Achgut.com / 11.05.2020 / 12:55 / Foto: Siesta / 40 / Seite ausdrucken

Schlaglichter einer Demo-Welle

Es wird wieder demonstriert in Deutschland. Vor allem samstags, aber auch an allen anderen Tagen der Woche. Es sind Demonstrationen, die es eigentlich nicht geben sollte, nachdem mit dem Infektionsschutzgesetz neben vielen anderen Grundrechten auch die Versammlungsfreiheit beschnitten und jegliche Demonstration verboten wurde. Doch einige Bürger hatten Gerichtsentscheidungen erwirkt, nach denen gerade der Protest gegen ein generelles Versammlungsverbot nicht einfach pauschal verboten werden dürfe.

Die Genehmigung von Protestversammlungen gegen all die Zwangsmaßnahmen, Verbote und Gebote, die mit der Abwehr von Covid-19-Infektionen begründet werden, war nicht mehr zu verhindern, auch wenn sie zuweilen nur zähneknirschend erfolgt. Schon allein deshalb sind diese Demonstrationen in der Geschichte der Bundesrepublik etwas Besonderes.

Nun demonstrieren Woche für Woche immer mehr Menschen gegen die Unverhältnismäßigkeit der Corona-Maßnahmen, insbesondere die Einschränkung der Grundrechte. Und sie demonstrieren verteilt auf viele größere und kleine Städte und Orte. Mag es in Stuttgart am Samstag mit 10.000 Teilnehmern die größte derartige Versammlung gegeben haben – so ist dennoch das Besondere, wie sehr sich der Protest in die Fläche verteilt. Es gibt kaum einen vollständigen Überblick über alle Demonstrationsorte. Schon gar nicht eine Gesamtzahl von Demonstranten. Mal sind es einige Tausend, mal einige Hundert, die kommen. Mindestens einige Zehntausend werden am Samstag demonstriert haben.

Bundesregierung und Landesregierungen mögen diese Demonstrationen naturgemäß nicht, schließlich richten sie sich ja gegen die von ihnen beschlossenen und mitgetragenen Ausnahmezustands-Regeln. Inzwischen warnen einige Minister davor, an solchen Versammlungen teilzunehmen, weil sich dort ein Sammelbecken von „Corona-Leugnern“, Verschwörungstheoretikern, Rechtspopulisten, Rechtsextremen, Reichsbürgern, Impfgegnern und ähnlichen Menschen zu entwickeln drohe.

Charakter der Demonstrationen sehr unterschiedlich

Keine Frage, eher offene Demonstrationen ziehen natürlich sowohl politische Irrlichter verschiedenster Couleur an als auch Ideologen, die sich oft nicht nur profilieren, sondern die Versammlungen am liebsten ganz kapern wollen. In diesen Ausnahmezustandszeiten, in denen es kaum noch Austausch in analogen sozialen Räumen gibt, ist das besonders stark der Fall und keinesfalls verwunderlich. Doch für Grundrechte eintreten darf jeder, auch jeder Spinner, wiewohl ein Engagement von Reichsbürgern für die Einhaltung eines Grundgesetzes, dessen Legitimität sie eigentlich bestreiten, nicht gerade konsistent wirken würde.

In den verschiedenen Orten ist der Charakter der Demonstrationen deshalb auch durchaus sehr unterschiedlich. Oft ist ein breites Spektrum zu finden, wodurch weitere Unzufriedene mit der Notstands-Politik angezogen werden. Mancherorts sind Versammlungen aber auch in der Hand verschiedener Organisationen mit eigener politischer Agenda. Einen genaueren Überblick hat offenbar in diesem Punkte noch niemand so recht.

Auch Achgut.com verfügt nicht über das nötige Korrespondentennetz, um einen solchen Überblick zu gewinnen. Aber um wenigstens schlaglichtartig ein paar Blicke in das vielfältige Demonstrationsgeschehen zu werfen, haben wir einige unserer Autoren gebeten, zu schauen, wie das bei ihnen vor der Tür ausgesehen hat.

