Peter Grimm / 28.08.2024 / 12:00 / Foto: Imago / 76 / Seite ausdrucken

Scholzen und Merzen: Der kuriose innerdeutsche Gipfel

Gestern gab es eine neue Aufführung im politischen Theater mit Olaf Scholz in der Rolle des Bundeskanzlers und Friedrich Merz als Oppositionsführer-Darsteller, umweht vom Geist der "Großen Koalition".

Innenpolitisch geht es in diesen Tagen zwischen dem mörderischen islamistischen Messeranschlag in Solingen und den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen plötzlich um die normalerweise gern verdrängten Themen illegale Einwanderung und Islamisierung, auch wenn sie natürlich lieber irreguläre Migration und islamistischer Extremismus genannt werden. Die etablierten Politiker möchten aus lauter Angst vor einem AfD-Wahlsieg in Sachsen und Thüringen irgendwie glaubhaft Handlungsbereitschaft signalisieren. Doch wie soll man das tun, wenn die Ankündigungs-Textbausteine schon zu oft eingesetzt wurden, ohne dass dann Taten folgten?

Praktisch machbar ist in diesen wenigen Tagen bis zur Wahl tatsächlich nichts. Außer natürlich eine Neuinszenierung im deutschen Polittheater. Eine gab es gestern, nämlich das innerdeutsche Gipfeltreffen von Olaf Scholz in der Rolle des Bundeskanzlers und dem Oppositionsführer-Darsteller Friedrich Merz.

„Dem Bundeskanzler entgleitet mittlerweile das eigene Land“, war der zitierfähige Oppositionssatz des CDU-Vorsitzenden in einer Pressekonferenz zu diesem Treffen am Dienstagnachmittag in Berlin. Dann bot er das, was er wahrscheinlich unter einem staatsmännischen Auftritt versteht, als er forderte, die „demokratischen Parteien der bürgerlichen Mitte“ müssten nach dem Terroranschlag von Solingen zu gemeinsamen Lösungen kommen, um „die illegale Migration stärker zu begrenzen und zurückzudrängen“. Die Unterschiede zu den Textbausteinen des Kanzlers liegen im Detail. Während Merz von "illegaler Migration" spricht, hieß es von Scholz nach dem innerdeutschen Gipfel auf einer Wahlkampfveranstaltung der SPD in Jena: „Wir müssen die irreguläre Migration begrenzen, sie ist zu hoch.“

Alles schon gehört

Und dann hörte das Publikum nur, was es schon nach dem islamistischen Attentat von Mannheim gehört hatte, Straftäter müssten auch nach Syrien und Afghanistan abgeschoben werden, woran die Regierung arbeite. Ja, und wenn diese Regierung das tut, was sie "arbeiten" nennt, dann kann das schon noch eine Weile dauern. So lange mögen die Bürger Geduld haben und sie weiter wählen. Nein, das sagte er bei der Wahlkampfveranstaltung so nicht, aber so ist es sicher gemeint. Allerdings schwindet bei den Protagonisten selbst sichtbar der Glaube, dass diese Art der Kommunikation noch nennenswerte Erfolge erzielt. Auch die Floskel, die Bundesregierung werde dem islamistischen Terrorismus mit aller Kraft und Härte begegnen, dürfte beunruhigte Bürger kaum beruhigen. Denn seit Jahr und Tag bleibt es für islamistische Kämpfer denkbar einfach, sich in Deutschland niederzulassen und dabei auch noch die Alimentation durch den deutschen Steuerzahler zu genießen.

Auf solche Kleinigkeiten ging der Kanzler nicht ein, aber er versprach, in Migrationsfragen nun mit der Opposition zusammenarbeiten zu wollen. Mit Opposition meinte er aber selbstverständlich nur die CDU und die CSU. Noch oppositioneller mag es der Kanzler nicht, denn da steht ja schließlich die Brandmauer.

Merz erklärte zu dem innerdeutschen Gipfel noch, er hätte Scholz vorgeschlagen, Gesetzesänderungen zu erarbeiten und diese in der Haushaltswoche im September zu verabschieden. Dazu sollten seiner Ansicht nach zwei Unterhändler konkrete Vorlagen erarbeiten.

Konkret müssten der Zuzug über die Kontrolle der deutschen Staatsgrenze geregelt und Menschen zurückgeschickt werden. Merz erklärte, dass nach EU-Recht der Asylantrag im Land des Erstzutritts gestellt werden müsse und das sei in der Regel nicht Deutschland. Außerdem bräuchte es mehr Vertrauen, mehr Kompetenzen und mehr Ausstattung für die Bundespolizei, um das durchzusetzen.

