Thomas Rietzschel / 14.10.2017 / 11:25 / Foto: Julio Fernández / 4 / Seite ausdrucken

Schmierentheater auf der Buchmesse

Nein, sagt Matthias Quent, für den Stand im Zentrum der Frankfurter Buchmesse, Halle 3, da, wo sich die deutschen Verlage tummeln, hätten sie keine Miete zahlen müssen. Sie hätten sich nicht einmal um die Teilnahme an der Bücherschau beworben. Wieso auch, hat doch die Amadeu Antonio Stiftung nichts anzubieten, womit der Buchhandel Geschäfte machen könnte. Der Verein ist kein Verlag, er gehört nicht zur Fachschaft. Aber natürlich wollte die Stiftung auch nicht kneifen, als sie von der Buchmesse und dem Börsenverein eingeladen wurde, auf der Welt größten Bücherschau kostenfrei in Stellung zu gehen. Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.

Den Standort, auf dem sie die Stiftung sehen wollte, hatte die Messeleitung mit strategischem Kalkül gewählt: leicht diagonal versetzt gegenüber der Koje des Antaios Verlages. Ein idealer Horchposten. Über den schmalen Gang hinweg kann man leicht mitbekommen, was auf der anderen Seite vor sich geht, wer da Halt macht, womöglich für ein längeres Gespräch mit dem Verleger Götz Kubitschek, einem „rechtsradikalen Publizisten“, wie die FAZ schreibt.

Sein Haus, das unter anderem Rolf Peter Sieferles  Buch „Finis Germania“ über 20.000 Mal verkaufen konnte, gilt vielen als das Flaggschiff jener „rechten Verlage“, über deren Zulassung zur Messe die Gremien lange diskutierten. Dass sie schließlich das Selbstverständliche taten, in dem sie sich gegen die Ausgrenzung entschieden, ließe sich als ein Sieg der Vernunft verbuchen, wären Börsenverein und Messeleitung nicht die ersten gewesen, die gleich am Eröffnungstag mit Transparenten gegen Rassismus und Rechts vor dem Stand aufmarschierten, wohl gemerkt vor einem Messestand, den sie dem Antaios Verlag zuvor für gut 8.000 Euro vermietet hatten.

Problemlos, korrekt und höflich

Weil davon zunächst niemand Notiz nehmen wollte, sei der Umzug noch ein zweites Mal durch die Halle zu seinem Stand gezogen, berichtet Götz Kubitschek. Dabei habe er im Vorfeld durchaus den Eindruck gehabt, „dass die Buchmesse einen aktiven Umgang mit uns plant“. Die Verhandlungen über die Anmietung der Ausstellungsfläche seien „völlig problemlos, korrekt und höflich“ verlaufen, „auf den unteren Ebenen“.

Dass das eher der Angst vor dem Skandal als dem Respekt vor der Meinungsfreiheit geschuldet war, sollte sich nachher zeigen. Oder weshalb sonst versuchte der Börsenverein, dessen Tochtergesellschaft die Buchmesse ist, sich mit einer Protestaktion von der eigenen Courage zu distanzieren, Nachahmer auf den Plan zu rufen, die schließlich die Auslagen des Verlages mit Kaffee übergossen und mit Farbe bekleckerten?

Unglaublich, so unglaublich, dass die FAZ tags darauf vom Stand des Verlages berichtete: „Angeblich (sic!) wurden gestern Kaffee und Farbe über dessen Bücher ausgegossen.“ Um den Fall zu recherchieren waren gleich drei angebliche Journalisten losgezogen, die den Beweisstücken pflichtbewusst mißtrauen und keine Zeit hatten, sie weiter in Augenschein zu nehmen. 

Zu erleben ist ein Schmierentheater, in dem sich jeder blamiert, so gut er eben kann. Selbst der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) pflanzte sich vor dem medial zugkräftigen „Stand der Rechten“ auf, um ein Statement gegen Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz zu verlesen. Reden wollte er weder mit dem inkriminierten Verleger noch mit einem der Mitarbeiter.

Besuch nach Ladenschluss

Dafür habe der Vorsteher des Börsenvereins überraschend seine Aufwartung gemacht. Am Abend des ersten Messetages, nachdem die Hallen geschlossen waren und ihn niemand mehr in flagranti ertappen konnte, sei er gekommen, um zu erklären, dass es so nicht gehen könne, dass man „einen Dialog führen“ müsse, erzählt abermals Götz Kubitschek. Ein Grund, die heimlich ausgestreckte Hand zu ergreifen, sah er nicht mehr.

Läuft es doch auch so besser als je zu erwarten war. Die Interview-Anfragen häufen sich. Bereitwillig halten ihm die Kollegen vom Radio und vom Fernsehen ihre Mikrofone hin. Die Presse muss sich dazwischen drängeln. Der Stand wird umlagert. Man spricht Deutsch, Englisch, seltener Französisch, bisweilen etwas Italienisch. Der Verleger genießt und redet: „Wir haben unsere PR-Abteilung in der Spitze der Buchmesse und müssen nicht einmal dafür bezahlen.“ 

Alles umsonst, so billig zu haben wie der Beobachtungsposten, auf dem sich die Amadeu Antonio Stiftung einrichten durfte. Beide Seiten gehen ihren Geschäften nach; jeder tut, was er am besten kann. Die einen versuchen, Bücher zu verkaufen, über die sich streiten lässt. Die anderen behalten sie dabei im Auge, ganz so wie ehedem auf der Leipziger Buchmesse zu DDR-Zeiten.