Quentin Quencher aus Stuttgart

Die Reden auf der Demo habe ich nur sehr bruchstückhaft mitbekommen. Am Anfang wurde die Polizei vom Organisator gelobt und die Einhaltung der Abstandsregeln angemahnt, dann auf die politische Abgrenzung hingewiesen, mit den weit "Rechten" wolle man nichts zu tun haben, mit den weit "Linken" auch nicht.

Es war schon eine große Menschenmenge auf dem Wasen, viele Tausende, das war beeindruckend. Allerdings hatten die meisten keine Transparente oder Plakate dabei, ein paar Deutschlandfahnen waren zu sehen, eine schwedische, ebenso ein paar Fahnen mit Regenbogenfarben und der Aufschrift „Peace“. Allerdings trugen einige selbstbeschriebene Kartons mit sich oder hatten T-Shirts an, auf denen irgendwelche Sprüche, wahrscheinlich mit einem Edding beschrieben, zu lesen waren.

Das sah alles sehr selbstgebastelt aus und nicht danach, als ob eine einigermaßen gut organisierte Gruppe die Hände im Spiel gehabt hätte. Dann hätten die Plakate professioneller ausgesehen.

Einige Familien mit Kindern waren zu sehen, ein paar Einzelne auch, die den Eindruck erweckten, Esoteriker zu sein. Insgesamt war meine Assoziation: Solche Leute kenne ich von Elternabenden oder treffe ich beim Einkaufen im Supermarkt. Sie wirkten auf mich wie Leute, die im normalen Leben stehen, ihr Geld erstens selbst verdienen und zweitens eher der mittleren Bildungs- und Einkommensschicht angehören und mit beiden Beinen im realen Leben stehen.

Auf jeden Fall war nirgends zu erkennen, dass hier irgendwas von einer Organisation, welcher Art auch immer, choreografiert wurde. Es war mehr dilettantisch, ohne dies jetzt negativ zu werten.

Das war nur ein erster Eindruck. Ich bin aber noch nicht dahinter gekommen, was das wirklich tragende Element der Bewegung, wenn man sie denn so nennen möchte, eigentlich ist. Sollte es wirklich so sein, dass die Einschränkungen und Drangsalierungen, die die Menschen nun im täglichen Leben zu ertragen haben, der Anlass für diese Proteste sind? Um ehrlich zu sein, diese Frage kann ich noch nicht beantworten, vermuten tue ich natürlich eher tiefer sitzenden Ärger, Ängste oder Befindlichkeiten, die hier nur einen Anlass gefunden haben, um zum Ausbruch zu kommen.

Peter Grimm aus Leipzig

Einige hundert Demonstranten hatten sich am sonnigen Samstagnachmittag auf dem Nikolaikirchhof, dem Platz vor der Nikolaikirche, eingefunden. Wie schon aus Stuttgart beschrieben, hatte man den Eindruck, hier kommt eine normale Stadtbevölkerung aus verschiedenen Soziotopen zusammen. Auch hier gibt es nur wenige selbstgemachte Schilder und Schildchen – keine professionellen Plakate oder gar Transparente. Das reicht inhaltlich von der Verteidigung der Grundrechte, der Freiheit, des Grundgesetzes und/oder der Demokratie bis zu Impfverweigerern oder einem Anhänger von KenFM, der den verpflichtenden Mundschutz mit der Hakenkreuzarmbinde vergleicht. Solche Versammlungsteilnehmer, die den Verdacht erwecken, sie seien rechten Ideologien zugetan oder gehörten in die Reihen der Verschwörungstheoretiker, gibt es zwar, aber eher vereinzelt.

Die Organisatoren mögen in den vergangenen Wochen vielleicht etwas Routine gewonnen haben, es wirkt amateurhaft genug, um den Beobachter davon zu überzeugen, dass hier keine Organisationsprofis übernommen haben. Ein Teilnehmer hatte erzählt, am Anfang war der Auftritt sogar noch ohne Mikrophon und Verstärker. Auch jetzt ist die Tonanlage noch nicht so gut, dass man alle Reden an jedem Teil des Platzes verstehen könnte. Dort, wo man sie verstand, bekommen sie mal mehr mal weniger Beifall, was ja vollkommen normal ist. Dort, wo ich stand, verstand man sie eher nicht, aber das störte nicht, denn viele Versammlungsteilnehmer nutzten dort die Gelegenheit zu Gesprächen untereinander. Man kommt ja derzeit in größeren Gruppen sonst gar nicht zusammen und kann sich nicht austauschen.

