Die Briten machen etwas ganz Merkwürdiges: Sie fangen schon in diesem Jahr zu sparen an. Sie warten nicht aufs nächste Jahr. Die neue Regierung scheint der Ansicht zu sein, dass man Notwendiges gleich tun und nicht auf die lange Bank schieben soll. Wenn das kein ungewöhnliches Politikverständnis ist.
Und ungewöhnlicher noch: Die Regierung fängt mit dem Sparen bei sich selber an. Unglaubliche Dinge sind da vom neuen Schatzkanzler George Osborne angekündigt worden. Staatsdiener sollen nicht mehr erster Klasse reisen. Staatssekretäre bekommen keine eigenen Autos mit Chauffeur mehr. Von Premierminister David Cameron heißt es sogar, dass er manchmal mehrere hundert Meter von 10 Downing Street zum Parlament zu Fuß geht. Andere sollen das auch tun oder öffentliche Verkehrsmittel benutzen.
Auch die moderne Sitte, nicht selbst zu arbeiten, sondern sich die schwierigen Sachen von teuren Beratern machen zu lassen, steht als Streichposten auf dem Sparzettel. Sogar Gehaltskürzungen für Politiker und Staatsdiener sind angekündigt. Auch da geht Cameron voran und zwingt damit die anderen ebenfalls zum Verzicht.
Und das ist nur die Vorspeise des Sparmenüs. Sie ist bescheidene sechs Milliarden Pfund wert. Das Hauptgericht, ein viel drastischeres Sparprogramm ebenfalls für dieses Jahr, soll demnächst aufgetragen.
Die Gehaltskürzungen für Politiker sind allerdings keine britische Erfindung. Da sind die Griechen und die Spanier vorangegangen. Ein echtes Tabu ist das also nicht mehr. Trotzdem: Wenn jetzt auch die Briten zu solchen Schritten greifen, ist nicht mehr auszuschließen, dass diese besonders schmerzhafte Form des Sparens auf die Machtzentren Mitteleuropas übergreift. Gehaltskürzungen für Politiker! Das muss man sich mal vorstellen! Warum tun die Briten das?
Darum: Die neue konservativ-liberaldemokratische Regierung in London sagt, wenn man nicht im eigenen Haus mit dem Sparen anfängt, entsteht nicht der Einstellungswechsel, der notwendig für das große allgemeine Sparen ist.
Das ist sicher eine lobenswerte Haltung. Aber geht da die Symbolik nicht ein bisschen zu weit? Und wo hört es auf? Was, wenn sie wirklich zu uns kommt? Eine Regierung der Fußgänger? Womöglich sogar der Radfahrer? Wie sollen diese wichtigen Leute denn ohne Chauffeur zu ihren wichtigen Terminen kommen? Und was wären unsere Autobahnen, ohne rasende Politikerlimousinen? Und schließlich: Was machen der Bundesrechnungshof und der Bund der Steuerzahler, wenn sie nicht mehr jedes Jahr so viele Milliarden verschwendeter Steuergelder finden? Müssen sie sich dann selbst einsparen?
Die Lage ist ernst, aber Anlass zur Panik besteht nicht. Wer weiß wie lange der Spar-Elan der neuen britischen Regierung anhält. Vielleicht beruhigt sie sich ja wieder. Große Worte und kleine Taten sind auch in der britischen Politik nicht ganz unbekannt.
Allerdings haben die Briten allen Grund, schon jetzt eisern zu sparen. Ihnen steht das Wasser bis zum Hals. 160 Milliarden Haushaltsdefizit, das sind elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Da stehen wir viel besser da. Wir haben ja sogar noch Luft, Griechenland zu retten und uns dafür beschimpfen zu lassen.
Trotzdem: Warum müssen die Briten ein so schlechtes Beispiel abgeben, indem sie mit so gutem Beispiel vorangehen? Verstehe einer dieses Inselvolk.