René Zeyer, Gastautor / 14.05.2020 / 14:00 / Foto: 9EkieraM1 / 66 / Seite ausdrucken

Schnappatmung beim SPIEGEL: Richling und die Rächerin

Wie schrumpft man zu einem "Regional-Kabarettisten aus Baden-Württemberg mit SWR-Sendung"? Ganz einfach, wenn man in der Talkshow „Maischberger" Covid-19 mit einer Grippe vergleicht. Das widerfuhr Mathias Richling, der es zudem wagte, dem Direktor des Robert-Koch-Instituts vorzuwerfen, dass der sich dauernd widerspreche. Dass der Vorwurf darin begründet liegen könnte, dass sich Prof. Lothar Wieler ständig widerspricht? Davon lässt sich Anne Haeming doch keine Billig-Polemik kaputt machen.

Im Gegensatz zum Provinzzwerg Richling ist die freie Journalistin ein Multitalent. Sie kennt sich in Virologie und Epidemiologie aus, aber auch in "Sexismus in der Klassik". Wie geht denn der? Na, weil klassische Musik von Frauen nicht gespielt wird. Gut, da gibt es Clara Schumann, aber die vielen anderen Komponistinnen? Da sieht Haeming eindeutig Nachholbedarf. Vielleicht sollte man diese Logik, eine geschlechtergerechte Aufteilung in jeder Sparte, auch mal auf den Nobelpreis (787 Männer, 52 Frauen), auf den Bundestag (31,2 Prozent Frauenanteil) oder auf den altehrwürdigen Beruf des Tischlers (9,1 Prozent) anwenden.

Aber zurück zur Verzwergung der "Corona-Leugner". Offenbar ist hier der Anteil von Leugnerinnen nicht messbar, was aber für Haeming (noch) kein Anlass für Sexismusverdacht ist. Aber, richtig geraten, für Faschismusverdacht: "Wer Faschisten in eine Diskussionsrunde einlädt, legitimiert sie und ihre Position", hier sehe man das gleiche Muster, das bei der AfD "so durchschlagenden Erfolg hat". Eben, es gibt Holocaust-Leugner, Klima-Leugner und Corona-Leugner. Wobei die beiden letzten Begriffe eher gaga sind, aber gerne genommen werden, weil sie so schön nahe am ersten liegen.

Das ist nun an abgefeimter Häme nicht zu überbieten. Im Vorbeilaufen die AfD mit der Nazi-Keule abgewatscht, "Corona-Leugner" angebräunt, und gleichzeitig Diskussionsverweigerung mit beiden gefordert. Und ich dachte immer, wer mit Faschisten debattiert, will sie entlarven, zum braunen Fleck diskutieren, Gegensteuer zu ihren unsinnigen und gefährlichen Denkschablonen geben. Aber vielleicht traut sich Haeming das nicht zu und plädiert deswegen für Ausgrenzung, was ja auch in der Politik bislang ganz toll funktioniert hat.

Autorität in Fragen des Faschismus

Daher ist es sicherlich eine gute Idee, alle Demonstranten, allen Protest gegen die seit 1945 ungekannte Aufhebung der meisten Freiheitsrechte in die Pfanne zu hauen, weil auch einige Spinner und Verschwörungstheoretiker mitlaufen. Das könnte man ohne Weiteres auch auf jede beliebige 1.-Mai-Demo anwenden, aber das wäre natürlich etwas ganz anderes, schon alleine von der Schadensbilanz her gesehen.

Nun, Provinzzwerg Richling wurde leider zu "Maischberger" eingeladen und durfte schon alleine deswegen seine Position als legitimiert betrachten. Dabei, so weiß die Wissenschaftlerin Haeming, wer wie dieser Kabarettist Covid-19 "mit einer Grippe gleichsetzt", der habe nicht begriffen, dass "Wissenschaft gerade in diesem Fall täglich neuen Erkenntnisprozessen folgt und sich daher Einschätzungen ändern können". Öhm. Also ich habe, wie Haeming, über Literatur promoviert, aber dieses "nimm das, Richling" verstehe ich nicht, das würde wohl nicht einmal Schiller verstehen.