Die Atmosphäre in dieser Demo-Stunde ist vollkommen entspannt. Es stehen ein paar Polizisten an jedem Ende des Platzes, doch signalisieren sie durch ihr Auftreten, dass sie keine Lust verspüren, hier irgendwen zu maßregeln. Dass der Mindestabstand angesichts der vielen Demonstranten längst nicht mehr eingehalten werden kann, tolerieren sie stillschweigend. Wäre dies keine Demonstration gegen den Corona-Ausnahmezustand, würde kaum etwas auf dem Platz daran erinnern, dass es ihn gibt. Die Vertreter der uniformierten Staatsmacht haben mehrheitlich darauf verzichtet, eine Maske zu tragen. Über Mund und Nase gezogen hat sie ohnehin niemand, aber einige wenige Beamte tragen sie um den Hals.

Ulrike Stockmann aus Berlin

Es war nicht so einfach, im Vorfeld herauszufinden, wo und wann die Berliner „Hygiene-Demo“ am 9. Mai stattfinden würde. Ich stieß lediglich auf eine Meldung der Antifa, die bekanntgegeben hatte, sich am Samstag ab 14 Uhr vor der Volksbühne zu versammeln, sodass ich vermutete, dass auch um diese Zeit die „Hygiene-Demo“ stattfinden würde.

Mein Freund und ich näherten uns gegen 14.45 Uhr der Volksbühne von der Hirtenstraße aus. Hier gab es eine Polizeiabsperrung. Wir erfuhren, dass sich immer nur maximal 50 Personen auf einem Fleck befinden dürften, weshalb man die einzelnen Kundgebungen nur durch Nachrücken erreichen konnte, nachdem Personen diese zuvor verlassen hatten. Wir schafften es schließlich in die Pufferzone vor der Volksbühne. Von dort aus sahen wir die Versammlung der Antifa, die auf dem Rasen vor der Volksbühne saß und „Gegen Rechts“-Plakate schwenkte. Schließlich waren wir mit Nachrücken an der Reihe. Ein Polizist fragte uns, auf welche Demo wir denn wollen.

„Was haben Sie denn im Angebot?", fragte ich ihn. „Einmal hätten wir ‚Kampf gegen Rechts‘, so wie immer. Und dann hätten wir noch: ‚Der Lenz ist da‘", entgegnete er. „Ist das die Hygiene-Demo?" „Keine Ahnung.“

Wir entschieden uns also vorsichtshalber für den „Lenz“, als einzige der Nachrückenden. Kurze Zeit später erfuhren wir, dass es momentan für den „Lenz“ keinen Zutritt gäbe, wir aber gerne auf die „Gegen Rechts“-Demo dürften. Dieses Angebot nahmen wir an.

Besagte Zusammenkunft bestand aus einer Ansammlung von Menschen, die es sich auf der Rasenfläche vor der Volksbühne bequem gemacht hatten. Abseits der Grünflache standen Aktivisten mit Reptilienmasken, die Prospekte verteilten. Bevor wir noch einschlafen würden, bewegten wir uns lieber dorthin, um uns ein Blatt abzuholen. Bei dieser Gelegenheit sprach ich mit einem der „Echsenwesen“. Ich wunderte mich darüber, dass die Antifa nicht die Gelegenheit ergriff, sich angesichts der Corona-Repressionen gegen die Staatsmacht zu positionieren und stattdessen den Nebenkriegsschauplatz der rechten Proteste und Verschwörungstheoretiker bespielte. Der Aktivist schien die Einschränkung der Grundrechte nicht so dramatisch zu finden wie ich. Verständnislos sah er mich an und sagte, dass man auf keinen Fall mit Rechten zusammen demonstrieren dürfe. Ja, es gebe auch linken Protest gegen die Corona-Sonderregelungen. Da müsse man schon ein bisschen aufpassen. Aber schließlich sei das Virus gefährlich und in Zeiten globaler Pandemien müsse man solche Einschränkungen eben hinnehmen. Mir war gar nicht klar, dass die Antifa so gehorsam sein kann.

