Nicht alles ist schlechter geworden, seit Donald Adolf Trump die Macht ergriffen hat. Bestimmte Medien profitieren sehr vom Poltergeist im Weißen Haus. Der linkslastige Nachrichtensender CNN zum Beispiel, seit Jahren in den USA seinem rechten Pendant Fox News hinterherhinkend, verzeichnet auf einmal steigende Einschaltquoten. Und die New York Times, die auch schon bessere Zeiten sah, kam durch den Trump-Effekt unverhofft zu einer stattlichen Anzahl frischer Abos.
Vielleicht noch stärker als im Heimatland alles und aller Bösen grassiert die Trumpophobia in Deutschland. Hier, wo man die richtige, weise Art amerikanischer Politik von jeher mit Löffeln gefressen hat, arbeitet sich praktisch der gesamte Medienmaschinenraum seit Wochen an den Kapriolen des großen Dekretors ab. Fast vergessen sind Migrantenkrise, Dieselgate, Euroschlamassel oder die Missetaten der AfD. Kein Schwein schreibt mehr über die Panama Papers oder die Football Leaks. Trump, Trump und Trump sind angesagt, sonst gar nichts.
Das zahlt sich aus. Der „Spiegel“, dessen Auflage seit vielen Jahren mit stabiler Tendenz fällt, kriegte dank Trump als Coverboy – mal auf die Welt zurasender Komet, mal bluttriefender Freiheitsschlächter – endlich mal ein Hoch. Auch der „Stern“, der jüngst gleich zweimal kurz hintereinander auf historische Auflagentiefststände fiel, verkaufte sich mit Trump recht ordentlich . Die „Zeit“ treibt den Weltenbrandstifter rauf und runter durchs Gesinnungsdorf und fährt ebenfalls nicht schlecht damit. Selbst die gute alte FAZ lutscht aus dem fiesen Möpp das Letzte raus. So die Breaking News, ein Paar habe sich nach 22 Ehejahren getrennt, weil es über Trump unheilbar verzankt sei.
Führer Trump ist eine Bank
Und die Öffis? Sind auf Wolke sieben. Kein Gebührensenderredakteur muss sich in den nächsten vier Jahren einen Kopf über Politmagazinbeiträge, Satiredarbietungen oder Talkshowthemen machen. Führer Trump ist eine Bank.
Auch Barfußjournalisten bekommen durch ihn die Chance auf 15 Minuten Ruhm. Eine freie Schreiberin namens Mareike Nieberding, die schon Artikel über Modefragen oder Coolness verfasst hat und für das Hipsterperiodikum „Neon“ zu heiklen Lebensfragen Stellung bezog („Das ewige Hin und Her, bevor ein Date steht, nervt“), erfuhr ihr Erweckungserlebnis, als The Donald Ende letzten Jahres das Rennen machte. Da beschloss sie, Aktivistin zu werden:
„Liebes Facebook,
hiermit gründe ich eine Jugendbewegung. Ich weiß, man gründet keine Bewegung, sondern wird eine oder noch besser, ist eine. Aber ich will nicht mehr warten, ich kann nicht mehr zusehen. Ich überspringe das Werden und proklamiere das Sein. Wie die meisten Menschen in meiner Filterblase, in meinen Medien, in meiner Welt bin ich geschockt, verängstigt, in Panik, ich fühle mich ohnmächtig. Als Mensch, als Frau, als Journalistin.“
Schockschwerenot! Mareike, die in der Bundeshauptstadt lebt, gründete tatsächlich die „Jugendbewegung Demo“. Der Name steht für „Demokratie, Demonstration und für die Demontage der Dämonen.“ Mareike hat bereits viele Mitstreiter (auf Facebook). „Wahnsinniges Gefühl“, „echt ganz wichtig“, „es gibt auch schon die ersten Treffen“, sprudelte es aus ihr heraus, als sie einen 6-Minuten-Auftritt im ZDF-Kulturmagazin „Aspekte“ absolvierte. Wo sie von der Stichwortgeberin einverständig geduzt wurde.
