Klaus Leciejewski, Gastautor / 06.07.2017 / 06:10 / Foto: Polylerus / 10 / Seite ausdrucken

Schnellkurs für Hamburg: In 5 Minuten Trump erklärt

Von Klaus D. Leciejewski.

Die bisherige Berichterstattung zu Donald Trump in den deutschen Medien konzentrierte sich auf seine bizarre Selbstdarstellung sowie auf verstörende innen- und außenpolitische Aktivitäten. Dies mag für das teutonische journalistische Repertoire ausreichen, nicht aber für das Verständnis der Politik von Trump. Deshalb hier ein kleiner 12-Punkte Erklärkurs für jede Gelegenheit.

1. Trump schöpft seine Überzeugungen nicht, wie die meisten seiner Vorgänger, aus religiösen Überzeugungen oder aus Weltmachtverpflichtunge oder aus liberalen Standpunkten. Er schöpft sie wesentlich aus sich selbst. Er hat eigene Kraftquellen, die mit den üblichen Analysewegen nicht zu erklären sind.

2. Er ist gegen das Establishment der republikanischen Partei und das der gesamten amerikanischen Administration zum Präsidenten gewählt worden, was ein uramerikanischer demokratischer Vorgang ist, der allerdings der inneramerikanischen Entwicklung während der letzten Jahrzehnte zuwiderläuft.  

3. Dabei hatte er weder eine eigene Machtbasis in Gruppierungen der republikanischen Partei (z. B. der Tea-Party-Bewegung) noch in einer Gruppe amerikanischer Teilstaaten wie Hillary Clinton in New York und Kalifornien oder wie George W. Bush in den Südstaaten, und auch nicht in abgegrenzten Gruppen der Bevölkerung wie den Afroamerikanern oder den mexikanischen Einwanderern. Obgleich er einzelne Gruppen auch zukünftig hofieren wird, muß er keine grundlegenden Rücksichten auf derartige Konstellationen nehmen.

4. Bis sich einflußreiche Teile innerhalb der republikanischen Partei ihm offen entgegenstellen, müßte erst noch weitaus Gravierenderes als bisher passieren. Genauso denkbar ist es jedoch auch, daß er dies zu verhindern weiß. Auch bei Trump ist ein Denken in Absolutismen fatal.

5. Trump schließ eine Ära ab, in der die USA weder als Weltmacht noch als Wirtschaftsmacht weiter wachsen können. Kriege wie in Afghanistan oder im Irak sind nicht mehr möglich, es sei denn, die gesamte weltpolitische Konstellation würde sich grundlegend ändern. Schon Obama konnte in Syrien nicht mehr massiv eingreifen, und dies völlig unabhängig von seinen eigenen Überzeugungen. Der erfolgreichen russischen Unterstützung für Assad hatten die USA nichts Wirksames entgegen zu setzen. China wird wirtschaftlich und politisch stärker, die Europäer dämmen den Einfluß amerikanischer Internetkonzerne ein. Allerdings können einzig die USA mit ihrem Atomschirm die Freiheit der westlichen Welt garantieren, woraus sie Ansprüche an uns ableiten werden. Trump hat noch keine Antwort gefunden, wie die Amerikaner ein neues Eigenverständnis gewinnen können.

6. Eine „Nach-Trump-Ära“ wird nicht so tun können, als hätte es eine Trump-Ära nie gegeben. Bereits nach wenigen Monaten seiner Regierungszeit ist eines klar: Niemand wird einfach hinter Trump zurück gehen können.

7. Trump legt westliche (und damit auch deutsche) illusionäre Politik offen. Zwar mag etwa das Pariser Klima-Abkommen eine „Good Will“-Politik gewesen sein, aber es ist zugleich auch ein zahnloser Kompromiß. Genauso wenig scheut der US-Präsident sich, die UNO als eine in weiten Teilen von nichtdemokratischen Regierungen dominierte und in bürokratischen Strukturen verkommene Organisation zu charakterisieren.