Von unserem Standpunkt aus konnten wir die „Lenz“-Demo sehen, die in der Weydingerstraße stattfand. Um hinzukommen, mussten wir allerdings einen Bogen über die Linienstraße laufen. Die Polizei hatte die Rosa-Luxemburg-Straße zu einer Pufferzone abgesperrt. Interessanterweise waren hier deutlich mehr als 50 Personen versammelt [in Berlin derzeit die Versammlungs-Obergrenze, Anm. d. Red.], vermutlich 100 bis 150. Hier schien das allerdings niemanden zu stören. Plötzlich sahen wir, wie die Polizei einen der Versammelten festnahm. Wie es dazu kam, hatten wir nicht mitbekommen. Zwei Polizisten und eine Polizistin mühten sich damit ab, ihm Handschellen anzulegen. „Ich habe doch gar nichts gemacht“, rief der Festgenommene. „Paragraf 113“, entgegnete einer der Beamten.

Schließlich standen wir vor der Absperrung zur „Lenz“-Demo. Es handelte sich um eine Ansammlung von Menschen, die regungslos auf einem Mäuerchen saßen, beziehungsweise herumstanden. Auf Nachfrage ließ uns die Polizei leider nicht passieren. Wir erfuhren auch keinen Grund hierfür.

Circa 20 Personen warteten mit uns und wollten zur Demonstration. Wir schafften es schließlich, die Aufmerksamkeit eines der Demonstranten zu erwecken, der zur Absperrung trat und uns einen Flyer überreichte. Er wirkte sehr geschäftig, ein ziemliches Gegenstück zu seinen eher lethargisch erscheinenden Mitstreitern im Hintergrund. „Bitte halten Sie den Mindestabstand ein“, ermahnte uns der wieder zum Leben erwachte Polizist.

Von dem Demonstranten erfuhr ich auch, dass die Details der stattfindenden „Hygiene-Demo“ vorher über eine „Telegram“-Gruppe bekanntgegeben wurden. Dies ist vermutlich der Grund, warum ich im Netz nichts finden konnte. Über die Organisatoren wusste er nichts.

Schließlich erzählte ich ihm, dass wir bei der Gegendemo nachrücken konnten, sobald weniger als 50 Personen anwesend waren, was uns die Polizei hier nicht in Aussicht gestellt hatte. Er machte sich auf, um nachzuzählen. Als er zurückkam, stellte er fest, dass tatsächlich genau 50 Personen versammelt seien, allerdings inklusive Presse.

Schließlich kam ein Polizist, der meinem Freund und mir bedeutete, dass wir die Versammlung betreten dürften.

Ich bekam noch die Visitenkarte meines vorherigen Gesprächspartners und entdeckte, dass es sich dabei um Hansjörg Müller von der AfD handelte. Er wurde gerade von einem Kameramann begleitet, der an einem Beitrag über ihn für ZDF und Phoenix arbeitet.

Ich betrachtete die Menschen, die ruhig nebeneinander auf einem Mäuerchen saßen. Ein junger Mann mit Deutschlandflagge starrte missmutig vor sich hin. Zwei Frauen saßen mit geschlossenen Augen und im Schneidersitz auf Matten nebeneinander und meditierten. Alles wirkte traurig und verhalten. Eine Kundgebung oder irgendeine Aktion hatte es nicht gegeben, wie ich erfuhr. Schließlich sprach ich drei fröhlich wirkende Damen in den Dreißigern an. Sie seien hier aus Angst vor einem Impfzwang. Und natürlich, weil sie sich gegen die Corona-Verordnungen, darunter den Masken-Zwang, zur Wehr setzen wollten.

Schließlich stieß ich doch noch auf den Organisator der Zusammenkunft: Prof. Dr. Christoph Trautner, seines Zeichens Epidemiologe. Er habe diese Aktion ins Leben gerufen, weil er die Corona-Verordnungen der Regierung übertrieben fände. Die Versammelten hier kenne er allerdings nicht und wüsste nicht, wer hier zusammenkommt.

