Thomas Rietzschel / 06.02.2020 / 17:00 / 38 / Seite ausdrucken

Schlechte Verlierer

Wer sitzt nun tiefer in der Patsche, Bodo Ramelow, der abgewählte Ministerpräsident Thüringens, für den es kam, wie er es nie für möglich gehalten, oder Thomas Kemmerich, weil ihm die Stimmen der AFD zum Sieg über den Linken verhalfen. Ob er dem Amt gewachsen sein wird, bleibt abzuwarten. Gewählt wurde er erst einmal nach allen Regeln der Demokratie: von der Mehrheit der Abgeordneten, die wiederum als Vertreter der vom Volk gewählten Parteien im Parlament sitzen. Ein Unding für jene, die schon glaubten, fortdauernd über die Macht verfügen zu können. Schäumend vor Wut fielen sie aus der Rolle, ebenso wie ihre Claqueure.

Spontan reagierten die Verlierer mit dem, was sie am besten beherrschen: mit schlechtem Benehmen. Die Landeschefin der Linken Susanne Hennig-Wellsow warf dem gewählten FDP-Mann den Blumenstrauß, mit dem sie ihrem Genossen hatte gratulieren wollen, kurzerhand vor die Füße. Als der Neue das Wort ergriff, verhöhnten ihn PDS, SPD und Grüne mit lautem Gelächter.

Ramelow selbst bemühte die Geschichte und Hitler, als er den Erfolg seines Kontrahenten mit dem verglich, den die NSDAP 1930 in Thüringer verbuchte. Ob er noch alle Tassen im Schrank hat, ist eine Frage, die sich aufdrängt, nicht nur bei ihm. Auch der Chefredakteur des ZDF, Peter Frey, entblödete sich nicht, in seinem Kommentar von der „Endstation Buchenwald“ zu sprechen. Zwar räumte er ein, Kemmerich sei „demokratisch“ gewählt worden, doch sei die „Brandmauer mit seiner Wahl schon eingestürzt“. Danach von „Verantwortung“ zu sprechen, fand er „unanständig“. 

Die Worte konnten nicht groß genug sein. Von „AfD-Taschenspielertricks“, einem „Tabubruch“ und dem „Betrug der Wähler“ war allenthalben die Rede. Die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer stellte klar, dass der thüringische Landesverband entgegen den Weisungen aus Berlin für Kemmerich gestimmt habe. Von einem „rabenschwarzen Tag für die Demokratie" sprach Nancy Faeser, die Vorsitzende der Hessen-SPD. 

In der Panik verloren die Apparatschiks jegliche Hemmung. Sie waren ihrer Worte nicht mehr mächtig. Oder wie sonst könnten sie auf die Idee kommen, eine ordnungsgemäß abgelaufene Wahl verletze ein „Tabu“? Besteht es etwa darin, dass keinem anderen als den Vertretern der eingeführten Parteien das Recht zusteht, frei zu entscheiden? 

Dann wird eben weiter und weiter gewählt

Nach dem, was wir seit gestern zu hören bekommen, muss es sich wohl so verhalten. Ganz überraschend kommt das freilich nicht. Schon bei der Europa-Wahl pfiffen die Funktionäre auf den Wählerwillen, indem sie eine Frau zur Chefin der EU-Kommission kürten, die gar nicht auf der Kandidatenliste gestanden hatte.

Im fernen Brüssel ließ sich dieser Schwindel noch relativ leicht durchziehen. In Erfurt, wo die Bürger ihrer Regierung schon räumlich näher sind, bedarf der Betrug einer aufwändigeren Inszenierung. Ohne Neuwahlen ist da nichts zu machen. Und sollten die abermals schief laufen, dann wird eben weiter und weiter gewählt, bis sich das Volk breit schlagen lässt, nach den Vorstellungen der politische Eliten abzustimmen.

Selbst die FDP als derzeitiger Gewinner hätte dagegen nichts einzuwenden, ebenso wie die CDU. Am Ende kommt es doch nur darauf an, dass die zusammenstehen, die schon immer in einem Boot saßen. Man will unter sich bleiben, wie die Mitglieder eines Golfclubs, dann zumal, wenn sich ein Konkurrent wie die AFD unverhofft mausig macht.  

Worüber soll man sich mehr wundern, über die Dreistigkeit, mit der die Demokratie von denen ausgehebelt wird, die sie für sich beanspruchen, oder über die Selbstgefälligkeit, mit der sie in den Untergang taumeln. Stecken sie doch schon heute bis zum Hals im Morast ihrer ideologischen Machtanmaßung. Und je mehr sie dabei um sich schlagen, desto tiefer sinken sie ein. Außer dem Lügenbaron Münchhausen hat es noch keiner geschafft, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. 

Auch wenn Kemmerich inzwischen dem Druck nachgegeben und das Handtuch geworfen hat, ist die Geschichte nicht zu Ende. Der AfD ist ein Schachzug gelungen, den ihr niemand zugetraut hätte. Strikt nach den Regeln des parlamentarischen Procedere hat sie das Gezerre der Parteien um die Macht im Erfurter Landtag auffliegen lassen. Das ist in der Tat ein erster Dammbruch, dem weitere folgen werden.

