Weit mehr als ein Drittel der Einwohner sind bereits geflüchtet, es wird also nicht mehr lange dauern, bis die aserbaidschanischen Sieger ihr Ziel erreicht haben und ein "ethnisch gesäubertes" Berg-Karabach übernehmen können.
Seit der Militäroffensive Aserbaidschans in der Vorwoche sind nach neusten Angaben der russischen Agentur RIA Novosti 47.000 ethnische Armenier - und damit weit mehr als ein Drittel der 120.000 Einwohner - aus der Region Berg-Karabach geflohen, meldet die Kleine Zeitung. Die meisten vertriebenen Karabach-Armenier seien in der armenischen Stadt Goris eingetroffen, der ersten Anlaufstelle hinter der Grenze. In der 20.000-Einwohnerstadt hätten sich lange Schlagen vor Geschäften mit Telefonkarten gebildet. Unter den Flüchtlingen würden sich vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen befinden.
Nach der Militäroffensive Aserbaidschans am 19. September hatten die armenischen Kämpfer von Berg-Karabach bekanntlich bereits einen Tag später eine Waffenstillstandsvereinbarung akzeptieren müssen, die an der Kapitulation gleichkommt. Russland als traditionelle Schutzmacht Armeniens hatte die Aserbaidschaner bei ihrer Militäroffensive gewähren lassen. Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan habe der Führung in Moskau deshalb bittere Vorwürfe gemacht. Russland hatte der Regierung in Jerewan wiederum vorgeworfen, mit ihrer jüngsten Hinwendung zum Westen einen "großen Fehler" zu begehen.
Am Dienstag seien Vertreter Armeniens und Aserbaidschans auf Initiative der EU in Brüssel zusammengekommen. Die Gespräche zwischen den nationalen Sicherheitsberatern der verfeindeten Länder im Beisein von Vertretern aus Frankreich und Deutschland hätten unter der Schirmherrschaft von EU-Ratspräsident Charles Michel gestanden.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock habe Aserbaidschan am Mittwoch lediglich aufgefordert, internationale Beobachter in die Region Berg-Karabach zu lassen.
Wenn die Flucht der Armenier im jetzigen Tempo weitergeht, wird die Führung in Aserbaidschan dieser Bitte sicherlich in einigen Tagen nachkommen. Dann ist ja bereits alles im Sinne der Sieger geregelt