„Ich habe die Veranstaltung ‚Grundgesetz, statt Corona-Wahn‘ genannt, weil ich denke, dass es sich dabei um eine Art Wahn, Psychose oder Hysterie, künstlich erzeugt von den Medien, handelt. Es werden nur Experten mit einer bestimmten Meinung gehört. Die vielen Experten, die es anders sehen und zu denen auch ich gehöre, werden nicht gehört. Ich habe sofort gesehen, dass hier etwas nicht stimmt, weil hier Zahlen gebracht werden, etwa Todeszahlen, ohne richtige Bezugsgrößen. Wenn ich beispielsweise von 10.000 Infizierten spreche, sagt mir das überhaupt nichts. Ich bräuchte eine repräsentative Stichprobe von Berlin, Deutschland oder wovon auch immer. Dann hätte ich eine Vorstellung davon, wie viele infiziert sind. Habe ich aber nicht. Diese absoluten Zahlen ohne Bezugsgröße sind ohne Aussage. Dann bin ich auf die Aussagen von meinem Kollegen Dr. Wodarg gestoßen. Ich muss aus fachlicher Sicht sagen: Der Mann hat recht in den Grundzügen. Wir haben unzählige Viren, die ständig unterwegs sind und dauernd mutieren. Coronaviren gab es auch schon immer. Grippe ist nicht schön, aber so ist das Leben. Das können wir nicht ändern zur Zeit. Wir können ja nicht zu leben aufhören.“ Er überreicht mir zum Schluss ein Papier mit einer Grafik der deutschen Todeszahlen ab Sommer 2016. Schließlich verlassen wir die kleine Zusammenkunft. Dies war zusammengenommen die merkwürdigste Demo, die ich bislang besucht habe.

Marcus Ermler aus Bremen

Vor zwei Woche fing alles mit einer spontanen Mahnwache der neonazistischen Partei „DIE RECHTE“ an, die sich nicht, wie sonst üblich, unter dem Banner von „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit!", sondern unter dem Motto „Grundrechte auch in der Coronazeit schützen“ versammelte. Vor einer Woche verband Bremens Antifa die Corona-Krise dann mit einem Solidaritäts-Autokorso für Flüchtlinge, so mit den Leitsprüchen „Keine Zeit zu sterben – Gegen autoritären Seuchenstaat & kapitalistischen Normalbetrieb“ und „No Nation, No Border – Fight Law + Order“. Und an diesem Wochenende traf sich schließlich die Querfront gegen „Zwangsimpfungen“ und die „Corona-Massnahmen“, die, laut buten un binnen, vom israelfeindlichen Bremer Friedensforum über Reichsbürger bis hin zu Holocaust-Verharmlosern reichte.

Thilo Schneider aus Aschaffenburg

Die Samstagsveranstaltung für unser Schtetl wurde erst angemeldet, dann „wegen Gefährdung durch die Antifa“ abgesagt, in den berühmten „inoffiziellen Kanälen“ des Aschaffenburger Buschfunks hieß es aber zuletzt: „Wer kommen mag, mag kommen“. Um 15.00 Uhr deutscher Pünktlichkeit fanden sich also etwa 300 Bürger zum Spazierengehen auf unserem zentralen Platz ein und standen einfach nur herum. Die Lokalpresse wuselte suchend nach Stimmen, wie mir schien, vorzugsweise von Leuten, auf die das Prädikat „Mittelschicht“ nur schwer passt. Ich führte ein kurzes Gespräch mit dem Einsatzleiter der zwölf Polizisten, der etwas enttäuscht war, dass sich niemand als „Veranstalter zu erkennen gab“. Allerdings ist es auch schwer, einen Veranstalter zu finden, wenn es keine Veranstaltung gibt. So hat die Exekutive das Problem, dass sie einen Pudding an die Wand nageln muss. Etwas abseits vertraten sich zwölf Nichtbürger des sogenannten „linken Spektrums“ die Beine, die ungefähr auch den Anteil der Nichtleister in unserem Schtetl abbilden. Die hatten sich lustige Hüte aus Alufolie gebastelt und sich klammheimlich gefreut, endlich einmal ganz legal „Vermummung“ tragen zu dürfen.