8. Zwar ist Trump eine facettenreiche Persönlichkeit mit bizarren Charaktereigenschaften, aber dies reicht für das Verständnis seiner Politik nicht aus. Ein Beispiel dafür ist seine Rede in Miami zu der Kuba-Politik. Es ist zwar nicht klar, wie er seine Ankündigungen in konkrete Maßnahmen umsetzen wird, aber seine Rede war politisch durchdacht. Er greift nicht frontal die kubanische Regierung an, sondern zielt auf das Herz der kubanischen Wirtschaft, und dies nicht pauschal, sondern durchaus geschickt auf ihre Deviseneinnahmen. Der größte Teil der kubanischen Wirtschaft, insbesondere die Devisenwirtschaft, wird vom oberen Militärapparat beherrscht. Trump argumentiert, daß sich damit die kleine Schicht der alles entscheidenden Nomenklatura wirtschaftliche Auffangpositionen für die Nach-Castro-Ära sichern will, um somit weiter Kuba als ihr Eigentum behandeln zu können. Welche westliche Regierung könnte sich dem politisch und wirtschaftlich offen massiv entgegenstellen?

9. Trump sieht sich dabei folgender Konstellation gegenüber, die er berücksichtigen wird. Dazu gehört die Ausgangssituation der Länder, die bisher Kuba unterstützten:

Venezuela: ist ein verlorener Staat, ein wirtschaftliche Neuaufbau wird Jahre dauern. Kuba hat hunderte „Militärberater“ nach Venezuela gesandt. Wie würde Trump (und auch Südamerika!) reagieren, wenn der erste in die Hände der Opposition geraten und vor eine Kamera gestellt werden würde?

Südamerika: ist kein einheitlicher Block zur Unterstützung Kubas mehr.

Vereinigung karibischer Staaten (CARICOM) ist ein lockerer Zusammenschluß von zumeist Ministaaten ohne eigene Finanzmittel.

Russland: hat kein Geld.

China könnte den Verlust seiner Milliardeninvestitionen in Venezuela nicht einfach wegstecken. Seitdem es eine Wirtschaftsmacht geworden ist, denkt und handelt es geopolitisch, massive wirtschaftliche Hilfen für Kuba würde es an Forderungen knüpfen, wie beispielsweise die Überlassung kubanischer Häfen, was die USA nicht hinnehmen würden.

10. Das Beispiel Kubas belegt, daß Trump nicht nur über engstirnige Berater, sondern durchaus auch über intelligente verfügt.

11. Trumps „America first“ ist die amerikanische Übersetzung des deutschen „Wohlstand für alle“. Genau wie alle demokratischen Parteien in den wichtigsten europäischen Staaten hat er die Wahl mit dem Versprechen gewonnen, den Lebensstandard anzuheben. Während jedoch europäische Parteien dies mit Umverteilung im Land oder innerhalb der EU erreichen wollen, will er dafür die Handels- und politischen Partner der USA verantwortlich machen. Beider Politik wird scheitern. Ein höherer Lebensstandard hängt ausschließlich und allein von zwei Voraussetzungen ab: mehr Arbeit sowie Entbehrungen und bessere Produkte für einen freien Welthandel.

12. Die Wahlen in Frankreich haben bewiesen, daß es keine ausgedehnte rechtsradikale Stimmung in westlichen Ländern gibt, sondern daß breite Wählerschichten nach Alternativen gegenüber der bisherigen Politik suchen, die ihre Interessen nicht mehr erkennt und nur noch sich selber an der Macht halten will. Nicht die Wähler versagen, sondern die Führungsriege der etablierten Parteien hat versagt. Diese Stimmung hat auch Trump an die Macht gebracht. Auch in den USA haben die Wähler, vor allem diejenigen Schichten, die von den bisherigen Präsidenten vernachlässigt wurden, in Trump eine Alternative gesehen, unabhängig von seiner tatsächlichen Eignung dafür.

Fazit

1. Wir sollten uns nicht mehr vorrangig um die abstrusen Aufritte Trumps kümmern, sondern auf seine politischen Aktivitäten differenziert eingehen.

2. Wir müssen begreifen, daß auch Demokratien nicht vor Brüchen gefeit sind, denn der überwiegende Teil unserer politischen, wirtschaftlichen und intellektuellen (einschließlich der journalistischen) Eliten hat eine Distanz zur Bevölkerungsmehrheit aufgebaut.

3. Wir haben zuerst unsere eigenen deutschen Interessen klar zu positionieren, um innerhalb der EU sowie mit den USA eine gemeinsame Politik betreiben zu können.

