenn Medien gleichgeschaltet agieren -  aus welchen Ursachen oder Gründen eine Gleichschaltung herbeigeführt wurde - werden Medien zu einer Gefahr und dienen der Lenkung,  Gleichschaltung der Meinungen.  So etwas könnte man eigentlich wissen.

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