Nach etwa einer Viertelstunde setzt sich der ganze Pulk wie von Geisterhand in Richtung unseres Schlosses in Bewegung, der Oberturner der Minderleister gibt die Parole „wir laufen am Ende mit“ aus. Ich treffe Bekannte, einen Zahnarzt mit seiner Frau und den Inhaber eines Bistros, ebenfalls mit Frau, die die derzeitigen Corona-Maßnahmen der bayerischen Regierung für überzogen halten. Deswegen laufen sie hier heute mit, beide haben keine Demoerfahrung. Das dürften sie mit den anderen im Schnitt Vierzigjährigen, die ihre Kinder oder Hunde hinter sich her zerren, gemeinsam haben. Wir laufen durch die Innenstadt, die Polizei sichert die Ampeln und stoppt den Verkehr, damit der Zug in einem Rutsch über zwei Kreuzungen kommt. Vereinzelt tauchen wirklich schlecht gemachte und gemalte Pappkartons mit „Grundgesetz Artikel Soundso“ auf. Der Zug selbst bewegt sich mehr oder weniger schweigend, die Leute unterhalten sich miteinander. Die zwölf Gegen-Alles-Demonstranten skandieren fünf Minuten lang „Abstand halten, Leben retten“, werden jedoch vom Rest des Zuges ignoriert und kommen sich danach offensichtlich selbst peinlich vor. Eine augenscheinlich angetrunkene Frau versucht, dagegen zu skandieren und brüllt „Freiheit für Deutschland“, und weil sie nicht weit hinter mir herumläuft, brülle ich genervt kurz im Lokaljargon „Ei, Du hast doch Freiheit, Du lääfst doch aach hier ’rum, wie mir annern alle aach“ zurück, danach ist durch die begleitenden Lacher der anderen Spaziergänger Ruhe.

Nach ungefähr zwanzig Minuten „im Kreis laufen“ findet sich der Zug wieder auf dem Marktplatz ein, die etwas Angst- und hoffentlich Virenfreieren nehmen sich an der Hand und bilden kurz einen Kreis. Der Einsatzleiter der Polizei verkündet via Megaphon, dass es jetzt gut sei, sie hätten brav den Zug begleitet und beim nächsten Mal will er einen Veranstalter sprechen. Er erhält freundlichen Applaus, die Aluhutträger dürfen noch einmal „Nazis raus“ schreien, dann löst sich die Versammlung auf. Ein paar Hartgesottene wollen noch das Deutschlandlied anstimmen, bleiben damit aber alleine. Einige der Mitmarschierenden sehe ich kurz darauf vor der nahegelegenen Eisdiele wieder, wie sie brav mit Mindestabstand um ein Speiseeis anstehen.

Insgesamt und unter dem Strich war dieser Spaziergang das Cleverste, was ich bisher bei Demos gesehen habe. Keine Parolen, keine Schreiereien, keine Reden, die deutsche bürgerliche Mittelschicht ging einfach ohne Mundschutz spazieren. Für die Polizei gab es keinen Grund, einzugreifen, für die dümmlichen Linksblinker keinen Ansatzpunkt zur Provokation. In einem Satz: Ein souveräner Spaziergang des Souveräns. Weiter so! Geht doch! Ach – falls einer fragt: Ich trug ebenfalls keinen Mundschutz. Wir sind nicht im Kindergarten.

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Regina Becker / 11.05.2020

Es sind keine Extremisten, Populisten, Verschwörungstheoretiker usw. usw., die Gegen gesetzliche Regelungen und andere Verordnungen verstoßen. Es sind Aktivisten, die durch zivilen Ungehorsam auf Missstände aufmerksam machen. So wurde das bei den Klimademos doch auch dargestellt - warum jetzt nicht?

