Ralf Balke / 28.07.2007 / 21:02 / 0 / Seite ausdrucken

Schoko aus Zion

Wer die Max Brenner Chocolate Bar am Union Square in Manhattan betritt, fühlt sich wie auf dem Filmset für den Kinohit “Charlie und die Schokoladenfabrik”. Pizza, Fondue und unzählige Getränkevariationen, hergestellt aus einem der wenigen Stoffe, die süchtig machen und trotzdem legal sind.

Im Sommer 2006 eröffnet, brummt der Laden gewaltig. Auf mehr als 450 Quadratmetern findet der Schokoholiker alles, was das Herz begehrt. Sechs Millionen Dollar sollen hier jährlich umgesetzt werden. Und nur einige Monate später eröffnete an der Lower East Side in New York die zweite, wenn auch nur halb so große Dependance des süßen Imperiums. Eine dritte in Las Vegas steht auf dem Plan.

“Jeder, der den Laden betritt, fragt, warum nicht schon früher jemand auf die Idee gekommen ist”, sagt Oded Brenner. Das Konzept des 38-jährigen Chocolatiers mit dem rasierten Schädel ist schnell erklärt: “Bei Schokolade geht es um mehr als nur guten Geschmack und Qualität, nämlich um die Emotionen, die mit dem Produkt verbunden sind.”

Brenner versteht sich deshalb nicht nur als Küchenchef, der einfach ein paar neue Rezepte kreiert hat, sondern als Botschafter einer neuen “Schokoladenkultur”. Restaurantkritiker erklärten ihn deshalb bereits zum “Armani der Schokowelt”. Der Konsum soll als sinnliches Erlebnis zelebriert werden - zum Beispiel mit “Suckao”, einem ganz besonderen Schokodrink. Dabei werden in einer Metalltasse Sahne, Gewürze und verschiedene Schokoladensorten eingeschmolzen, die der Gast dann mit einem Strohhalm trinkt.

Die USA sind nicht der einzige Auslandsmarkt für die kalorienreiche Romantik aus dem Hause Brenner, aber der jüngste. Bereits seit einigen Jahren ist die Firma mit nunmehr elf Filialen in Australien präsent sowie mit jeweils einer weiteren auf den Philippinen und in Singapur. In Israel sind es fünf Schokoladenrestaurants, die um die Kundschaft buhlen. Pläne für eine Expansion nach Europa gibt es derzeit noch keine.

Max Brenner war nur eines von vielen Unternehmen, die in dem kleinen Israel mit seinen knapp sieben Millionen Einwohnern Klaustrophobiegefühle zu entwickeln begannen und ihr Glück deshalb im Ausland versuchten. Auch die Espressobarkette Aroma eröffnete im vergangenen Jahr ausgerechnet im Heimatland von Starbucks & Co. ihre ersten Filialen. Und Castro, Israels Antwort auf H&M, expandierte munter in Deutschland, der Schweiz, Russland sowie Thailand und betreibt weltweit mittlerweile rund 30 Bekleidungsgeschäfte.

Ebenso rasant wächst die israelische Drogeriemarktkette Super-Pharm. Neben 14 Filialen in Polen betreiben die Israelis gemeinsam mit einem chinesischen Partner 53 Drogeriemärkte im Reich der Mitte. Daheim ist Super-Pharm genau wie Castro der Platzhirsch in einem nahezu gesättigten Markt. Wer also weiter wachsen will, hat keine Wahl, als ins Ausland zu gehen.

Dabei wollte Oded Brenner eigentlich Schriftsteller werden. Aber irgendwie musste er nach dem in Israel obligatorischen Militärdienst von drei Jahren seinen Lebensunterhalt verdienen. Und als Brenner hörte, dass das israelische Arbeitsamt Teilnehmern von Berufsausbildungskursen auch im Ausland finanziell unter die Arme greift, beschloss er, Konditor zu lernen.

Nach Stationen in Österreich, Düsseldorf und Paris kehrte er 1995 als erster Profi-Chocolatier des Landes nach Israel zurück, wo er sich mit seinem Kumpel Max Fichtman und 20 000 Dollar Startkapital selbstständig machte. Gemeinsam öffneten sie eine kleine “Schokoladenboutique”.

Aus den Tagen dieser Geschäftsbeziehung stammt denn auch die Firmenbezeichnung Max Brenner, eine Kombination beider Namen. Bald gehörten ihnen zehn Läden.
Doch 1999 stieg Max Fichtman aus der gemeinsamen Firma aus und verkaufte seine Anteile an einen israelischen Unternehmer, der seine Geschäfte überwiegend in den USA betreibt. Bei dem Versuch, die “Schokoladenboutiquen” auch dort populär zu machen, erlebten Brenner und sein neuer Partner jedoch eine Bauchlandung.

Rettung kam schließlich aus Australien und von dem israelischen Lebensmittelkonzern Strauss-Elite. Ein Unternehmer aus Sidney schlug Brenner zunächst vor, ein Schokorestaurant in Down Under zu eröffnen. Die Idee für den Markenauftritt “Max Brenner - Chocolate by the Bald Man” (Schokolade vom Glatzenmann) sowie das Konzept, Schokoladengenuss als Event zu inszenieren, waren geboren. Und Strauss-Elite kaufte die Anteile an Max Brenner zu einem Schnäppchenpreis auf.

Mit dem Einstieg des israelischen Lebensmittelriesen wurde Oded Brenner nicht nur Partner des Unternehmens. Zugleich mutierte er mit seiner Person ähnlich wie Colonel Sanders bei der Hähnchenbratereikette Kentucky Fried Chicken zum lebenden Logo. Gerne lässt er sich auf Pressefotos mit schokoladenverschmiertem Mund ablichten oder erklärt in Videos, dass sein Verhältnis zu Schokolade einer Love-Story gleicht.

Als viel beschäftigter Chocolatier pendelt er zwischen seinen Wohnungen in Tel Aviv und New York hin und her, um immer wieder neue Rezepte werbewirksam zu präsentieren. Alles mit Erfolg.

Nur mit der Schriftstellerei will es irgendwie nicht richtig klappen. Sehr zu Brenners eigenem Bedauern liegt sein Roman immer noch unvollendet in der Schublade.

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