Klaus D. Leciejewski hat an verschiedenen deutschen Hochschulen Wirtschaft gelehrt, ist Autor mehrerer Sachbücher und Publizist. Er ist mit einer Kubanerin verheiratet und lebt einen großen Teil des Jahres auf Kuba.

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Leserpost

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Th. Paulke / 06.07.2017

gute Analyse! Danke!

Winfried Sautter / 06.07.2017

Hätten die Lohnschreiber der deutschen Mainstream-Medien und sonstigen hiesigen Meinungsführer das mit dem National-Book-Award ausgezeichnete Buch von George Packer, The Unwinding. An Inner History of the New America, NY 2013, gelesen, so hätten sie bei Trumps Wahl nicht so aufgeheult. Und kriegen sich seitdem nicht mehr ein. Ihrer narzisstischen Kränkung täte ein bisschen mehr Bildung und Sachkenntnis gut; aber hierzulande genügen in Bezug auf die U.S.A. Old-Europe-Dünkel, Vorurteile und Stereotypen. Packer ist im übrigen eher den amerikanischen “Liberalen” (i.e. “Linken”) zuzuordnen, und sein Buch schildert keineswegs das Schicksal “abgehängter, alter weisser Männer”.

Martin Landvoigt / 06.07.2017

Zur Beurteilung von Politik ist es wenig geeignet, sich über Haarfrisuren, deren Färbung oder andere Nebensächlichkeiten zu kaprizieren. Auch mag der Charakter und der Geschmack von Politikern kein sicherer Ratgeber zur Beurteilung von der Politik taugen. Entscheidend ist - wie Kohl einst sagte - was hinten raus kommt. Eine Rückbesinnung auf nationale Interessen ist zumindest ehrlich. Denn allzu oft erweisen sich moralisch anmutende Statements als Kaschierungen handfester Interessen. Ist dann der moralische Anspruch eine Lüge? Oder merken dessen Vertreter nicht einmal, dass sie sich selbst belügen? Oder ist es eine Ideologie, die die eigenen Interessen tatsächlich vergisst? Im Besonderen beim Klimaschutz Obamas und einiger Wirtschaftslenker fragt man sich: Wie konnten diese sich auf einen derartig selbstzerstörerischen Kurs begeben?  Trump mag bizarr wirken und sicher nicht der Mensch sein, den man sich als Freund vorstellt. Aber in vielerlei Hinsicht erweist er sich als vernünftiger als seine Kritiker.

Wolfgang Kaufmann / 06.07.2017

Erfrischend an Trump ist, dass er sich einen feuchten Kehricht um die politische Korrektheit kümmert. Nur so geht ein aufgeklärter demokratischer Diskurs; nicht wie das hierzulande übliche allgemeine moralische Gesinnungsgeschwurbel, wo unschöne Wörter fast so schlimm sind wie unschöne Bilder.

beat schaller / 06.07.2017

ein wirklich beleuchtender bericht. hervorragend und einfach geschrieben. herzlichen dank. beat schaller

Armin Reichert / 06.07.2017

Ich empfinde eher den Charakter von Frau Merkel als “bizarr”. Wie sonst kann man den Charakter bzw. die völlige Abwesenheit desselben bei einer Person erklären, die offenbar überhaupt keine Überzeugungen hat und ihr Fähnchen immer nach dem Wind dreht? Kernkraftwerke über Nacht abschalten, kein Problem, Staatsgrenzen eliminieren, kein Problem, EU-Verträge brechen, kein Problem, Ehe entwerten, kein Problem. Was ich mich seit langem frage: Wird Merkel erpresst, ist sie gekauft, oder etwa beides?

Wolfgang Schmid / 06.07.2017

Dieser Artikel bietet mehr Analyse als die vergangenen neun Monate Kommentare von FAZ, SZ, ZEIT etc.pp zusammen.

Rudolf George / 06.07.2017

Zu Fazit 2: die Idee des Weltdorfs, in das der Globus mit Hilfe des nun zum absoluten Guten gewendeten deutschen Wesens überführt werden soll, entstand ja nicht über Nacht in den Köpfen der politmedialen Meinungsführer unseres Landes. Sollte ein Meinungsumschwung überhaupt noch möglich sein, bliebe immer noch offen, wie viele Jahre oder Jahrzehnte das dauern würde.

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