Mathias Bieler / 11.05.2020

Nach der 1.Mai-Demo in Kreuzberg müsste mittlerweile die Infiziertenquote exorbitant in Bezirk angestiegen sein. Auch müsste nach der Beerdigung (28.4.) im Berliner Clanmilieu einige Angehörige eingeliefert worden sein. Nichts dergleichen - Kreuzberg ist nicht abgesperrt und die trauernde Familie war nie in Quarantäne. Auch die genannten Städte im Artikel müssten in 10-14 Tagen Krisenherde sein. Wollen wir wetten,dass…........?

Christina S. Richter / 11.05.2020

Gut zu wissen, dass immer mehr Bürger u. a. für die Erhaltung ihrer Grundrechte auf die Strasse gehen - ob in Form einer Demo oder Spaziergang. Vor 30 Jahren begannen wir genauso….und haben nachweislich sehr viel bewirkt. Heute berichtet stets die Presse, man will nächsten Samstag massiv gegen diese Demonstranten vorgehen. Da frage ich mich doch in welches Wespennest der normale Bürger sowie die Mittelschicht sticht,  dass nun all diese Politiker mehr und mehr Angst haben? Fürchten sie um ihre Diäten? Fürchten sie um ihre Machterhaltung? Dies alles wird doch von diesen demonstrierenden und/oder spazieren gehenden Bürgern finanziert….Wenn all diese Bürger nun niedergeknüppelt oder eingesperrt werden, wer finanziert alleine diese Diäten weiter? Außerdem steht der Bundeswahlkampf bald vor der Tür, dies und mehr sollte man bedenken, bevor man nun die nächsten Schritte gegen das eigene Volk einleitet. Danke Achse, dass ihr so kritisch sachlich berichtet! Weiter so, denn ich habe nicht umsonst fast mein ganzes Leben gearbeitet, um dann ebenfalls wie meine Großeltern nach dem Krieg oder dann meine Eltern nach der Wende vor einem Scherbenhaufen zu stehen.

Rudhart M. H. / 11.05.2020

Gerade lief “heute” von 19.00 Uhr: der BKA-Chef sieht natürlich nur Verwirrte und Rechte und Leugner aller Art und Theo Koll , seines Zeichens , Hauptstadtzampallo des ZDF , weiß von russischen Bots zu berichten. Schlimmer können Propaganda-Lautsprecher des nicht vorhandenen Goebbels-Ministeriums nicht tönen. Ist es Angst oder nur der allgemeine Großkotz der Politkasper aus Berlin ? Man kann nur hoffen, daß es am nächsten Sonnabend doppelt soviele werden, in Leipzig und Plauen ging es auch so los. Zeit wäre es schon längst!

Karla Kuhn / 11.05.2020

Ulrich Jäger, “Dass es in der FDP parteischädigend ist Rückgrat zu besitzen, dafür ist dieser Landesvorsitzende ein trauriges Beispiel.”, Ich war sprachlos. als ich heute früh auf meinem Handy diese Nachricht gelesen habe. Erst die verheerende Aussage Lindners zu Kemmerichs Teilnahme und dann den Rückzieher Kermmerichs. Da müssen die Thüringer doch heilfroh sein, daß sie so einen - für mich- Wendehals nicht als MP bekommen haben, auch wenn ich den LINKEN total ablehne. Diese beiden POLITPERSONEN tun aber auch WIRKLICH ALLES , damit die FDP WEIT unter die FÜNF Prozent Hürde kommt.  WO bleiben die Männer mit EIERN ??

Wilfried Cremer / 11.05.2020

Bei der Gelegenheit nochmal: Corona ist der Todeskampf der Einwegmedien. Das lukrative Monopol des Sendens und damit der Erstdeutung von Nachrichten bricht weg, z.B. hier.

helmut rott / 11.05.2020

Der Bericht von Thilo Schneider hat mir gefallen, wenn das von Bedeutung sein sollte.

helmut rott / 11.05.2020

Ach,ich dachte in Deutschland darf man nicht demonstrieren und seine Meinung nicht sagen? Man würde von einer Diktatorin namens Die Engelsgleiche weggesperrt?  So liest man es doch ständig auf dieser Seite.  Was stimmt denn nun?

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