Rainer Bonhorst / 03.02.2019 / 15:30 / Foto: Pixabay / 20 / Seite ausdrucken

Scheuer und die perfekte Neurose

Meine Sorge wächst. Schon die gut hundert Lungenärzte, die die deutsche Stickoxid-Debatte für maßlos übertrieben, also für typisch deutsch halten, haben mich zutiefst beunruhigt. Und jetzt vertieft auch noch unser Verkehrsminister meine ohnehin schon tiefe Sorge. Andreas Scheuer verlangt doch tatsächlich von den Städten, sich energisch gegen gerichtlich verordnete Fahrverbote zu wehren. Und dann will er auch noch die von der EU verordneten Grenzwerte überprüfen lassen. Ja, hat die Ärzte und den Verkehrsminister denn jeder Selbsterhaltungstrieb verlassen? 

Wenigstens ein gewiefter Politiker wie Scheuer sollte wissen, dass man sich einer rasend ausbreitenden Religion nicht entgegenstellt, sondern unterwirft, wenn man weiß, was einem gut tut. Der Versuch, die deutsche Autoindustrie zu retten, mag ja löblich sein. Aber soll man wegen dem bisschen Autoindustrie die Liebe seiner Landsleute aufs Spiel setzen?

Es ist nun mal wie es ist. Unsere Umwelt- und Gesundheitsreligion ist der geistlich überhöhte Ausdruck des deutschen Zeitgeistes. Wir Deutschen waren in unserer Geschichte zwar noch nie so gesund wie heute. Aber unsere zwanghafte Gründlichkeit treibt uns in eine immer perfektere Gesundungs-Neurose. Wir folgen gläubig einer Organisation, die sich Umwelthilfe nennt und sich zu einer Art McCarthy der Luftreinheit entwickelt hat. Wehe den Ungläubigen! Und die EU hat in blinder Angst vor ewiger Verdammnis Grenzwerte festgesetzt, als hätte Moses sie als Gottesgebote vom Berg Sinai mitgebracht.

Unser Glaube veranlasst uns als einzige weltweit, die Messstationen so nahe an die Straßen zu stellen, dass sie Gefahr laufen, von den vorbei rollenden Autos umgefahren zu werden. Das Ziel dieser Platzierung ist natürlich, die unfrohe Botschaft mit allen missionarischen Mitteln durchzusetzen. Nach dem Grundsatz: Es gibt keinen gesunden Menschen, es gibt nur Menschen, die noch nicht gründlich genug untersucht worden sind.

Religion hat nun mal nichts mit Logik zu tun

Unser Glaube macht uns blind gegen die Tatsache, dass die offiziell erlaubten Stickoxid-Grenzwerte in Büros und Werkstätten um ein Vielfaches höher sind als die auf der Straße. Und das, obwohl der normale Bürger sich viel länger und ohne Unterbrechung im Büro und in der Werkstatt aufhält als auf der Straße. Wer also im Büro oder in der Werkstatt zwischendurch mal Luft schnappen möchte, die deutlich weniger Stickoxid enthält, der sollte sich an einer deutschen Hauptstraße zwischendurch mal aus dem Fenster lehnen und tief einatmen. Aaah, das tut gut. Warum diese Absurdität? Ganz einfach: Religion hat nun mal nichts mit Logik zu tun. Entscheidend ist der Glaube.

Unser Glaube macht uns blind für die Tatsache, dass wir mit unserer Grenzwert- und Mess-Übertreibung den einstmals dicken Ast absägen, auf dem wir so lange und so gut saßen. Deutschland hat die Welt weder mit seiner Pop-Musik noch mit seinen Blockbuster-Filmen für sich gewonnen. Deutschland hat die Welt weder mit seinem Charme noch mit seiner Eleganz für sich gewonnen. Deutschland hat die Welt mit seinen Ingenieuren gewonnen, und ganz vorn mit seinen Auto-Ingenieuren. Und jetzt folgen wir einem Glaubensbekenntnis, das unsere größte Stärke im internationalen Wettbewerb systematisch untergräbt.

Unser Glaube verschafft uns einen Tunnelblick, der nicht wahrnimmt, dass wir (fast) die Einzigen rundum sind, die sich mit solcher Inbrunst der Umweltfrömmigkeit hingeben. Wir begehen den Ingenieurs-Selbstmord, während unsere Nachbarn fröhlich unsere ausgezeichneten, aber glaubensfernen Autos kaufen und unbekümmert laizistisch mit ihnen durch die Welt fahren.

