Vera Lengsfeld / 23.08.2021 / 12:00 / Foto: Tim Maxeiner / 64 / Seite ausdrucken

Schlusslicht Deutschland – Das neue Normal

Es ist höchste Zeit, unseren Blick darauf zu richten, wie sich unser Land aus dem tiefen Tal, in das es gestürzt wurde, wieder herausarbeiten kann.

In den letzten Jahren der Regierung Kohl war Deutschland schon einmal der kranke Mann Europas. Erschöpft durch den Kraftakt der Vereinigung, blieben notwendige Reformen oder Anpassungen auf der Strecke. Die wurden dann von der ersten rot-grünen Regierung Schröder angepackt und bewältigt. Kanzlerin Merkel übernahm 2005 ein wirtschaftlich starkes, um seine Effizienz weltweit beneidetes Land. Nach 16 Jahren funktioniert in Deutschland nichts mehr, wie es sollte. Über die Fehler, die von der Regierung in der Coronakrise am Fließband produziert wurden, ist schon alles gesagt worden und soll hier deshalb nicht wiederholt werden. Es genügt der Hinweis, dass sich die Unfähigkeit der Politik jüngst auch während der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal und und beim schändlichen Abzug aus Afghanistan manifestiert hat. Es ist höchste Zeit, unseren Blick darauf zu richten, wie sich unser Land aus dem tiefen Tal, in das es gestürzt wurde, wieder herausarbeiten kann.

Dieser Frage widmen sich die Autoren des Buches „Das neue Normal – Wie die Pandemie unser Leben verändert“ aus dem Verlag Das Neue Berlin. Ein Anlass für das Buch scheint das Erschrecken gewesen zu sein, wie die Altmedien und ihre Konsumenten auf die Aktion der 53 Schauspieler, die darauf aufmerksam machten, was in der Corona-Politik alles falsch läuft, reagiert wurde. Herausgeber Ulrich Ende vergleicht die Kampagne mit Psychoterror. Damit hat er absolut recht, auch wenn es vergleichbaren Psychoterror gegen Andersdenkende schon vorher gegeben hat, nur traf der vermeintliche Rechte. Nun wurden kurzerhand überwiegend linke Intellektuelle als Rechte, gar Nazis verunglimpft, was die Schieflage der gesellschaftlichen Debatte, die kaum noch diesen Namen verdient, überdeutlich gemacht hat.

Wie konnte es dazu kommen? In der Corona-Krise wurden viele Fehlentwicklungen, die es vorher schon gab, verstärkt. Dazu gehört auch der einseitige Kampf der Medien gegen rechts, statt sich mit den wirklichen Problemen zu beschäftigen.

Neu ist vor allem, dass die Politik in ihrer Reaktion auf Corona völlig aus dem Auge verloren hat, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Überraschend auch, wie leicht die Menschen bereit waren, ihr gewohntes Leben aufzugeben und sich, um ihrer vermeintlichen Sicherheit willen, jedem, auch dem absurdesten Corona-Diktat zu beugen. Nicht wenige waren zu Beginn des ersten Lockdowns der festen Überzeugung, nach sechs Wochen würden die Menschen auf die Straße gehen und sich lieber erschießen lassen, statt die verhängte Isolation weiter zu erdulden. Irrtum! Nach anderthalb Jahren ist es immer noch ruhig im Land, ja, es scheint immer stiller zu werden. Helmut Schleich vermutet, dass die Lockdowns und ihre Folgen nur den Dämmerzustand symbolisieren, „der im Grunde die ganze Ära Merkel geprägt hat.“

Aus 300.000 Kurzarbeitern wurden 3 Millionen

Schon nach vier Wochen Lockdown hätte die Politik konsequent über die wirtschaftlichen Folgen diskutieren müssen, „denn schon vier Wochen vermindertes Bruttosozialprodukt beeinträchtigen alle finanziellen Pläne unseres Gemeinwesens für Jahre“ (Ulrich Ende). Auch darüber wird bis heute geschwiegen, obwohl es sich inzwischen um viele Monate handelt. Bernd Raffelhüschen weist darauf hin, dass es in Deutschland in normalen Zeiten um die 300.000 Kurzarbeiter gab, jetzt sind es 3 Millionen. Davon sind anderthalb Millionen verdeckt arbeitslos. 

