Es gibt Formen der Korruption, die ganz legal sind. Das geplante Merkel-Monster-Büro hat das Potenzial zu einer Schaltzentrale des Schattenhaften, einem Konglomerat der Korruption.
Deutschland hält sich für ein sauberes Land, in dem Regierungskriminalität und die Korruption hochrangiger Politiker annähernd unbekannte Erscheinungen sind. Herablassend, oft hämisch berichten deutsche Leitmedien über Korruption, Ämterkauf und Bestechung anderswo. Vor allem Angela Merkel gilt als Musterbeispiel einer unbestechlichen Politikerin. Moralische Entrüstung über ihren politischen Ziehvater Helmut Kohl und dessen „Schwarze Kassen“ verhalfen ihr einst zum CDU-Vorsitz und zur Kanzlerkandidatur. Und seitdem spielte sie mit großem Erfolg die Rolle einer moralischen Instanz. Menschlich hochanständig, erhaben über jede Versuchung und ethisch gefestigt durch eine fundierte sozialistische Erziehung, glitt die Unerschütterliche wie eine verdiente Fregatte durch die wilden Wasser einer skandalträchtigen politischen Welt.
Gute sechzehn Jahre im Amt, überlebte Merkel viele politische Führer anderer Staaten und Parteien, die während ihrer Amtszeit durch Korruptionsaffären zu Fall kamen. Ihre moralische Makellosigkeit gab vielen Deutschen das beruhigende Gefühl einer anderswo unbekannten Solidität, einer fast traumhaften Stabilität und Überlegenheit. Und hat sicher manchen bewogen, ihr immer weiter zu vertrauen, auch, wenn es zur Wahlurne ging. Einer so rundum verdienten Führerpersönlichkeit darf man auch den Ruhestand ein wenig versüßen, zum Beispiel, in dem man ihr als Rentnerin ein Büro mit Mitarbeitern und Dienstwagen zur Verfügung stellt.
Zuerst informierte die amerikanische Internet-Seite Business Insider (die weitgehend dem Springer-Konzern gehört) über das Ausmaß von Angela Merkels neuer operativer Basis, inzwischen sind die Einzelheiten durch alle großen Medien gegangen. Nach dem Ende ihrer Amtszeit als Bundeskanzlerin soll Angela Merkel aus Steuermitteln ein Büro mit insgesamt neun Mitarbeitern (und entsprechend vielen Räumen) finanziert werden. Am Dienstag, dem 16. November 2021, beschloss der Hauptausschuss des Bundestags in aller Stille, diesem Antrag des Finanzministeriums stattzugeben.
Versiert in der Kunst des Verschleierns
Business Insider hat die neun Posten genauestens aufgelistet: Zwei Stellen der Besoldungsgruppe B6 (Grundgehalt 10.412 Euro) für die Leitung des Büros sowie eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter, dazu je zwei Referenten und Sachbearbeiter (Besoldungsgruppe A15, etwa 7.100 Euro, respektive E 14, bis 5.600 Euro), eine Stelle für Bürosachbearbeitung sowie zwei Fahrerinnen oder Fahrer. Das sind vier Angestellte mehr, als bisher vertretbar schien und sie etwa Altkanzler Schröder zugestanden wurden. Insgesamt könnten sich die Kosten für Angela Merkels Büro auf monatlich 56.000 Euro belaufen, also jährlich fast eine dreiviertel Million. Dazu Merkels eigene Pension von monatlich 15.000 Euro – eine weitere knappe viertel Million jährlich – macht zusammen eine ganze. Dazu die Nebenkosten des Büros, Material, die Leasing-Raten und der – heutzutage teure – Treibstoff für die Dienstwagen: Die pensionierte Kanzlerin wird den deutschen Steuerzahler deutlich mehr als eine Million Euro im Jahr kosten. Auf Lebenszeit. Und da wir Angela Merkel wie jedem Menschen ein langes Leben wünschen, können mit den Jahren Millionen im zweistelligen Bereich zusammenkommen.
„Private Tätigkeiten oder Tätigkeiten, die auf Einkünfte gerichtet sind, werden nicht durch dieses künftige a.D.-Büro unterstützt“, betonte Noch-Regierungssprecher Seibert, von Journalisten auf das Mega-Büro angesprochen. Diese Absicht zur sauberen Trennung der Sphären ist gut gemeint, aber kaum realisierbar. Wer will das Private, Politische und Geschäftliche bei einer Rentnerin trennen? Noch dazu bei einer, die so versiert ist in der Kunst des Verschleierns? Wer will und kann dieses „a.D.-Büro“ kontrollieren? Was ist diese Einrichtung, strukturell gesehen? Da Angela Merkel kein Amt mehr bekleidet: ein Ort inoffizieller Aktivitäten. In dieser Sphäre geht das Staatlich-Gesetzliche ins Obskure über. Das geplante Monster-Büro hat das Potenzial zu einer Schaltzentrale des Schattenhaften, einem Konglomerat der Korruption.
Einziger offener Widerspruch kam, soweit mir bekannt, von der Partei Die Linke, von deren Finanzausschuss-Mitglied Gesine Lötzsch. „Die üppige Ausstattung ihres (Angela Merkels) zukünftigen Büros erweckt den Eindruck, als ob sie ein Schattenkanzleramt aufmachen will. Offensichtlich steht der amtierende Finanzminister Scholz tief in ihrer Schuld. Anders ist diese Überausstattung nicht zu erklären.“
Es gibt Formen der Korruption, die ganz legal sind. Die zuständigen staatlichen Einrichtungen müssen sie nur absegnen und für rechtens erklären, gegebenenfalls muss ein gefügiges Parlament diesen Beschluss wie so viele andere in einem unbeobachteten Moment durchwinken. Dann hat alles seine Ordnung. Und was man andernorts „korrupt“ nennen würde, ist mit einem Mal gutes Recht.
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