Als privatwirtschaftlich verlängerter Arm des Bundesjustizministers Heiko Maas hat die Amadeu-Stiftung, eine Gründung der einstigen Stasi-Zuträgerin Anetta Kahane, nun auch in Frankfurt, auf der Welt großen Bücherschau, ihr besonderes Betätigungsfeld gefunden.

Was die Mitarbeiter am Ende informell davon berichten, werden wir nie erfahren. Dass ihr Engagement durch die Buchmesse ein Schuss in den Ofen war, steht indes schon jetzt fest. Nicht nur die 8 - 10.000 Euro, für die man die Standfläche hätte anderweitig vermieten können, sind verloren. Auch der Börsenverein hat sich lächerlich gemacht, indem er für jene trommelte, denen er einen Stand vermietet, um ihnen mit Hilfe der Amadeu Antonio Stiftung den Spaß an der Sache zu verderben. 

Foto: Julio Fernández ataulfocamposantos GFDL via Wikimedia

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Wolfgang Lang / 14.10.2017

Ein sicher, in Deutschland ist im Buchhandel die Obergrenze für Dummheit und Doppelmoral abgeschafft. Jeder darf so gut er kann…

Patrick Kaufhold / 14.10.2017

Herrlich! Vor dem geistigen Auge ein Bild mit dem lächerlichen Demonstrationszug, der gleich mehrmals am Stand vorbeitrottet, weil ihn kaum einer bemerkt. Die Augen voller Tränen vor lauter Lachen bedanke ich mich!

Wilfried Cremer / 14.10.2017

Noch schlimmer als Rechts sind Publicity-Einbußen. Für Geld kann man das Böse notfalls als Nervenkitzel erzeugende Monstrosität verbuchen, ein Kitzel, wie man ihn im Kleinen an den Mundwinkeln Linker ablesen kann, wenn sie die Silbe “Gau” aussprechen.

Gabriele Kremmel / 14.10.2017

Man würde an der Spitze der Ausrichter der Frankfurter Buchmesse doch intelligentere Leute erwarten. Offensichtlich erliegen sie alle den Eitelkeiten des öffentlichen Haltungzeigens gegen ein künstlich aufgeblasenes Feindbild, Der wahre Aspekt dürfe wohl sein, für den Fall des Falles keine Angriffsfläche geboten und sich früh distanziert zu haben vom zahlenden Kunden, der einen Schatten auf das eigene Image werfen könnte, Man weiß ja nie was den Antifa-Faschisten und ihren Freunden in den Medien alles einfällt und in welche Schmutzkampagne man gezogen werden könnte. Wohl dem, der sich rechtzeitig positioniert. Und sei es auch gegen die eigene Geschäftspraktiken. Feiglinge halt, und peinlich obendrein.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thomas Rietzschel / 21.11.2024 / 14:00 / 62

Sie reden so, wie es in ihnen denkt

Werden Bürger auf der Straße befragt, vor oder nach einer Wahl, was sie von dem Ergebnis halten, müssen sie nicht lange nachdenken. Kinder, Jugendliche, Ältere und…/ mehr

Thomas Rietzschel / 09.11.2024 / 16:00 / 45

Der Kanzler und die Krise bei VW

Wenn Scholz von Fehlern des VW-Managements spricht, spielt er schamlos auf der Klaviatur des Populismus. Denn das meiste geschah mit Duldung, mehr noch auf Veranlassung…/ mehr

Thomas Rietzschel / 31.10.2024 / 16:00 / 20

Das fliegende Kabinett

Die aufschneiderische Reiselust unserer politischen Rädelsführer hat Methode. Wenn sie daheim nicht mehr ein noch aus wissen, jetten sie in die weite Welt, um ein Verantwortungsbewusstsein vorzutäuschen,…/ mehr

Thomas Rietzschel / 23.10.2024 / 10:00 / 29

Laster mit Stromanschluss – zwei Millionen Euro pro Fahrt

Auf einem zwölf Kilometer-Abschnitt der A5 zwischen Darmstadt und Frankfurt können Laster mit Strom fahren. Der Versuch hat bis jetzt 56 Millionen Euro gekostet, teilgenommen haben…/ mehr

Thomas Rietzschel / 09.10.2024 / 13:00 / 33

Abgeordneten-Bezüge: Reden wir über Geld – und Steuern

Es wird  Zeit, dass die Einkünfte der Abgeordneten genauso versteuert werden, wie die jedes anderen Gehaltsempfängers auch. Von einer "Entschädigung" kann ja schon lange nicht…/ mehr

Thomas Rietzschel / 24.09.2024 / 10:00 / 38

„Frankfurter Armutskonferenz“: Für Verpflegung ist gesorgt

Wo es keine Probleme gibt, die dringend gelöst werden müssen, werden sie kurzerhand kreiert, um nachher den Eindruck zu erwecken, man habe sie gelöst.  Wer…/ mehr

Thomas Rietzschel / 17.06.2023 / 15:00 / 12

Kaube weiß, was Habeck mit Börne verbindet

Vor einer Woche wurde der Börne-Preis für Essays, Kritik und Reportage an Wirtschaftsminister Robert Habeck verliehen, in der Frankfurter Paulskirche. Man muss schon eine Weile…/ mehr

Thomas Rietzschel / 22.03.2023 / 16:00 / 24

Der beleidigte Lauterbach

Karl Lauterbach, Gesundheitsminister im Kabinett von Olaf Scholz, hat viel an Ansehen verloren. Aber er vertraut sich selbst noch immer, wie einst der nackte Kaiser,…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com