Was passiert, wenn das Kurzarbeitergeld nicht mehr gezahlt wird? Es wird geschätzt, dass mindestens ein Viertel der Gastronomiebetriebe und der Einzelhandelsgeschäfte pleite gehen werden, aber darüber wird im derzeitigen Wahlkampf geschwiegen. In der Corona-Krise wurde die größte Schuldenlast der Nachkriegszeit aufgehäuft. Dabei finanzieren nur noch 10 Millionen Menschen, die gute Einkommen haben, den gesamten Staatshaushalt. Leistungsträger, die an echter Wertschöpfung beteiligt sind, gibt es nur noch wenige. Es steigen nur die Sozialausgaben.

Gerald Hüther führt aus, dass es einer neuen „Kopernikanischen Wende" bedarf, um aus der Krise zu kommen. In den letzten Jahrzehnten hat sich unsere Gesellschaft immer mehr hin zu einem betreuten Leben entwickelt. Sie besteht inzwischen aus verschiedenen Betreuungsmodulen, vom Kindergarten bis zum Altersheim. Die meisten sind nicht mehr in der Lage, ihr Alltagsleben allein zu meistern. Das verschärft sich in der Pandemie, wenn die Angst dazukommt und auf Menschen trifft, die nur unzureichende Ressourcen zur Bewältigung ihrer Ängste herausgebildet haben. Das verstärkt die Neigung, sich einem starken Führer anzuvertrauen, der Regeln vorgibt, die man befolgen kann. 

Es gibt, so Hüther, drei Vertrauens-Ressourcen: das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, das Vertrauen, es mit Anderen gemeinsam zu schaffen und darin, dass aus einer Krise auch etwas Gutes erwachsen kann. Wer kein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten hat, kann kaum nötige Kompetenzen entwickeln. Die Dienstleistungsgesellschaft trägt zum Abbau individueller Kompetenzen bei. Wer sich von Jugend an die Fußnägel schneiden ließ, gerät in Panik, wenn diese Dienstleistung nicht mehr verfügbar ist.

Nicht einmal mehr unbefangen Freundschaften schließen

„Wir kommen… mit dem tiefen Grundbedürfnis nach Verbundenheit und Nähe in die Welt. Und genauso wichtig ist unser zweites Grundbedürfnis, das nach Autonomie und Freiheit… Wenn diese Bereiche hinreichend gut eingemauert, überbaut und eingewickelt sind“ ähnelt ein Mensch allmählich einem Automaten ohne eigene Bedürfnisse. Dann werden auch alle Menschen, die ihre Autonomie bewahrt haben, nicht mehr akzeptiert und ausgegrenzt.

Wohl noch nie in der Geschichte der Menschheit hat sich eine ganze Erwachsenengeneration aus Angst vor Ansteckung ihre Kinder in eine Situation gebracht, „in der sie fast alle ihre lebendigen Bedürfnisse unterdrücken mussten, um die von ihnen erwarteten Verhaltensweisen einhalten zu können.“

Was das bei Kindern und Jugendlichen anrichtet, scheint niemanden zu beschäftigen. Unsere Gesellschaft verwehrt Kindern und Jugendlichen ihr lebendiges Grundbedürfnis nach eigenen Gestaltungsmöglichkeiten, sie können kaum noch tun, wofür sie sich interessieren und zeigen, was sie draufhaben. Sie können nicht einmal mehr unbefangen Freundschaften schließen. 

Man kann nur sich selbst ändern

Wenn Kinder gezwungen werden, ihre Bedürfnisse zu unterdrücken, sind sie eines Tages weg. Sie kommen von allein auch nicht wieder. Sie werden abhängig von Ersatzbefriedigungen – die idealen Konsumenten statt kreative Schöpfer.

Der Ausweg aus diesem Dilemma ist zu erkennen, dass man die Welt und die Anderen nicht ändern kann. Man kann nur sich selbst ändern. Man muss lernen, sich selbst und seine Bedürfnisse wieder wahrzunehmen, an die eigenen Fähigkeiten zu glauben und sie entwickeln. Nur so entstehen starke Persönlichkeiten, die nicht mehr abhängig, sondern autonom sind.