Wer sich etwas genauer mit dem Wirken von Haeming beschäftigt, stellt fest, dass sie auch eine Webseite namens, nun ja "Nameadolf" betreibt. Darin geht sie den Schicksalen von Deutschen nach, denen es widerfuhr, den Vornamen Adolf verpasst zu bekommen. Aus dieser eher zweckfreien Arbeit schöpft sie sicher ihr Autorität in Fragen des Faschismus.

Aber zurück zu Maischberger und ihren "Corona-Leugnern", denen sie "verantwortungslos viel Raum für Realitätsverweigerung" überlasse. Dagegen kam auch der "Tagesthemen-Rentner" Ulrich Wickert "freundlich argumentierend" nicht an und wird von der Berufsjugendlichen Haeming auch gleich abgewatscht: "Motto der Redaktion wohl: Es haben noch nicht alle alten weißen Männer der Republik was zur Lage gesagt – nehmen wir doch die!"

Resterampen-Ausverkauf der schönen Rubrik TV-Kritik

War denn in dieser Sendung alles verloren, wurde nur verweigert, geleugnet, alten weißen Männern das Feld überlassen? Nein, heureka, es kam auch die "mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftsjournalistin Pia Heinemann zu Wort", allerdings nur, weil "Maischberger ein paar Mal dazwischenging". Heinemann wer? Also bitte, DIE Heinemann, Trägerin des "Exopharm Medienpreises", des "Heureka-Preises von Sanofi-Aventis". Dann ist noch der Preis unter eindeutigem Sexismusverdacht "Journalist des Jahres" zu vermelden; nun gut, der 3. Platz bei den Wissenschaftsjournalisten. Aber das macht "Der wilde Rabe" der Deutschen Wildtier Stiftung und der Zeitschrift GEO für Heinemanns wöchentlich erscheinende Kinderbeilage mehr als wett.

In anderen Zusammenhängen wäre Heinemann sicherlich als pharmanahe Mietschreiberin von Haeming abgewatscht worden, aber hier ist Heinemann eine, "die Ahnung hat". Wie zeigt sich das? So: "Herr Richling, wir kennen das Virus nicht." Das könnte Richling nun problemlos in eine seiner Provinzkabarett-Nummern einbauen, Lacher garantiert. Und übrigens, Richling hat immerhin auch acht ähnlich bedeutende Preise eingeheimst wie Heinemann.

Ist Haeming damit am Ende ihrer sinnfreien und argumentenleeren Häme? Fast. Dem deutschen Innen- und Heimatminister Horst Seehofer, von übelmeinenden Kabarettisten auch als Stammel-Horst mit unkontrollierten Kicheranfällen herabgewürdigt, erfährt hier eine Ehre aus weiblichem Mund, die ihm seit seinem Seitensprung mit Folgen vor vielen Jahren nicht mehr widerfahren ist: Er mache "eine bella figura", schmachtet Haeming ihn an, als baggere sie für eine ministerielle Unterstützung ihres Adolf-Projekts. Oder aber, sie trägt sich mit dem Gedanken, dem Vornamen Horst das gleiche Interesse zuzuwenden, weil es eben doch alte weiße Männer gibt, die etwas zu sagen haben.

Früher einmal, in längst vergangenen Zeiten, als noch begnadete und belesene und gebildete Polemiker im "Spiegel" ihre feine Klinge in die Opfer bohrten, früher einmal wäre ein solcher Resterampen-Ausverkauf der schönen Rubrik TV-Kritik an eine Schülerzeitung verwiesen worden. Schon alleine deswegen, weil er das wichtigste Kriterium einer gehaltvollen Kritik nicht erfüllt: Vor der Kritik muss eine Darstellung, Zusammenfassung der Argumente und Positionen stehen, die dann kritisiert werden. Das setzt allerdings voraus, dass man sich mit denen auseinandergesetzt und sie auch verstanden hat. Alles andere ist billiger Klamauk. Haeming im "Spiegel" halt.