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Leserpost

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Sabine Heinrich / 06.02.2020

@Andreas Müller: Genau die Erfahrungen habe ich schon während meiner Studentenzeit gemacht - darum meide ich jeden Kontakt mit ihnen. @Wolfgang Kaufmann: Seien wir froh, dass diese “Dame” nie in dem von ihr studierten Beruf gearbeitet hat. Wikipedia hat mir verraten, dass sie Diplompädagogin ist, aber offensichtlich nicht auf Kinder losgelassen wurde, sondern gleich in der Mauermördernachfolgepartei Karriere gemacht hat. Interessant auch ihre Herkunft - da wundert mich gar nichts mehr. Was bilden sich diese von Dummheit und Dreistigkeit geprägten Weiber (die entsprechenden “Herren ” sind auch nicht besser) nur ein? Tolle Vorbilder für die Jugend! Vermutlich wird diese alte Göre in ihren Kreisen noch als Heldin gefeiert - so wie seinerzeit die Kiesinger-Ohrfeigende, deren Namen ich hier ganz bewusst nicht nenne. Deutschland - armes Vaterland! Ich bin traurig - und sehr, sehr wütend! Bleibt der Trost: “The wind of change” wird kommen, ich werde ihn aber wohl nicht mehr erleben, hoffentlich aber auch nicht D als lupenreine kommunistisch - islamistische Diktatur, auf die unser einstmals schönes, lebenswertes Land mit voller Kraft voraus hingesteuert wird.

Mario Bernkopf / 06.02.2020

Als Arbeitgeber bin ich der Meinung, daß keiner dieser Politkasper in einer reellen Firma eine Anstellung finden würde. Ohne ihre Posten in der Politik wäre Thüringen um einige Hartz-IV-Empfänger reicher.

Gert Köppe / 06.02.2020

Der “Kampf gegen Links” hat oberste Priorität, sonst nichts! Alles Andere später.

Wolf Hagen / 06.02.2020

Wie Herr Rietzschel schon richtig schreibt, des Wählers Wille interessiert niemanden in Brüssel und Berlin und schon erst recht nicht in Erfurt. Demokratie im Jahre 15 nach Merkel ist in der EU und besonders in Deutschland nur noch eine hohle Phrase.

beat schaller / 06.02.2020

kann jetzt Soros der Führerin bereits die den Blumenstrauss vor die Füsse werfen? b.schaller

Alexander Schilling / 06.02.2020

Die Neuwahl wird m.E. nicht eine Parlamentswahl werden, sondern (wie bereits anderswo angedeutet) ein ‘vierter Wahlgang’ infolge eines Misstrauensantrags. Vielleicht dürfen wir dann wenigstens noch einmal lachen, wenn Bodo Ramelow—unter dem allgemeinen Beifall der geschichtsgelehrigen Journaille samt Politprominenz aus Berlin und Pjöngjang—mehr als 95% der gültigen Stimmen auf seine Person vereinen kann, während wir uns die Frage stellen, was der zum Sieg befohlene Wahlverlierer denn bloß mit den Veilchen und Vergissmeinnicht der Regierung Kemmerich anstellen wird…

Gido von Bertholdstein / 06.02.2020

Die AfD kann fortan in schöner linker Anarchotradition jeden Kandidaten verhindern, einfach weil sie ihn wählt. Am besten mit Ansage. Jeder der dann das Mandat annimmt, wird als Nazi durchs Dorf getrieben werden. Ich hatte schon 2015, nach der selbstgerechten Grenzöffnung, an unsere große Vorsitzende geschrieben: Deutschland wird unregierbar und die EU zerfällt. Verdammt, bin ich ein Besserwisser!

B. Ollo / 06.02.2020

Die unglaubliche Frechheit und der Gipfel der Blödheit ist dabei auch, dass die Abgeordnete Susanne Hennig-Wellsow nach eigenem Bekunden Ramelow gegenüber höchstpersönlich dieses Szenario angekündigt hat. Aber Ramelow hat gezockt und gehofft, er bekäme Stimmen der Opposition. Die sind sehenden Auges selbst in diese Situation gefahren - ohne wirkliche Not. Er war ja noch geschäftsführend im Amt und hatte genau deshalb bereits seinen Haushalt verabschiedet. Die Androhungen aus Berlin, die unverholhlenen Erpressungsversuche der Berliner Opposition, dass die Union Disziplinarmaßnahmen gegen Thüringer Verfassungsorgane vornehmen soll, und die Gewalt-Drohungen linker Aktivisten gegen den neuen MP und seine Familie, die direkt aus durch die Linke Regierung gedeckten Kreisen kommen, sind eine strafbare Handlung nach §106 StGB und ggf. §105 StGB. Sollten sich Abgeordnete genötigt fühlen, durch Androhung von persönlichen Konsequenzen gegen ihr Gewissen entscheiden zu müssen, heißt das je nach Einschätzung des zuständigen Gerichts bis zu 5 oder 10 Jahren Haft. Die Ansage Merkels, dass “das Ergebnis” rückgängig gemacht werden muss, ist absolut unmissverständlich und als nicht parteiintern legitimierte Drohung zu verstehen. Auch der BK steht es nicht zu, Ministerpräsidenten der Länder aus anderen Parteien zum Rücktritt zu nötigen, egal über welchen Hebel.

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