Das wäre im Prinzip nichts weiter, als die Durchsetzung dessen, was einmal Recht und Gesetz war, bevor dessen Durchsetzung vor neun Jahren von einer CDU-Bundeskanzlerin nachhaltig unterbunden wurde. Während Friedrich Merz die jetzige Bundesregierung wegen ihrer Migrationspolitik kritisiert, hofft er offenbar zugleich, es sei mit einem Halbsatz über die Mitverantwortung der eigenen Partei erledigt und niemand redet mehr darüber, dass diese Politik nur die Fortsetzung des Merkel-Kurses ist.

Großkoalitionäre Gedankenspiele

Es hat schon ein realsatirisches Geschmäckle, wenn CDU und SPD derzeit so tun, als hätte nicht schon die gemeinsame sogenannte Große Koalition begonnen, das Land in eine heute nicht mehr zu übersehende Krise zu führen. Gleichzeitig aber präsentierte Merz großkoalitionäre Gedankenspiele, indem er sagte, Sozialdemokraten und Christdemokraten könnten notwendige Änderungen auch allein umsetzen, ohne auf Grüne und FDP als Regierungspartner Rücksicht nehmen zu müssen. Dazu müsse der Kanzler seine Richtlinienkompetenz nutzen und das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten freigeben. In eine Scholz-Regierung eintreten will Merz allerdings nicht.

Und damit es besonders entschlossen klingt, sprach Oppositionsführer- und Staatsmann-Darsteller Merz auch gleich noch davon, man könnte eine nationale Notlage ausrufen. Es wird sicherlich niemand daran zweifeln, dass die früheren Großkoalitionäre, wie auch die derzeit regierenden Ampelmännchen, durchaus in der Lage sind, das Land in eine Notlage zu führen. Schöner wäre, man hätte Regierende, die es schaffen, begründete Zuversicht zu wecken, sie könnten das Land aus einer Notlage herausführen. Schade, dass das bei den politischen Verantwortungsträgern in den gegenwärtigen Wahlkampfzeiten kaum ein Thema ist. Zu sehr haben sie sich in den AfD-Abwehrwahlkampf an der Brandmauer eingegraben.

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

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Yehudit de Toledo Gruber / 28.08.2024

“Es hat schon ein realsatirisches Geschmäckle, wenn CDU und SPD derzeit so tun, als hätte nicht schon die gemeinsame so genannte “Große Koalition” begonnen, das Land in eine heute nicht mehr zu übersehende Krise zu führen”.  Eine großartige Einschätzung, Herr Grimm! Allein schon Ihr “Scholzen und Merzen” trifft in´s Schwarze! Wir alle werden Zeugen eines machtbesessenen, peinlichen Schmierentheaters. Mal sehen, wie am Ende das Publikum reagiert ...

Markus Viktor / 28.08.2024

… und dafür alles andere, also auch Wohlstand und Sicherheit in Deutschland zu opfern, wie die Hamas für ihr Ziel eines judenreinen “Palästina” Wohlstand und Sicherheit für ihre Bevölkerung negiert, dann wird sich am Handeln der Politikerkaste nichts ändern, was auch immer es kosten wird.

A. Nölle / 28.08.2024

@alle: Was würde denn eigentlich konkret geschehen, wenn Deutschland in Übereinstimmung mit Art. 16 a GG keine Migranten und Asylbewerber, die ja zweifelsohne über die Staaten an der Peripherie in die EU gelangt sind, ins Land lässt und sofort wieder zurückschickt? Wenn die EU ihren leistungsstärksten Mitgliedstaat überfordert, dann muss die EU vielleicht einmal über ihre möglicherweise zu weit gesteckten Ziele oder zu hohen Ansprüche nachdenken?! Nur weil ich einen europäischen Superstaat ablehne, bin ich doch nicht gegen eine Kooperation auf europäischer Ebene, bin ich schon gar nicht dagegen, Menschen in Not nach Maßgabe der eigenen Möglichkeiten zu helfen. Sind wir da nicht zu Gefangenen unserer eigenen Alles-oder-Nichts-Logik geworden? Und schnürt uns diese Logik in Verbindung mit einer überbordenden Verrechtlichung nicht komplett die Luft ab? Und gab es das nicht so oder so ähnlich schon einmal in Form des Bismarckschen Bündnissystems, das die Sicherheit Europas garantieren sollte; und war nicht genau dieses Bündnissystem eine der Ursachen für die Katastrophe des Ersten Weltkrieges?