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Leserpost

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Martin Müller / 14.05.2020

Frau Haeming schreibt wie eine rote Salonfaschistin. Warum schreit sie ständig Faschist,  wenn sie die Methoden der roten und braunen Faschisten so sehr liebt?

Hans-Peter Dollhopf / 14.05.2020

Ich habe jetzt soeben meine heute mehr als wohlverdiente Feierabendlektüre der neusten Artikel auf meinem Lieblingsfeierabendblog Achgut unterbrochen, um einen Gedanken zu einem Zitat aus dem Anfangsteil in diesem Artikel hier zu äußern. Zu: “‘Wer Faschisten in eine Diskussionsrunde einlädt, legitimiert sie und ihre Position’”. Verallgemeinert lautet der Satz nämlich: “Wer irgendwen in eine Diskussionsrunde einlädt, legitimiert ihn und seine Position”. Damit legt Frau Haeming unfreiwillig die vollständig banale Systemrelevanz dieser ganzen Diskussionseinladerei frei. Diese Talkshows sind dazu da, um Positionen zu legitimieren. Das ist ihr Zweck. Laut Haeming. “Vornehm geht die Welt zugrunde”, das kann zur Nase-Rümpferei am Fließband der öffentlich-rechtlichen Talkshow-Dosenfutterproduktion festgehalten werden. Ihh, Schmuddelkinder. Plattmachen immer, Plattform nimmer! So, jetzt lese ich den Rest des Artikels weiter.

Peter Bernhardt / 14.05.2020

Keine Frau sollte mit der Gabe, sich zu erinnern, behaftet sein. Eine Frau, die sich erinnert, neigt bereits dazu, sich zu vernachlässigen. Man sieht es der Frisur einer Frau an, ob sie in Erinnerungen lebt. Wenn eine Frau ihre Fehler nicht mit Intelligenz umkleiden kann, ist sie bloß ein Weibchen. Oscar Wilde (1854 - 1900)

Thomas Potthoff / 14.05.2020

Bis jetzt habe ich noch nicht bereut , das ich den “Spiegel” nicht mehr lese .

Werner Arning / 14.05.2020

Was hat der? Corona mit der Grippe verglichen? Wäre gar nicht so schlimm und so? Also, der ist ja sowas von regional. So was von Adolf. Und Franzosen-Ulli? Dem auch noch Raum gegeben? Da wünschen wir doch der Maischberger mal einen ganz neuen „Erkenntnisprozess“. Der Ulli ist ja sowas von alter weißer Mann. Weißer geht es ja gar nicht mehr. Völlig „verantwortungslos“. Aber Horsti mit seiner figura. Davon wollen wir mehr. So bella. Ach Horsti, lächele mal. Das ist immer so ... Ach, Horst.

Tim Acker / 14.05.2020

Mein Gott, jetzt macht Ihr Euch schon mit dem gemein. Wer dem sein Zeug der frühen Jahre ( über Jahre)gesehen hat, weiß, was für ein Opportunist der ist. ” Kanze , kanze,kanze… ” ( Richling) langweilig und auch seine Meinungen. Meinungen sind ja derzeit wohl noch die einzige Münze.

Michael Bassin / 14.05.2020

In diesem Land herrscht Meinungsfreiheit - sofern man die Meinung derer vertritt, die sie machen. Wenn nicht, werden die Kettenhunde losgelassen. Aber dies hat in deutschen Landen schon Tradition…

Michael Hinz / 14.05.2020

Vor längerer Zeit hatte ich schon darauf hingewiesen: Rudolf Augstein hat bewußt und gezielt selbst ehemalige SS-Leute eingestellt. (Georg Wolff war einer davon; er hatte das legendäre Heidegger-Interview vorbereitet und durchgeführt). Augstein wußte natürlich was er tat, diese “Faschisten” hatten Insider-Information, waren fachlich exzellent ausgebildet. Und das damalige “Sturmgeschütz der Demokratie” in Stellung gebracht u. a. von ECHTEN Nazis war um Längen besser als die Rohrkrepierer der spätgeborenen Törtchen heute.

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