Unser Glaube weckt in uns eine märtyrerhafte Lust am Untergang. Wir setzen uns fromm für eine Technologie ein, deren Rohstoffe wir nicht besitzen und die eines Tages jeder Fischer auf Malta mit einem 3D-Drucker produzieren kann. Willkommen Hartz-IV in Stuttgart, Wolfsburg und Ingolstadt.

Die Übertreibung, dieser manische Perfektionismus

Unser Glaube an unsere Mission verführt uns dazu, unser kleines Fleckchen Erde zum wahren Mittelpunkt der großen weiten Welt zu machen. Und zu denken, wenn das das richtige Wort ist, dass wir, dieser Tropfen am Eimer, das ganze Universum in Ordnung bringen können. (Da es hier um Autos und Grenzwerte geht, will ich den überambitionierten Ausstieg aus der Atom-Energie und aus der Kohle-Energie, während China im Akkord neue Bergwerke baut, nur am Rande erwähnen.)

Ja, habe ich denn gar keinen Umweltglauben? Hab ich schon. Aber man kann die Frömmigkeit auch übertreiben. Und die Übertreibung, dieser manische Perfektionismus – das ist nun mal ein uraltes deutsches Leiden. 

Es wird Zeit, dass wir zum Anfang dieses Textes zurückkehren. Und zu meiner Sorge um die hundert Lungenärzte und den bayerisch sozialisierten Minister, die es wagen, gegen diesen Tsunami der Gläubigen anzutreten. Die es wagen, wider diesen gewaltigen Stachel zu löcken. Ja, einem unbedachten Mund ist sogar das Wort entglitten, wir Deutschen seien die Mess-Idioten der Welt! Mess-Idioten! Wir? Nix da. Der Rest der Welt besteht aus Mess-Schlampern! Nur wir messen richtig. Wir haben das Maß für uns gepachtet. Unser Maß sollte das Maß aller Dinge…, ach, lassen wir das lieber. 

Meine Sorge wächst jedenfalls. Ja, auch um die Welt, aber aktuell viel mehr um die tollkühnen Männer, die wie Don Quijote gegen ein Heer von Windmühlen kämpfen. Gegen Mühlen, die so viel Wind machen, dass alt bewährte Grundsätze ganz aus unserem Leben weggeblasen werden. Zum Beispiel der von den Lateinern: „Erst besinn's, dann beginn's.“ Oder der von Ludwig Erhard: „Maß halten.“ Und drittens ein Wort aus der Welt des Glaubens: „Lasst doch die Kirche im Dorf!“

All das sind simple Warnungen vor Übertreibung und Plädoyers für Maß und Ziel. Dazu noch ein paar Worte aus Dichter- und Volksmund. Wie wär's mit Schiller: „Allzu straff gespannt zerspringt der Bogen.“ Oder mit einem Stück Volksmund: „Allzu viel ist ungesund.“ Besonders gut gefällt mir der Literatur-Nobelpreisträger Paul Heyse: „Versuch's und übertreib einmal, gleich ist die Welt von dir entzückt. Das Grenzenlose heißt genial, wär's auch nur grenzenlos verrückt.“ Das ließe sich endlos fortsetzen. Aber „grenzenlos verrückt“ ist, finde ich, ein prima Schluss. 

Foto: Pixabay

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Leander Holger Hofmann / 03.02.2019

Ich habe immer gedacht, dass ich mit eigenen Mitteln Einsicht und Verstand in die Sachen bringen könnte. Ohne mir jetzt bei meinen Mitlesern selbst auf die Schultern zu klopfen: Ich habe Abitur, ein Hochschuldtudium mit summa cum laude, aber langsam steige ich, ob der gegenteiligen Expertisen von Fachleuten, d.h Medizinern und deren wissenschaftlicher Studien, zu dieser Thematik, aus. Anscheinend ist das Problem dermaßen komplex, dass ich als durchschnittlicher Bürger das nicht mehr durchschauen kann, oder die Lösung scheint ganz einfach und die Komplexität wird von Teilen der Politik (Grün, Rot, Links) und NGO’s (DHU etc.) nur hineingetragen, damit sie auch politisch interessierte und gebildete Menschen nicht mehr durchschauen können. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass das Letztere wohl der Fall ist.