Franz Zotter / 28.08.2024

Scholz, Merz wie der gesamte politische Apparat sind nur die Konsequenz des Geistes, der durch das Land weht. Auf meiner täglichen Rundreise durch die neuen systemkritischen Medien bleibt wie meistens nur das Gefühl der Resignation. Es gibt “Ausrutscher” wie einige Kommentare bei Kontrafunk aktuell, die wirklich gut sind. Oder ein aktuelles Video von Reichelt auf NIUS wo er wirklich Klartext redet. Aber heute wieder auf NIUS: Abschieben, um Platz für jene zu machen, die wirklich Hilfe brauchen!? Nur um das heutige Highlight zu nennen. Extremisten werken brutal in ganz Europa. Und die Antwort der Unzufriedenen? Gebrabbel, irgendwas von der Mitte. Mittlerweile weitet sich der Trend aus, mit der angeblichen Mitte - natürlich inhaltslos - zu argumentieren. Plakate der ÖVP in Österreich im aktuellen Wahlkampf: “Die Mitte”. Wäre eigentlich ehrlich und selbst entlarvend, wofür “die Mitte” eigentlich steht. Denn die ÖVP ist wie die CDU in Deutschland hauptverantwortlich für die Zustände in unseren Ländern. Das ist sie, die Mitte. Offen und ehrlich ausgesprochen. Leider wird auch das wieder in weiten Teilen der Bevölkerung falsch verstanden, denn Mitte suggeriert besondere intellektuelle Ausgewogenheit. Verstärkt wird diese Fehleinschätzung zum Beispiel mit einem Werbespot eines Politmagazins, den ich gerade gehört habe. Sinngemäß: “Wie stärken wir die Mitte, wenn die Ränder stärker werden?” >>> Also nochmal, die Antwort dieser Mitte auf den aktuellen Extremismus des Machtsystems? Jammern, täuschen und vor den Rechten warnen. Dabei bräuchten wir einen jahrelangen, deutlichen Rechtsruck, um irgendwann wieder in der Mitte anzukommen. 

Wolfgang Richter / 28.08.2024

@ Christian Müller - “Solange auch auf achgut von “Islamismus” gesprochen wird, ist doch alles gut.” - Einige wenige Monate nach dem vermeintlichen Putsch in der Türkei hat der Chefredakteur ?? des Bayerischen Rundfunks in der Türkei den Herrn Erdogan interviewt. Ziemlich zum Ende fragte er Erdogan auch zum “Islamismus”. Erdogan hat den Begriff als westliche Erfindung abgetan und -mit meine Worten- erklärt, daß es nur den Islam gebe, Gläubige, die diesen Ernst nehmen und leben und solche, die weniger oder ungläubig sind. Das sagte doch alles. Gibts sicher noch irgendwo in der Medithek zum Aufrufen. Und erwähnt sei dazu noch, daß die “weniger oder nicht Gläubigen” nach dem Koran entsprechende Sanktionen zu erwarten haben. Da hilft es auch nichts, wenn hiesige Ingoranten und koranische Analphabeten sich einfach entschließen, derartige Realitäten nicht zur Kenntnis zu nehmen, können sie natürlich tun, werden allerdings dann immer wieder böse von den Folgen dieses Ignorantentums angeschlagen, wie jüngst der “NRW-Homeland-Polizeichef” Reul medial mit seinen hilflos daher gestammelten Kommentaren zu “Solingen”  bekundete.

Wolfgang Richter / 28.08.2024

Das ist,  als wollten überzeugte Pyromanen, wenn ihnen die brennenden Dachbalken auf die Füße fallen, noch schnell der Feuerwehr beitreten.

Lao Wei / 28.08.2024

Wenn ich in die grinsenden, feixenden Apparatschik-Ges…. blicken muss, wird mir regelmäßig speiübel. Im übrigen bin ich der Meinung: wer in dem Haifischbecken der Politik agiert und das Grinsen noch immer im Ges….. trägt, muß mit besonderen „Genen“ ausgestattet sein. Für mich bedeutet Politik, schlicht Anstand und Idealismus leben!!!!

W. Renner / 28.08.2024

Tagesplan: Neue, verbesserte Wahnvorstellungen.

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