"Keep on rockin' in a DEMO world!“
Dabei ist die Mareike nun auch nicht mehr so ganz neu. Aber der Sprung von der Journalistin zur Aktivistin wirkt wohl wie ein Jungbrunnen. Weshalb die Dreißigjährige schon mal Sätze raushaut, als sei sie süße Sechzehn: „Frauen, Girls, Mädchen und alle Männer, die hey woman lesen: Julia Knolle und ich haben ein bisschen über DEMO und unsere Bewegung geredet. Keep on rockin' in a DEMO world!“
Warum geht es, äh, inhaltlich? Na, eben um diesen Dämonen. Darum, dass der weg muss. Weg, weg, weg! Mit dieser Agenda im Gepäck treffen sich Mareike und ihre MitstreiterInnen zum „Trump-Brunch“ in Berlin oder im „Save Democracy Camp“ in Hamburg. Was genau Trump verkehrt macht, braucht dort nicht groß erörtert zu werden. Reicht ja wohl, dass er Mareike & Friends eine Scheißangst einjagt.
Mareike zählt sich zur „Generation Y“ , gehört aber auch zur Generation Schneeflocke. Jene besteht überwiegend aus jungen Frauen, die nach einer "Wikimannia“-Definition „unfähig sind, abweichende Meinungen seelisch zu ertragen.“ Deshalb fordern sie geschützte Räume (Safe Spaces) wie in manchen amerikanischen Universitäten. Es handelt sich um politische Panic Rooms, wo Sensibelchen vor verstörenden Ansichten Andersdenkender sicher sind. An bestimmten Lehrmaterialien oder bei manchen Vorlesungen kleben „Trigger Warnings“ . Sie warnen Studis vor schlimmen Inhalten, welche den inneren Frieden gefährden könnten.
Der Begriff Snowflake kommt aus Großbritannien und bezeichnet laut einem Artikel des Magazins „Spectator“ „zensurwütige Heulsusen“, die das gelegentlich etwas anstrengende Realleben außerhalb behüteter Anstalten nicht zu wuppen vermögen.
Der größte Horror eines jeden Schneeflöckchens
Unschwer zu erraten, wer aktuell der größte Horror eines jeden Schneeflöckchens ist. Der Freddy Krueger von Washington, for sure! Der Dämon, gegen den nur ein Schneeflöckchengestöber hilft. Und weil Trump-Bashing geht wie geschnitten Brot, wurde „Demo“-Gründerin Mareike prompt in eine Talkshow geladen. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Flugs teilte sie der Welt via Instagram mit:
„Heute Abend sitze ich als Gründerin (halleluja, es war doch eigentlich nur ein kleiner Facebook-Post) bei Maybritt Illner in der Talkshow. Mit Peter Altmaier, Jürgen Trittin, Bernhard Mattes und Gabor Steingart. Live aus Berlin um 22.15 im ZDF. Drückt mir die Daumen. Es ist noch fast zehn Stunden hin und ich bin jetzt schon nervös.“
Und dann saß sie da wirklich, unsere Mareike, in der illustren Runde um Maybritts Krankenvertretung Matthias Fornoff. Auf Augenhöhe mit lauter Erfolgsbolzen, die dem unfähigen Trump gehörig den Marsch bliesen. Zum Beispiel Eiskugel-Jürgen oder der von Triumph zu Triumph eilende Merkelputzerfisch Peter. Oder der Morningbriefer Gabor, der immer so kess von seiner „Handelsblatt“-Kolumne guckt, als habe er einen oder drei im Tee. Und diese großen Männer hörten geneigt zu, als Mareike endlich dran genommen wurde und was über die Alt-Right-Bewegung sagen durfte. Dass diese wie der Ku-Klux-Klan sei oder gleich wie die Nazis. Oder was Ähnliches.
Zweimal im Fernsehen! Im Ersten und im ZDF! Mehr Warhol geht kaum. Millionen kennen Mareike nun. Vielleicht wird bei so viel Ruhm demnächst irgendwo eine Planstelle frei für die Jeanne d’Arc aus Vechta? Hallo, WDR, NDR, SZ, Zeit? Zumindest ein Plätzchen bei der „taz“ müsste drin sein.
Auf jeden Fall hat die Mareike dem Tyrannen von D.C. einiges zu verdanken. Und umgekehrt! Wenn das irre Scheusal dereinst vor seinen Schöpfer tritt, um seine Sünden zu gestehen, dann kann das Monster wenigstens diesen Punkt vorbringen: Herr, ich habe mich um die notleidende Medienbranche verdient gemacht. Und ein blondes Girl aus Germany wurde einzig durch mich über Nacht zum Star. Oder was Ähnliches.