Jan Reiff / 03.02.2019

“Unser Glaube macht uns blind gegen die Tatsache, dass die offiziell erlaubten Stickoxid-Grenzwerte in Büros und Werkstätten um ein Vielfaches höher sind als die auf der Straße” Leider falsch. In Büros haben wir den Grenzwert 60 (Arbeitsstättenverordnung). In Büros und an Industrieanlagen arbeiten keine Lungenkranke und auch keine Kleinkinder. Der Autor versucht besonders klug zu schreiben, hat aber wenig Kenntnisse von den Fakten. Immerhin schreibt er einmal sein Eigentor. “Der normale Bürger” Der soll aber nicht geschützt werden vor belasteter Luft.

Manfred Haferburg / 03.02.2019

Ich hab auch noch eine Müllerweisheit: “Zuviel zerreisst den Sack”.

H.Volkmann / 03.02.2019

Vielleicht ist die ganze Feinstaubdebatte so eine schieflaufende Intrige von Herrn Winterkorn und dessen Betrügerkumpanen in der Dieselaffäre von VW im Verbund mit SPD. (Deshalb kämpf die CSU dagegen.). Jetztwollen die dadurch   mildernde Umstände für ihre Verbrechen erwirken, indem sie hier die Dieselabgase komplett beseitigen. Vor Gericht behaupten die dann, alles richtig gemachtzu haben, zumindest es gewollt zu haben. Diesel sind doch sauber. Zum Schluss bekommen die von dem grünen ebenfalls verwirrten Richterin einen Freispruch. Immerhin wegen Unzurechnungsfähigkeit oder Verbotsirrtum oder so. Aus Trotz baut VW dann überhaupt keine Diesel mehr. Hat noch keiner Messgeräte erfunden, die jetzt erhöhte Werte messen? Der Tüv machts doch möglich! Dann gibt es auch endlich wieder Hetzjagden auf Nazi-Dieselfahrer oder andersrum, ist eh egal.

Oskar Donald Kaufmann / 03.02.2019

Den Text kann ich unterschreiben. Sela. (Psalmende)

Sepp Kneip / 03.02.2019

Die Reaktion der Umwelt-Apostel zeigt, wie sehr die Ärzte in ein Wespennest gestochen haben. Die Herrschaften wissen ganz genau, dass das alles Unsinn ist, den sie da verzapfen. Vor alles unsere Heilspolitiker wissen das, sonst würden sie nicht die in keiner Weise demokratisch legitimierten NGO’s vorschicken, um die Einhaltung von willkürlichen Grenzwerten und Diesel-Verbote einzuklagen. Die Religion der Gutmenschen ist es, ihren Mitbürgern ein schlechtes Gewissen einzureden, damit die, um ihr Gewissen zu erleichertern, auf deren Lügen hereinfallen. Nun scheint neben den Ärzten auch tatsächlich ein Politiker den Schneid zu haben, den Gutmenschen die Stirn zu bieten. Aber, wird das was nutzen? Warten wirs ab. Wenn immer mehr Leute den Mut aufbringen, sich gegen die Gutmenschen zu stellen, könnte sich etwas ändern. Da gibt es ja noch einen: Kachelmann. Der hat den Grünen tatsächlich ins Buch geschrieben, dass sie nicht mehr so viel Unsinn über das Wetter reden sollen.

Bernhard Freiling / 03.02.2019

Was für ein Schwachsinn. 40 ppm je Kubikmeter Luft - da befinden wir uns im Hochpotenzbereich der Homöopathie. Wenn wir uns mit dieser Potenz “vergiften” können, dann können uns “Ärzte”  auch mit der gleichen Potenz eines Medikamentes heilen - oder? Krebskranke mit einer kaum meßbaren Radioaktivität bestrahlen um deren Krebs zu bekämpfen? Würden das die 3900 Lungenfachärzte, die nicht Köhlers Meinung teilen, auch behaupten? Diese Grenzwertfanatiker: Ich will ja nicht behaupten, die hätten sie nicht mehr Alle. M.E. gebrauchen die sie halt nicht der Reihe nach.

Dr. Gerhard Giesemann / 03.02.2019

Natürlich sind wir Mittelpunkt von allem - deshalb streben ja so viele hin zu uns, ins Gravitationszentrum DE, Massenimmigration nach dem Nötigungsprinzip mit Kinderkulleraugen, nach Prof. Erich Weede, gucksdu YouTube. Das wärmt das Herz und mehr Lungen atmen das NOx besser weg. Wermutstropfen: Mehr CO2 - porca miseria.

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