Schon Immanuel Kant hat die selbstverschuldete Unmündigkeit des Menschen als das große Problem moderner Gesellschaften erkannt. 

Gerald Hüthers Kopernikanische Wende setzt hier an. Es geht um die Selbstemanzipation des Menschen als verantwortliches Wesen, das in die Natur und in das Leben eingebunden ist. Man kann das Leben nicht beherrschen, nicht das Virus besiegen oder das Klima regulieren. Aber man kann sich selbst gewinnen. Das ist die eigentliche Lehre aus der Corona-Krise.

„Das neue Normal – Wie die Pandemie unser Leben verändert“. Eulenspiegel Verlagsgruppe/Das neue Berlin.

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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S.Bahr / 23.08.2021

Die Frage, die sich aus den neuen Verhältnissen in Deutschland ergibt ist, ob von deutschem Boden wieder Gefahr für unsere Nachbarländer ausgeht, in Form von aggressiven Migranten, die ihren „Wohlstand“ einfordern, wenn Deutschland nichts mehr zahlen kann. Wenn Deutschland alle ist, und das wird bald der Fall sein, will man bestimmt von anderen vollversorgt werden.

Andreas Mertens / 23.08.2021

=>Man kann das Leben nicht beherrschen, nicht das Virus besiegen oder das Klima regulieren. Aber man kann sich selbst gewinnen. <= Vielleicht ist es an der Zeit von Revolution zu sprechen? Keine von Rechts, keine von Links. Eine aus der Mitte. Zumindest was von der Mitte der Gesellschaft noch übrig ist ... solange noch etwas übrig ist

A. Schmidt / 23.08.2021

“Es ist höchste Zeit, unseren Blick darauf zu richten, wie sich unser Land aus dem tiefen Tal, in das es gestürzt wurde, wieder herausarbeiten kann.” Ich prophezeie, eine Zukunft für den Staat Deutschland wird es nicht mehr geben. Alles in der Vergangenheit (Merkel´s Politik) war darauf ausgelegt, Deutschland zu assimilieren. Deutschland wird das erste Land sein, welches komplett an die Damen und Herren in Brüssel übergeben wird. Sei es aus Unregierbarkeit, Brüssel wird um Hilfe gebeten, oder aus Goodwill, um ein Zeichen zu setzen. Und die Nachfolger von Merkel, egal welcher oder welche, spielen auf der gleichen Flöte, die gleiche Melodie.

Olaf Weiss / 23.08.2021

@Markus Kranz: erstklassiger Kommentar! Sie sprechen mir aus der Seele. Wir brauchen eine neue Teilung Deutschlands; einen Teil für Konservative und einen Teil für die ganzen links-grünen Irren! Das Land ist ohnehin schon zutiefst gespalten, warum sollte man diese Spaltung nicht auch geographisch zementieren?

Claudius Pappe / 23.08.2021

Frau Merkel möchte nach dem Ausscheiden aus dem Bundeskanzleramt in die Kommunalpolitik wechseln. Gegenüber engsten Vertrauten ***************innen erklärte sie das sie für das Amt des Bürgermeisters in ihrer ” Heimatgemeinde ” Hohenwalde in der Uckermark kandieren werde. Sie plane die ” Erneuerung ” der Uckermark durch Ansiedelungen von klimaneutralen Industrien und den Bau von zero- CO2 Wohnungen. Helfen sollen ihr die zehntausend Facharbeiter die demnächst mit ihren Familien aus Afghanistan eingeflogen werden. Eine Lastenfahrradmanufaktur ist in Planung. Elektrische Energie sollen 923 neu zu bauende Windräder liefern. Die Gelder stammen aus dem Green-Deal der EU. Die Eselszucht eines türkischen Migranten soll erweitert werden. Der Umstieg auf Kamele sei geplant, da dann Kameltreiber aus Afghanistan in ihren angestammten Berufen tätig sein können und eine Umschulung entfallen würde.. Herr Fielmann will auf seinen Bio-Bauernhof demnächst Schafe züchten. Ein Bio- Hanfanbau werde geprüft und eine Genehmigung beim zukünftigen Gesundheitsminister Klabauterbach sei nur Formsache. Herr Hofreiter zeigte sich von der Idee angetan. Eine neue Lieferkette nach Berlin könne mit Hilfe der Fachkräfte aus dem Görlitz Park innerhalb weniger Tage eingerichtet werden. Hermes stellt Sonderkonditionen in Aussicht. Die neuen Wohnungen werden in Lehmbauweise errichtet und Brunnen zur Trinkwasserversorgung von Spezialkräften der Bundeswehr gebohrt. Frau Krampf-Karrenbauer erklärte sich nicht bereit die neu zu errichtende Karrenfabrik zu leiten. Herr Scholz erklärte, wenn er nicht zum Bundeskanzler gewählt werden würde, stünde er als Stadtkämmerer bereit. Auch Frau Roth möchte bei diesem zukunftsfähigen Projekt mitmachen und das Kulturreferat übernehmen. Sie plane schon das erste Open Air Konzert unter strengen 4 G Regeln mit der Band Feine Sahne Fischfilet und den Toten Hosen.

Uta Buhr / 23.08.2021

Liebe Autorin, danke für Ihren Artikel, in dem Sie die Lektüre des Buches “Das neue Normal - Wie die Pandemie unser Leben verändert” empfehlen. Leider kann ich Ihren verhaltenen Optimismus nicht teilen. Dieses Land ist dermaßen herunter gewirtschaftet, dass es schon eines Herakles bedürfte, um den Augiasstall auszumisten. Leider ist keiner in Sicht, der diese Aufgabe in Angriff nehmen könnte. Die Grünen und ihre zahlreichen Anhänger - auf neudeutsch “follower” - beweisen gerade das Gegenteil, indem sie auf den vom ihnen propagierten Irrsinn noch einen draufsetzen. Statt die Ärmel hochzukrempeln - diesmal nicht zum Empfang der allein selig machenden Impfung - wird für weitere Hüpfereien im Namen der Klimarettung und für noch mehr den Boden austrocknende Windmühlen getrommelt. Während die Wirtschaft täglich weiter den Bach runtergeht, verprügeln Schulkinder Polizisten, gehen im vornehmen Hamburger Stadtteil Blankenese wohlstandsverwahrloste Millionärskinder Hand in Hand mit ultralinken Splittergruppen auf die Straße und verlangen die Enteignung der Reichen. Die Bewohner nehmen es schulterzuckend hin und sagen resigniert, man könne dagegen ja doch nichts machen, während ihnen Feuerwerkskörper um die Ohren fliegen. Wie lange die 10 Millionen Leistungsträger, von denen Sie hier schreiben, sich all dies noch gefallen lassen, steht in den Sternen. Jährlich wandern zigtausende gut ausgebildete Fachkräfte dahin aus, wo ihre Kompetenz noch etwas gilt und entsprechend honoriert wird. Zurück bleiben die Alten und Heerscharen junger kräftiger Analphabeten, die zum Bruttosozialprodukt nie etwas beitragen werden. Mir erzählte ein Steuerberater, er werde dieses Land bald verlassen, seine Klienten könne er auch digital in der neuen Heimat betreuen. So sieht es aus in dieser wirtschaftlich und moralisch zur Wüstenei verkommenen res publica. Und es kommt noch schlimmer. Warten wir einmal ab, “wie viele Afghanen noch uns kommen möchten, die dann halt hier sind.” Weh uns!

Heike Olmes / 23.08.2021

Der Gratis-Wohlstand gebiert die hirnlosen Angepasstlinge. Zeiten, in denen ein dummes Gör mit Kanzlerambitionen völlig unwissend daher plappert ,ohne dass ihm jemand den dummen Mund verbietet und es ins Kinderzimmer schickt, sind gefährlich. Meine Söhne haben glücklicherweise eine kritische Haltung und betrachten die Weigerung, der breiten Masse zu folgen, als pure Notwehr. Leider müssen sie deshalb auch manchen gegenüber misstrauisch sein- wie halt damals in der DDR.

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